E-Book, Deutsch, Band 4
Reihe: Café Hannah
Hacker Café Hannah - Teil 4
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-945932-53-7
Verlag: 26|books
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Vertraut anders
E-Book, Deutsch, Band 4
Reihe: Café Hannah
ISBN: 978-3-945932-53-7
Verlag: 26|books
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Seit einem Jahr sind Hannah und Andy nun ein Paar, harmonisch ist ihr Verhältnis jedoch immer noch nicht. Als sie erfährt, dass ihr Exmann Johann an Krebs erkrankt ist, verbringt Hannah sehr viel Zeit an dessen Seite. Ihr Ex ist ihr auch nach dreißig Jahren Trennung seltsam vertraut, dennoch ist alles anders.
Auch die anderen in Hannahs Umfeld haben Probleme: JJ ist unglücklich verliebt, Illy kämpft um ihr berufliches Überleben, Hubertus hat Angst vor dem Alleinsein. Svenja erhält eine schockierende Nachricht, die ihr Leben komplett umkrempelt. Ist das eine Chance für Ben, endlich ihr Herz zu erobern? Andy hat zum ersten Mal Zweifel an seiner Liebe zu Hannah. Einzig für Edi läuft endlich alles rund. Bahnt sich da ein Happy End an?
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2 - Verlobt! Verliebt? (Jonathan »JJ« Jensen)
Die ganze Heimreise über war JJ wütend auf seine Mutter. Es war typisch Hannah: Kaum war sie da, gab sie den Ton an. Sie hatte keine Ahnung von der Krankheit seines Vaters, wusste nichts darüber, wie sehr ihn die Chemo schlauchte. Ihr war nur wichtig, dass sie ihren verdammten Willen durchsetzte. Er wusste, er war ungerecht. Hannah hatte zwar gern die Kontrolle über alles, aber sie wollte damit immer nur Gutes tun. Meistens jedenfalls. Dennoch ärgerte es ihn, dass sie ihm nicht zutraute, sich allein um seinen Vater zu kümmern. JJ seufzte. Es würde zu einer Diskussion mit Hannah führen, die er vermutlich verlieren würde. Sie musste aufhören, sich dauernd einzumischen. Er war kein Kind mehr, verdammt noch mal. Das mit dem Ausflug vergangene Woche war charakteristisch für sie gewesen. Aber er musste zugeben, dass es Johann wirklich gut getan hatte rauszukommen, und es war seine eigene Idee gewesen; Hannah hatte ihn nur dabei unterstützt. So ist das also, wenn sich Eltern gegen ihre Kinder verbünden, dachte er und musste wiederwillig lachen. Diese Situation hatte er nie kennengelernt. An die gemeinsame Zeit in Lübeck konnte er sich nicht erinnern, und später, in Amerika, als es wieder den einen oder anderen Mann in ihrem Leben gab, hatte Hannah sich immer auf seine Seite geschlagen. Ausnahmslos. Der Zug fuhr in den Berliner Hauptbahnhof ein, JJ packte Buch und Laptop in den Rucksack. Er hatte beides nicht angerührt, war zu sehr mit den Gedanken über seine Eltern beschäftigt gewesen. Geduldig wartete er, bis die anderen Fahrgäste ausgestiegen waren, schulterte seinen Rucksack, stieg ebenfalls aus und fuhr mit den Rolltreppen zwei Etagen höher, um im Supermarkt noch ein paar Lebensmittel einzukaufen. Auf Chris wollte er sich nicht verlassen, obwohl sie ihm versprochen hatte, die Vorräte aufzufüllen. Der Gedanke an seine Mitbewohnerin schmerzte. Musste er sich ausgerechnet in eine Frau verlieben, die keine feste Beziehung wollte? Für Sex ohne Verpflichtung war er jedenfalls nicht zu haben. JJ nahm einen Einkaufskorb, lief durch die Gänge des Marktes und legte einige Grundnahrungsmittel hinein: Brot, Butter, Eier, Kaffee, Milch. Am Käsestand probierte er eine neue Sorte, die ihm die Verkäuferin anpries, und kaufte ein Stück davon. Als er Richtung Kasse an den Getränkeregalen vorbeilief, griff er wahllos nach einer Flasche Rotwein. Er zahlte, packte alles in einen Beutel, den er für Spontankäufe immer im Rucksack stecken hatte, und ging zur Haltestelle des Tegelbusses, der ihn in gut fünf Minuten zur nächstgelegenen U-Bahnstation bringen würde. Von dort waren es nur noch ein paar Minuten zu Fuß zur Wohnung. In manchen Dingen hatte er sich bereits perfekt an deutsche Verhältnisse angepasst – vor allem in Sachen Mülltrennung und Umweltschutz. In anderen war er immer noch ein typischer Amerikaner – vor allem in Sachen Sex ohne Liebe. War das nun prüde oder einfach sein Charakter? JJ hätte gerne mit jemandem darüber geredet, wusste nicht, mit wem. Natürlich hatte er in dem Jahr, seit er in Berlin lebte, neue Freunde gefunden, aber er kannte sie nicht gut genug, um mit ihnen über so ein persönliches Problem zu sprechen. Er war sich nicht einmal sicher, ob er mit Tom darüber reden würde – und der war sein bester Freund seit Kindertagen. Seine Mutter wäre vermutlich perfekt dafür; sie hatte genug Erfahrung und lebte inzwischen lange genug in Deutschland, um sich mit den Sitten und Gebräuchen auszukennen. Wollte man mit seiner Mutter über die Frau sprechen, in die man verliebt war, die allerdings nichts von einem wissen wollte? Nein! JJ schob alle Gedanken an Chris und seine Mutter von sich, konzentrierte sich auf seinen Vater. So sehr es ihm widerstrebte, musste er zugeben, dass der Ausflug Johann gut getan hatte. Es war seit langem der beste Tag gewesen. Er konnte sich nur zu gut an den eisigen Schrecken erinnern, als Johann ihm vor einigen Wochen eröffnet hatte, dass er Krebs habe. Würde er seinen Vater verlieren, kaum, dass er ihn näher kennengelernt hatte? Die letzten Monate waren ein einziges Auf und Ab, ein Hoffen und Bangen gewesen. Sie hatten es zusammen durchgestanden, es hatte sie sogar schneller zusammengeschweißt. JJ hätte den Zustand der Zweisamkeit liebend gern beibehalten, aber er war an die Grenzen seiner Kräfte angelangt und brauchte Unterstützung. Auch wenn er sich über seine Mutter ärgerte, weil sie immer sofort alle Fäden in der Hand halten musste, wusste er, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, sie einzuweihen. Egal, wie sie zueinander standen – auf sie war Verlass. JJ bog in die Erasmusstraße ein, die seit einem Jahr seine neue Heimat war. Er fühlte sich wohl und dennoch hatte er immer noch Heimweh. Neben seinen Freunden vermisste er am meisten Marilyn. Sie hatte ihm, ähnlich wie seine Mutter, die Flausen ausgetrieben, wenn er mal wieder eine Idee hatte, die nicht realisierbar war. Man musste kein Psychoanalytiker sein, um zu sehen, warum er und Hannah so viele Probleme miteinander hatten. Sie hatte immer gearbeitet, während er von anderen Frauen erzogen worden war: in München von Klara, in Queens von Marilyn. Heutzutage war es gang und gäbe, dass Kleinkinder den Tag in Krippen verbrachten, während die Eltern arbeiteten. War er altmodisch, wenn er sich eine Frau wünschte, die zu Hause bei den Kindern bleiben wollte, zumindest in den ersten Jahren ihres Lebens? Oder war es nur der Wunsch, die eigene Mutter besser kennengelernt zu haben? JJ stieg die vier Stockwerke hoch und schloss die Tür auf. Das Licht war an, zu hören war nichts. »Chris? Ich bin wieder zurück.« Er räumte in der Küche die Lebensmittel weg und stellte den Rucksack in sein Zimmer. Von seiner Mitbewohnerin keine Spur. Er wusste nicht, ob er erleichtert oder enttäuscht sein sollte. »Chris? Bist du da?« Keine Antwort. Ihre Zimmertür war zu, was bedeutete: Ich will nicht gestört werden. Er respektierte das und schloss seine eigene Tür hinter sich. Nachdem er ausgepackt hatte, schickte er Johann und Hannah eine Nachricht, dass er wohlbehalten angekommen war. Johanns Handy war aus, Hannah schickte ihm einen nach oben gereckten Daumen zurück. JJ schaltete das Telefon aus und richtete die Unterlagen für den nächsten Tag her. Seit er potentielle Immigranten auf ihre Deutschprüfung vorbereitete, sah er endlich einen Sinn im Unterrichten. In den ersten Wochen nach seinem Umzug hatte er versucht, gelangweilten Teenagern die englische Sprache nahezubringen. Instagram und die neueste Mode war ihnen weit wichtiger gewesen als Grammatik. Welch ein Unterschied hingegen seine jetzigen Schüler! Der Jüngste war achtzehn, die älteste zweiundfünfzig. Sie sprachen alle leidlich bis sehr gut Englisch und waren in der Regel gut gebildet. Sie kamen aus aller Herren Länder, vor allem jedoch aus Syrien, Iran und Afghanistan. Er hatte viel über den Fachkräftemangel in Deutschland gelesen und verstand nicht, warum die Politik diesen lernwilligen Menschen den Weg in die Arbeitswelt so schwer wie möglich machte. War das nicht eine klassische Win-win-Situation? Er war ziemlich blauäugig gewesen, als er dachte, er könne mit dem Weggang aus den USA den Rassismus hinter sich lassen. JJ putzte gerade seine Zähne, als er die Wohnungstür hörte. Er spuckte die Zahnpasta aus und lief zur Tür. »Chris?« »Ja. Du bist schon zurück?« Sie stand im Flur und wirkte wie ein kleines Mädchen. »Klar. Es ist schon fast zehn. Wo warst du? Das Licht war an.« Chris wandte sich ab und ging zu ihrem Zimmer. »Notfall«, sagte sie. »In der Familie.« JJ runzelte die Stirn. »Ich dachte, du hast keinen Kontakt zu deiner Familie?« Sie drehte sich um und versuchte ein Lächeln, das misslang. »Hab ich auch nicht. War, wie gesagt, ein Notfall.« Ihr Ton machte klar, dass sie nicht darüber reden wollte. »Wie geht’s deinem Dad?« »Den Umständen entsprechend gut.« »Das ist schön.« Es klang nicht so, als würde es sie interessieren. Sie gähnte ungeniert und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. »Ich bin müde. Gute Nacht.« »Gute Nacht.« JJ zog sich ebenfalls zurück in sein Zimmer. Kurz vor dem Einschlafen fiel ihm ein, dass er seine Zähne nicht ordentlich geputzt hatte. »Egal«, murmelte er und löschte das Licht. Er schreckte hoch, als er seinen Namen hörte. »Was ist los?« Chris stand neben seinem Bett. »Mir geht’s nicht gut, kann ich zu dir ins Bett kommen?« JJ war zu verblüfft, um sie fortzuschicken. Er hob die Decke, kurz darauf spürte er Chris‘ schlanken Körper neben seinem. Er hatte erwartet, dass sie sich von ihm abwenden würde, aber sie drehte sich zu ihm, schlang ihre Arme um seinen Hals und flüsterte: »Schlaf mit mir. Bitte. Ich brauch das jetzt.« Dann küsste sie ihn. Als der Wecker klingelte, fuhr JJ hoch. Er lag allein im Bett, keine Spur von Chris. Hatte er alles nur geträumt? Das Kopfkissen roch nach ihrem Parfüm. »Fuck«, fluchte er. Soviel zum...