Grünewald / Kögel Mörderische Bilderrätsel
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-86314-734-1
Verlag: CoCon-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Krimi aus Hanau
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-86314-734-1
Verlag: CoCon-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein spannender und vergnüglicher Lokalkrimi vor dem Hintergrund des Hanauer Innenstadt-Umbaus. Das Ermittlerduo Weinrich und Schönfelder muss sich nicht nur mit Kunstraub und mysteriösen Todesfällen herumschlagen, es kämpft auch mit den Tücken des Berufs-, Ehe- und Beziehungsalltags - und strampelt sogar gegen überfl üssige Pfunde an. Nicht nur die Kommissare, auch die Leser werden bis zum überraschenden Ende auf manch falsche Fährte gelockt. Man möchte dieses äußerst unterhaltsame Buch am liebsten in einem Rutsch durchlesen.
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Kapitel 1
Sein Blick fiel auf den bis zur Unkenntlichkeit zerknitterten Kofferanhänger der Fluggesellschaft und schreckte ihn aus den Urlaubserinnerungen auf. Wollte er nicht genauso mitgenommen aussehen, brauchte er jetzt erst einmal eine Dusche. Weinrich warf die Reiseklamotten über die Couchlehne und machte sich auf den Weg ins Bad. Heißes Wasser würde seine Lebensgeister wiederbeleben und die Erinnerung an die Tropen frisch halten. Da klingelte das Telefon. Automatisch griff Weinrich nach dem Hörer und bereute es sogleich. „Dienststelle“ verriet der Blick aufs Display. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Bernd Stieglitz, der Kollege, den Weinrich bereits aus der Zeit kannte, als er, frisch von der Polizeischule kommend, seinen Dienst im Hanauer Stadtteil Großauheim angetreten hatte. „Schön, dass du schon da bist“, begann Stieglitz, ein Mitfünfziger, Ortsansässiger von Kindesbeinen an und Mitglied im örtlichen Gartenbauverein. Als Hobby betrieb er eine kleine Obstbrennerei. „Woher ...?“ „Ich habe im Internet nachgeguckt, wann dein Flieger gelandet ist“, beantwortete Stieglitz die Frage Weinrichs, noch bevor dieser sie stellen konnte. „Sehr zuvorkommend“, spöttelte Weinrich. „Weißt du, wie viele Stunden ich im Flieger gesessen hatte?“ „Zwölf Stunden und 16 Minuten. Steht auch im Internet.“ Weinrich stöhnte. „Ich bin kaputt.“ „Weiß ich“, sagte Stieglitz mitfühlend. „Ist auch keine große Sache. Wenn der neue Dienststellenleiter sich nicht so aufspielen würde, hätte ich dich gar nicht angerufen.“ „Und wie ist der Neue?“, fragte Weinrich nach. „Das erzähle ich dir lieber bei einem Obstler.“ Stieglitz‘ Stimme war um einige Tonstufen leiser geworden, als er fortfuhr: „Auf jeden Fall spricht er von der Polizei als einem Unternehmen, das betriebswirtschaftlich denken lernen muss. Aber das wirst du ja selbst noch mitkriegen, wenn du wieder im Büro bist“, schloss Stieglitz, dem dieses Thema einiges Unbehagen zu bereiten schien. Weinrich hatte ein Einsehen mit dem Leiden seines Kollegen, der offensichtlich den Druck der neuen Polizeiführung verspürte, die sich mit neuem Wind, neuen Ideen und Konzepten beweisen wollte, und kehrte zum eigentlichen Grund seines Anrufs zurück. „Und was habt ihr? Hab ich noch Zeit für eine Dusche?“ „Sicher“, sagte Stieglitz, „es ist ja kein Mordfall.“ „Was denn?“ Weinrich war neugierig geworden. „Im Museum ist etwas geklaut worden. Irgendwelche alten Ölschinken. Tätest mir echt nen Gefallen, wenn du mal mit dem Museumsleiter sprichst. Ich bin da nämlich kein Experte.“ „Denkst du, ich?“, wandte Weinrich ein. Seine Bildersammlung beschränkte sich auf den Kalender „Die Impressionisten“, der ihm jährlich mit unterschiedlichen Motiven von seiner Apotheke überreicht wurde, als Geschenk für seine Kundentreue. Und dann hing in seinem Flur ein Bild von Kandinsky mit wirren geometrischen Formen, das er zusammen mit der Couch in einem Möbelhaus erstanden hatte, weil es farblich gut zur Garderobe passte. Von wirklichem Kunstverständnis konnte also keine Rede sein. „Also gut“, willigte er schließlich ein. „Bin in einer Viertelstunde da.“ Als Weinrich wenig später mit seinem Wagen in den Hof des Philippsruher Schlosses fuhr, war er aufs Neue vom imperialen Glanz der frühen Fürsten beeindruckt. Mit Blick auf die erhabene Architektur des Schlosses, in dem das Historische Museum untergebracht war, beschloss Weinrich, Britta zu einem Sonntagsausflug hierher mitzunehmen. Bei ihrem Sinn für hochherrschaftliche Prachtentfaltung würde ihr das gefallen, vermutete er. Löwenporträts und Marmorsäulen waren so ganz nach ihrem Geschmack. Die bronzenen Löwenfiguren, die in der Auffahrt jeden Besucher empfingen, hatten jedoch ihre abschreckende Wirkung auf den Dieb oder die Diebe verfehlt. Weinrich legte seine Hand tätschelnd auf das Löwenhaupt. „Alles nur Fake“, kam es ihm über die Lippen. Damit könnte man vielleicht die Untertanen des 18. Jahrhunderts beeindrucken, genauso wie mit all jenem Gold und den unzähligen Kronen, die die Herrscher im Mauerwerk und in der Schlossumzäunung anbringen ließen. Letztlich wurden die Fürsten am Ende doch überrollt von der Zeit. Statt zu neuen Ufern aufzubrechen, klammerten sie sich an ihren Status und ihre Privilegien. Weinrich zog die Hand vom Löwenkopf zurück und machte sich auf den Weg zu Museumsleiter Horst Jaschke. Der kam ihm bereits über die geschwungenen Stufen aus dem ersten Stock entgegen. Ein drahtiger Mann kurz vor der Pensionierung, der mit seinen lebendigen und wachen Augen jünger wirkte. Eine elegante Erscheinung, stellte Weinrich fest. Mit edlem Sakko und farblich abgestimmtem Halstuch passte er gut zu den Exponaten des Museums, als sei er mit ihnen symbiotisch verwoben. „Ich bin seit 30 Jahren Museumsleiter“, begann er aufgeregt. „So etwas ist hier noch nie passiert.“ Das sei für ihn unfassbar, sagte er wie ein Hundebesitzer, dessen Kläffer gerade einem Passanten ins Bein gebissen hat, obwohl der Vierbeiner doch sonst ein ganz lieber Kerl ist. Weinrich kannte diesen Ausspruch zur Genüge. Täglich geschahen Dinge zum ersten Mal, entgegen der Erwartung und erst recht entgegen den Berechnungen der Mathematiker, die ein Unglück vielleicht erst in 1000 Jahren für möglich hielten. Doch Weinrich behielt seine Gedanken für sich. Stattdessen folgte er dem Museumsleiter durch die Räume zum Tatort. Vorbei an großformatigen Porträts von Männern in Rüstungen oder ausgestattet mit den Insignien der Macht. Fast immer schauten sie von einem Feldherrenhügel auf das ihnen zu Füßen liegende Volk herab. Weinrich hatte Verständnis dafür, dass die Diebe diese Bilder hängen gelassen hatten. Wer wollte sich schon beständig klein und mickrig fühlen und Glanz und Gloria gottähnlicher Grafen huldigen müssen? Vor einer leeren Wand blieben sie stehen. „Hier“, sagte Jaschke und deutete auf die leere Fläche mit der Geste eines Magiers, der gerade eine Jungfrau vor den Augen des staunenden Publikums hat verschwinden lassen. Weinrich starrte auf die weiße Wand und wartete. „Hier hing er, der Soreau“, fuhr Jaschke fort. „Ein Soreau. Ein Meisterwerk. Eine Katastrophe.“ In Satzfetzen schilderte er das Unglück des Verlustes. „Beruhigen Sie sich. Wir finden den Täter.“ „Der Täter ist mir egal“, brach es aus Jaschke hervor. „Ich will das Bild. Das Bild, verstehen Sie?“ Ein alter Schinken mehr oder weniger, davon ging die Welt nicht unter, dachte Weinrich. „Was ist an dem Bild denn so besonders?“, wagte er eine Frage. Jaschke verzog gequält das Gesicht. Zu oft hatte er mit ansehen müssen, wie Museumsbesucher achtlos an dem guten Stück vorbeizogen und allenfalls einen flüchtigen Blick für das Werk des berühmten Stilllebenmalers übrig hatten. „Soreau, das ist ein Stück Identität der Stadt“, begann Jaschke seine Erläuterungen. „Er kam als Glaubensflüchtling nach Hanau und gründete gemeinsam mit anderen Wallonen die Hanauer Neustadt. Seine Bilder sind wahre Schätze und Ausdruck des Glaubens. Sie symbolisieren die Vergänglichkeit des Lebens und die Größe Gottes.“ Jaschke redete sich in einen Rausch der Begeisterung, erzählte vom Bildersturm der Reformation in den Niederlanden, als die Abbildungen Christi aus Kirchen entfernt und dann verkauft oder vernichtet wurden. Darstellungen von Jesus waren für die Reformierten Götzendienst. Als Rechtfertigung diente das Verbot der bildlichen Darstellung Gottes, das schon in der Bibel erwähnt wird. „Und jetzt hat es ihn selbst erwischt“, konnte sich Weinrich eine spitze Bemerkung nicht verkneifen. Jaschke schaute irritiert, so als beginne er, am Ermittlungseifer des Beamten zu zweifeln. „Einen Soreau zu klauen ist so, als reiße man der Stadt das Herz heraus“, beschwor Jaschke ein dramatisches Bild. Weinrich zeigte sich unerschütterlich, was Jaschke dazu veranlasste, ein weiteres Beispiel für die Tragweite des Verlustes zu zitieren. „Stellen Sie sich vor, Sie fahren nach Paris und dort, wo der Eiffelturm stehen sollte, finden Sie nur ein großes Loch.“ Das verstand Weinrich und nickte. „Ein Drama“, bestätigte er, wobei ihm der Verlust des Eiffelturms als größere Katastrophe erschien. „Herr Jaschke?“, meldete sich plötzlich die Assistentin des Museumsleiters, die wartend...