E-Book, Deutsch, Band 44, 345 Seiten
Grisard Gendering Terror
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-593-40961-0
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Eine Geschlechtergeschichte des Linksterrorismus in der Schweiz
E-Book, Deutsch, Band 44, 345 Seiten
Reihe: Politik der Geschlechterverhältnisse
ISBN: 978-3-593-40961-0
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Dass Frauen in linksterroristischen Gruppen aktiv waren und den bewaffneten Kampf befürworteten, rief in den 1970er-Jahren massive Verunsicherungen hervor. Dominique Grisard analysiert am Beispiel des Linksterrorismus in der Schweiz vergeschlechtlichte Sicherheitsdiskurse, die das Phänomen Terrorismus mit der "pervertierten" Emanzipation ausländischer Frauen verknüpften. Über die Abgrenzung von der Figur der maskulinen, ausländischen Terroristin versicherten sich der Staat und seine Bürger des "Eigenen", nämlich einer bürgerlichen Geschlechterordnung, die aus Beschützern der Nation und ihren Frauen und Kindern bestand.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;I. Terrorismus und Geschlecht;10
3;II. Analyse der Diskursfelder;36
3.1;1. Terrorismus als Wissensobjekt: Ergründung von Ursprung und Ursachen;36
3.1.1;1.1 Frauenemanzipation als Auslöser des Linksterrorismus;37
3.1.2;1.2 Russinnen: Die ›Wurzeln‹ des Terrorismus;45
3.1.3;1.3 Fazit: Frauenfiguren und die Dekontextualisierung des Terrorismus;52
3.2;2. Terrorismus als Medienereignis: Bewaffnete ausländische Frauen und ihre Schweizer Anwälte;54
3.2.1;2.1 Die einschlägigen Printmedien;56
3.2.2;2.2 Der internationale Terrorismus in den Schweizer Medien: Flugzeugentführungen der Volksfront zur Befreiung Palästinas;58
3.2.3;2.3 Die Schweiz und der Terrorismus der Nachbarländer: Der Mythos der deutsch-italienischen Terroristin;69
3.2.4;2.4 Terrorisierung der Massenmedien nach deutschem Strickmuster: Die Figur des Schweizer ›Terroristenanwalts‹;87
3.2.5;2.5 Fazit: Konfrontation mit dem ›Fremden im Eigenen‹;98
3.3;3. Strafrechts- und Gerichtspraxis: Angeklagte zwischen Anerkennung als Staatsbürger und Disziplinierung;102
3.3.1;3.1 Die einschlägigen Strafnormen;105
3.3.2;3.2 Die Gerichtspraxis und ihre Geschlechternarrative;119
3.3.3;3.3 Klärung des Straftatbestandes: Das Narrativ des Rechtssubjekts als rationaler männlicher Bürger;121
3.3.4;3.4 Strafbemessung: Disziplinierung durch Geschlechternarrative;127
3.3.5;3.5 Fazit: (Ent-)Politisierung und Feminisierung;145
3.4;4. ›Knastkampf‹: (Selbst-)Stilisierungen inhaftierter TerroristInnen;148
3.4.1;4.1 Die einschlägigen Widerstandsformen;149
3.4.2;4.2 Hungerstreik: Eine massenmediale Form des Widerstands;150
3.4.3;4.3 Knastkunst: Eine subtile Kommunikations- und Widerstandsform;156
3.4.4;4.4 Juristisches Wissen: Das Widerständige in der Forderung nach Anerkennung durch das Recht;162
3.4.5;4.5 Widerstand in Wort und Schrift: Vom ›bewaffneten Kämpfer‹ zur ›Inhaftierten des Hochsicherheitstrakts‹;169
3.4.6;4.6 Fazit: ›Bewaffneter Kampf‹: (K)ein Gegendiskurs;177
3.5;5. Die bundesrätliche und parlamentarische Sicherheitspolitik: Schutz des Staatsbürgers und seiner Familie;179
3.5.1;5.1 Die Sicherheitspolitik des Bundesrates;180
3.5.2;5.2 Sicherheitspolitische Vorstöße im Parlament;185
3.5.3;5.3 Sicherheitspolitische Narrative des Schutzes: Vergeschlechtlichung des ›Eigenen‹ und des ›Fremden‹;200
3.5.4;5.4 Fazit: Verunsicherung hegemonialer Männlichkeit;207
3.6;6. Polizeipraxis: ›Feierabend‹-TerroristInnen als Observationsobjekte;210
3.6.1;6.1 Die zuständigen Staatsbehörden;211
3.6.2;6.2 Ermittlungstechniken: Objekte der Überwachung;215
3.6.3;6.3 Kriminalisierung alternativer Lebensformen: Ablehnung des Wertewandels;234
3.6.4;6.4 Fazit: Zusammenspiel des Öffentlichen, Privaten und Geheimen;241
3.7;7. Zivilgesellschaftlicher Staatsschutz: Unschuldig erscheinender ›Jedermann‹-Terrorismus;244
3.7.1;7.1 Die einschlägigen Akteure und Publikationen;245
3.7.2;7.2 Antiterrorismus, Antikommunismus, Antifeminismus: Vom Terrorismus schwarzbärtiger Anarchisten zum weichen, weiblichen Terrorismus;252
3.7.3;7.3 Wachsamkeit als Bürgerpflicht;267
3.7.4;7.4 Fazit: Männerbündische Strukturen und das ›Recht‹ auf Sicherheit;273
4;III. Synthese und Ausblick;277
4.1;1. Regeln der Diskursverschränkung;278
4.2;2. Regieren mit (Un-)Sicherheit;283
4.3;3. Herausforderung hegemonialer Männlichkeit;287
5;Danksagung;294
6;Abkürzungen;296
7;Quellen;299
8;Literatur;318
III. Synthese und Ausblick (S. 276-277)
Gendering Terror untersuchte massenmediale, strafrechtliche, polizeiliche, sicherheitspolitische und zivilgesellschaftliche Aspekte des Terrorismusphänomens aus einer Geschlechterperspektive. Postuliert wurde eine Verschränkung des dominanten Geschlechter- und Terrorismusdiskurses, die im Kontext der Schweiz der 1970er-Jahre analysiert wurde. Zentral war dabei die Frage, wie symbolische, institutionelle und personale Geschlechteraspekte die Auseinandersetzung mit dem Linksterrorismus der Schweiz prägten. Gleichzeitig interessierte mich auch, wie sich der damalige Umgang mit dem Terrorismus auf den herrschenden Geschlechterdiskurs auswirkte.
Ein entscheidender Ansatz dieser Studie war es dann auch, die Regeln und Logiken einzelner Staatsorgane und BürgerInnen in diskursiven Ereignissen zu verorten. Der Erkenntnisgewinn lag dabei weniger im Verstehen der Einzigartigkeit der Motivationen, sondern in der Verschiebung des Blicks auf die Bedingungen der Thematisierung von Terrorismus und ihrer Verbindung zu Geschlechteraussagen.
Dieser Fokus geht auf das zentrale Forschungsinteresse dieser Studie zurück: die Verschränkung zwischen dem dominanten Terrorismus- und Geschlechterdiskurs in möglichst heterogenen Diskursfeldern zu analysieren. Es sollte als Plädoyer verstanden werden, Terrorismus als vergeschlechtlichten Diskurs zu begreifen, der Alltagsverständnisse von Terrorismus, (Selbst-)Stilisierungen sogenannter TerroristInnen sowie strafrechtliche, politische, polizeiliche, massenmediale sowie weitere (anti-)terroristische Praxen vereint.
Terrorgruppen selbst stellten lediglich ein kleines Puzzleteil der gesamten Maschinerie dar, die bestimmte, was als Terrorismus galt. In der Tat wäre es den hier untersuchten terroristischen Zellen kaum möglich gewesen, im Alleingang ein terroristisches Bedrohungsszenario zu produzieren, geschweige denn diese aufrechtzuerhalten. Zahlreiche weitere AkteurInnen – die Polizei, die Justiz, die Parlamentspolitik, die Medien und die Vereine und einzelne BürgerInnen – waren an der Diskursproduktion beteiligt.
Um die zentralen Ergebnisse dieser Untersuchung zu bündeln, werden zunächst drei grundlegende Regeln der Verschränkung des Terrorismus- und Geschlechterdiskurses thematisiert. Als Zweites gehe ich der Frage nach, welche Machteffekte die Verschränkung von Terrorismus und Geschlecht in den unterschiedlichen Diskursfeldern entfaltete. In einem letzten Schritt wird aus diskurs- und machttheoretischer Geschlechterperspektive eine Einschätzung des Phänomens Terrorismus vorgenommen.