Buch, Deutsch, Band 72, 142 Seiten, PB, Format (B × H): 129 mm x 201 mm, Gewicht: 243 g
Reihe: Herrenalber Forum
Theologie und Naturwissenschaft im Gespräch
Buch, Deutsch, Band 72, 142 Seiten, PB, Format (B × H): 129 mm x 201 mm, Gewicht: 243 g
Reihe: Herrenalber Forum
ISBN: 978-3-89674-573-6
Verlag: Evangelische Akademie
Was soll als Maßstab gelten in einer Gesellschaft, in der Menschen unterschiedlichster Herkunft und Überzeugungen zusammenleben? Die Frage nach dem „rechten Maß“ ist angesichts pluralisierter Lebensverhältnisse und unterschiedlicher weltanschaulicher Positionen eine große Herausforderung. Gibt es überhaupt verbindliche Maße, an denen man sich orientieren kann? Und welche Rolle spielt dabei der Mensch als „Maß aller Dinge“.
Die vorliegenden Beiträge einer Akademietagung der Reihe „Theologie und Naturwissenschaft im Gespräch“ versuchen aus unterschiedlichen Perspektiven Antworten auf diese Fragen zu geben. Sie behandeln den Menschen in seinem Verhältnis zur Natur, die Natur als maßgebendes Vorbild für technische Konstruktionen (Bionik) sowie die Frage der Angemessenheit leistungssteigernder Eingriffe und Substanzen beim Menschen.
Weitere Infos & Material
Vorwort
Thomas Gutknecht:
Das Maß und das Angemessene. Über Maßstäbe, Grenzen und Selbstbegrenzung
Eberhard Frey:
Natürliche Konstruktionen – ein Maß für menschliche Technik? Bionik und ihre Grenzen
Jürgen Audretsch:
Der Mensch als Maß – auch in der Physik?
Uta Bittner:
Optimierung des Menschen? Ein kleiner Überblick zu einigen Argumenten rund um das Neuro-Enhancement
Klaus Nagorni:
„Wer gibt die Weisheit in das Verborgene?“ Gott lässt sich nicht vermessen und verorten
Verfasser
Vorwort
Die Frage nach den Maßstäben, die unser Handeln bestimmen, findet ihre Anlässe in den aktuellen Ereignissen der Tagespolitik genauso wie in den grundsätzlichen Überlegungen über das, woran sich Menschen und Gesellschaften orientieren sollen. Sie stellt sich angesichts von Fragwürdigkeiten in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, nachdem sich herausstellt, dass das überkommene moralische Fundament zu schwanken begonnen hat. Was ist zu tun geboten? Wo findet sich Orientierung? Was kann noch als erlaubt durchgehen und was ist unverzeihlich?
Die Frage nach Maßstäben, die über den Tag hinaus gültig sind, die sich auf einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens berufen können, ist angesichts pluralisierter Lebensverhältnisse und differenzierter weltanschaulicher Positionen keineswegs leicht zu beantworten. Was soll gelten in einer Gesellschaft, in der Menschen unterschiedlichster Herkunft und Überzeugungen zusammenleben? In einer Welt, die wir für halbwegs berechenbar halten, und wo wir immer wieder merken, wie schnell das Unberechenbare eintritt und viele der bisherigen Maßstäbe in Frage stellt?
Die Frage nach dem richtigen Maß bietet dabei eine wichtige Hilfestellung. Sie begleitet ja die menschliche Gesellschaft seit ihren Anfängen – als Philosophie des Maßes, die bereits Aristoteles entwickelte. Als Frage nach dem guten und Gott wohlgefälligen Leben wie in den biblischen Büchern der Weisheit oder auch in den bildenden Künsten des Mittelalters, wo man nach dem goldenen Schnitt und den angemessenen Proportionen in der Kunst und im Leben suchte.
Kaum einer hat über die Frage des richtigen Maßes, das die labilen Gleichgewichtszustände ins Lot bringt, so intensiv nachgedacht wie der Heidelberger Religionsphilosoph Georg Picht. In seinem Buch „Das richtige Maß finden. Der Weg des Menschen ins 21. Jahrhundert“ schreibt er:
„Das Leben der Menschen ist von dem Gesetz nicht ausgenommen, dass in der Natur nur das bestehen kann, was seine Ordnungen und Maße hat. Alle menschlichen Ordnungen bilden sich in einem Geschiebe von Gleichgewichtsverhältnissen aus. Frieden erfordert eine balance of power; Medizin, Ethik, Psychiatrie haben es stets mit der Gefährdung oder Stabilisierung von spezifischen Gleichgewichten zu tun; Analoges gilt von Ökonomie und Recht. Humanökologie wird zum Problem, weil die Menschen mit Hilfe der ihnen verfügbaren Macht inmitten der Natur Systeme herstellen wollen, die weder in einem ihnen selbst immanenten Gleichgewicht ruhen noch mit den Gleichgewichten der Natur in Übereinstimmung gebracht werden können. Die Menschen haben in der wissenschaftlich-technischen Zivilisation das ‚Augenmaß’ für jene Gleichgewichtsverhältnisse verloren, die für sie Existenzbedingungen sind“.
Wenn es so ist, dass wir das Augenmaß verloren haben, ist die Frage, lässt es sich wieder finden und wo lässt es sich wieder finden. Gibt es so etwas wie verbindliche Maße, an denen man sich orientieren könnte? Welche Maße liegen den Operationen des Messens in der Physik zu Grunde? Und welche Rolle spielt der Mensch als „Maß aller Dinge“ (Protagoras)?
Die hier vorgelegten Beiträge der Tagung in der Reihe „Theologie und Naturwissenschaft im Gespräch“ kreisen um diese aufgeworfenen Fragen. Und versuchen aus unterschiedlicher Perspektive Antworten zu geben. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir eine anregende Lektüre.
Prof. Dr. Jürgen Audretsch
Universität Konstanz
Klaus Nagorni
Evangelische Akademie Baden
Karlsruhe, im September 2013