Hardy | Tess | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 592 Seiten

Reihe: dtv- Klassiker

Hardy Tess

Roman
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-423-41635-1
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 592 Seiten

Reihe: dtv- Klassiker

ISBN: 978-3-423-41635-1
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der große Schicksalsroman  Durch Zufall erfährt die in ärmlichen Verhältnissen lebende Tess Durbeyfield, dass ihre Familie einem alten normannischen Adelsgeschlecht entstammt. Ihr Entschluss, vermeintliche Verwandte zu besuchen, hat fatale Folgen für die junge Frau: Sie trifft auf die zwei Männer, die den Gang ihres Schicksals unheilvoll lenken. Mit Tess sorgte Thomas Hardy 1891 für Aufsehen. Der Roman zählt zu den großen Klassikern der englischen Literatur. Diese Neuausgabe in attraktiver Sonderausstattung bietet die zeitgemäße Übersetzung von Helga Schulz. 

Thomas Hardy, geboren am 2. Juni 1840, war Sohn eines Baumeisters. Er ging nach der Architektenlehre nach London und begann neben seiner Arbeit als Kirchenrestaurator zu schreiben. 1871 erschien der erste seiner berühmten >Wessex<-Romane, die alle in seiner heimatlichen Umgebung angesiedelt sind. Hardy hinterließ ein umfangreiches Werk, darunter 14 Romane und fast 1000 Gedichte. Er starb am 11. Januar 1928.
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Erste Phase

Das Mädchen


1


An einem Abend in den letzten Tagen des Monats Mai ging ein Mann mittleren Alters von Shaston heimwärts nach dem Dorf Marlott im angrenzenden Tal von Blackmore oder Blackmoor. Das Paar Beine, das ihn trug, war ziemlich wackelig, und in seinem Gang lag etwas Schiefes, das ihn immer wieder ein wenig von der geraden Linie nach links abweichen ließ. Von Zeit zu Zeit nickte er heftig, wie zur Bestätigung einer Meinung, obgleich er an gar nichts Besonderes dachte. An seinem Arm baumelte ein leerer Eierkorb, der Filz seines Hutes war zerknüllt und ein Stück davon an seiner Krempe, dort, wo er mit dem Daumen hingriff, wenn er ihn abnahm, war völlig abgenutzt. Ihm begegnete bald ein älterer Pfarrer zu Pferde auf einer grauen Stute, der beim Dahinreiten ein Wanderlied vor sich hin summte.

»Wünsche eine gute Nacht«, sagte der Mann mit dem Korb.

»Gute Nacht, Sir John«, sagte der Pfarrer.

Der Fußgänger blieb nach ein paar weiteren Schritten stehen und wandte sich um.

»Mit Verlaub, Sir; aber wir trafen uns am letzten Markttag auch etwa um diese Zeit und auf dieser Straße, und ich sagte ›gute Nacht‹, und sie sagten ›gute Nacht, Sir John‹, so wie jetzt.«

»Das tat ich«, sagte der Pfarrer.

»Und davor auch schon mal – vor fast einem Monat.«

»Das mag sein.«

»Aber was wollen Sie wohl damit sagen, wenn Sie mich jedesmal ›Sir John‹ nennen, wo ich doch nur der ganz gewöhnliche Jack Durbeyfield, der Hausierer bin.«

Der Pfarrer kam ein paar Schritte näher herangeritten.

»Das war nur so eine Laune von mir«, sagte er. Und nach einem Moment des Zögerns: »Es war wegen einer Entdeckung, die ich vor kurzem gemacht habe, während ich in alten Stammbäumen geforscht habe für die neue Grafschaftsgeschichte. Ich bin Pfarrer Tringham, der Altertumsforscher, von Stagfoot Lane. Wissen Sie wirklich nicht, Durbeyfield, daß Sie der direkte Vertreter der alten, ritterlichen Familie der d’Urbervilles sind, die ihre Abstammung von Sir Pagan d’Urberville herleiten, dem berühmten Ritter, der mit Wilhelm dem Eroberer von der Normandie hierher kam, wie es aus der Battle Abbey Roll, der Namensliste, hervorgeht.«

»Noch nie davon gehört, Sir!«

»Es ist aber wahr. Heben Sie mal Ihr Kinn einen Augenblick, damit ich Ihr Profil besser sehen kann. Ja, das ist die Nase und auch das Kinn der d’Urbervilles – nur ein wenig degeneriert. Ihr Vorfahr war einer der zwölf Ritter, die den Lord von Estremavilla in der Normandie bei seiner Eroberung Glamorganshires unterstützten. Zweige Ihrer Familie besaßen in diesem Teil Englands überall Rittergüter; ihre Namen tauchen in den Schatzkammerrollen zur Zeit König Stephens auf. Während der Regierungszeit König Johns war einer von ihnen reich genug, den Johannitern ein Rittergut zu schenken; und zu Edwards II. Zeit wurde Ihr Ahnherr nach Westminster berufen, um dort an dem großen Konzil teilzunehmen. Zu Oliver Cromwells Zeiten gab es bei Ihnen einen geringen Niedergang, aber in keinem ernstlichen Maße, und während der Regierung Charles’ II. wurden Sie wegen Ihrer Treue zu Rittern der Königseiche geschlagen. Ja, da gab es Generationen von Sir Johns unter Ihnen, und wenn Ritterschaft erblich wäre wie der Rang eines Baronets – wie es in alten Zeiten praktisch der Fall war, als die Ritterschaft noch vom Vater zum Sohn überging –, dann wären Sie jetzt Sir John.«

»Was Sie nicht sagen!«

»Kurz gesagt«, schloß der Pastor, während er mit seiner Peitsche entschieden an sein Bein klatschte, »es gibt kaum noch eine weitere solche Familie in England.«

»Da staune ich aber, ist das wirklich so?« sagte Durbeyfield. »Und da bin ich hier Jahr für Jahr rumgezogen von Pontius zu Pilatus, als wär ich nicht mehr als der gewöhnlichste Bursche in der Gemeinde . . . Und wie lange weiß man das über mich schon, Pfarrer Tringham?«

Der Geistliche erklärte, daß, soweit er wisse, inzwischen niemand mehr Kenntnis davon habe und man kaum sagen könne, daß es überhaupt jemals bekannt war. Er habe mit seinen eigenen Nachforschungen im vorigen Frühjahr an dem Tag begonnen, als er – während er damit beschäftigt gewesen war, die Wechselfälle im Leben der Familie der d’Urbervilles zu erforschen – Durbeyfields Namen an seinem Wagen entdeckt und Erkundigungen über seinen Vater und Großvater eingezogen habe, bis es für ihn keinen Zweifel mehr daran gab.

»Zuerst beschloß ich, Sie nicht mit solchen nutzlosen Informationen aufzustören«, sagte er. »Aber manchmal tun wir etwas wider besseres Wissen. Ich dachte auch, Sie wüßten vielleicht schon die ganze Zeit etwas davon.«

»Na ja, ich hab schon ein paarmal davon gehört, es stimmt, daß meine Familie bessere Tage gesehn hat, bevor sie nach Blackmoor kam. Aber ich hab’s nicht weiter beachtet, dachte mir, es hieß nur, daß wir früher zwei Pferde gehalten haben, wo wir jetzt nur eins haben. Ich hab auch einen alten Silberlöffel und ein altes Siegel mit einer Gravierung zu Hause, aber, du lieber Himmel, was sind schon ein Löffel und ein Siegel? . . . Und wenn ich daran denke, daß ich und diese noblen d’Urbervilles die ganze Zeit ein Fleisch und Blut waren . . . Es hieß ja immer, mein Urgroßvater hätte Geheimnisse und wollte nicht darüber reden, wo er herstammte . . . Und wo raucht unser Schlot jetzt, Herr Pfarrer, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf; ich meine, wo leben wir d’Urbervilles denn?«

»Ihr lebt nirgends. Ihr seid ausgestorben – als Adelsfamilie.«

»Das ist schlecht.«

»Ja – was die trügerischen Familienchroniken bei der männlichen Linie ausgestorben nennen – das heißt, niedergegangen – untergegangen.«

»Aber wo liegen wir begraben?«

»In Kingsbere-sub-Greenhill; Reihen über Reihen von euch in euren Gruften, mit euren Abbildern unter Baldachinen aus Purbeckmarmor.«

»Und wo sind unsere Herrenhäuser und Güter?«

»Ihr besitzt keine mehr.«

»Ach, und auch keine Ländereien?«

»Keine; obgleich ihr sie im Überfluß besaßt, wie ich schon sagte, denn eure Familie bestand aus zahlreichen Zweigen. In dieser Grafschaft hattet ihr einen Sitz in Kingsbere und einen weiteren in Sherton; und dann einen in Millpond und noch einen in Lullstead und einen in Wellbridge.«

»Und werden wir jemals wieder zu unserem Eigentum kommen?«

»Ah – das kann ich nicht sagen!«

»Und was tu ich da am besten, Sir?« fragte Durbeyfield nach eine Pause.

»Oh – nichts, gar nichts; außer Demut üben in dem Gedanken ›wie sind die Helden gefallen!‹. Es ist eine Tatsache von einigem Interesse für den hiesigen Historiker und Ahnenforscher, weiter nichts. Es gibt mehrere Häusler in dieser Grafschaft mit fast ebenso glanzvollem Namen. Gute Nacht.«

»Aber Sie kommen doch zurück und trinken darauf ein Bier mit mir, Pfarrer Tringham? Im Reinen Tropfen gibt es sehr gutes Bier vom Faß – wenn auch natürlich nicht so gut wie bei Rolliver’s

»Danke, nein, nicht heute abend, Durbeyfield. Sie haben schon genug gehabt.« Damit setzte der Pfarrer seinen Weg fort, zweifelnd, ob es klug gewesen war, dieses Stück überlieferte Kunde weiterzuverbreiten.

Als er fort war, ging Durbeyfield, tief in Träumereien versunken, ein paar Schritte, setzte sich dann auf die grasbewachsene Böschung am Straßenrand und stellte seinen Korb vor sich hin. Nach ein paar Minuten tauchte in der Ferne ein junger Mann auf, der in die gleiche Richtung ging, die Durbeyfield eingeschlagen hatte. Als dieser ihn erblickte, hob er seine Hand hoch, und der Bursche beschleunigte seine Schritte und kam heran.

»Nimm diesen Korb, Junge, ich möchte, daß du für mich etwas besorgst.«

Das spindeldürre Bürschchen runzelte die Stirn. »Wer sind Sie denn, John Durbeyfield, daß Sie mich herumkommandieren und mich ›Junge‹ nennen? Sie kennen meinen Namen genauso gut wie ich Ihren kenne!«

»Tust du das, wirklich? Das ist eben das Geheimnis – das ist eben das Geheimnis! Führe jetzt meinen Auftrag aus und bestelle, was ich sage . . . Also, Fred, meinetwegen will ich dir das Geheimnis verraten – daß ich nämlich von edlem Geschlecht bin – ich habe das grade an diesem Nachmittag rausgefunden.« Und während Durbeyfield dies verkündete, lehnte er sich aus seiner sitzenden Stellung zurück und streckte sich genüßlich zwischen den Gänseblümchen auf der Böschung aus.

Der Bursche stand vor Durbeyfield und betrachtete ihn sinnend von Kopf bis Fuß.

»Sir John d’Urberville – der bin ich«, fuhr der im Grase liegende Mann fort. »Das heißt, wenn Ritter Baronets wären – was sie ja auch sind. Das ist in der Vergangenheit über mich alles aufgeschrieben worden. Weißt du von einem Ort Kingsbere-sub-Greenhill?«

»Ja. Ich bin auf dem Jahrmarkt von Greenhill gewesen.«

»Na, und unter der Kirche dieser Stadt liegen . . .«

»Das ist keine Stadt – der Ort, den ich meine; zumindest war er’s nicht, als ich da war – ’s war nur so ein kleiner unscheinbarer trüber Ort.«

»Der Ort hat gar nichts zu sagen, Junge, darum geht’s jetzt nicht. Unter der Kirche der Gemeinde dort, da liegen meine Vorfahren begraben – Hunderte von ihnen – in juwelenbesetzten Panzerhemden, in großen Bleisärgen, die Tonnen über Tonnen wiegen. Da gibt’s keinen Menschen in der Grafschaft Südwessex, der bedeutendere und noblere Skelette in seiner Familie hat, als ich sie habe.«

»So?«

»Jetzt nimm diesen Korb und geh weiter nach Marlott, und wenn du zum Wirtshaus Zum Reinen Tropfen kommst, dann sag ihnen, daß sie mir sofort Pferd und Wagen schicken sollen, um mich nach Hause zu...


Hardy, Thomas
Thomas Hardy, geboren am 2. Juni 1840, war Sohn eines Baumeisters. Er ging nach der Architektenlehre nach London und begann neben seiner Arbeit als Kirchenrestaurator zu schreiben. 1871 erschien der erste seiner berühmten ›Wessex‹-Romane, die alle in seiner heimatlichen Umgebung angesiedelt sind. Hardy hinterließ ein umfangreiches Werk, darunter 14 Romane und fast 1000 Gedichte. Er starb am 11. Januar 1928.

Thomas Hardy, geboren am 2. Juni 1840, war Sohn eines Baumeisters. Er ging nach der Architektenlehre nach London und begann neben seiner Arbeit als Kirchenrestaurator zu schreiben. 1871 erschien der erste seiner berühmten ›Wessex‹-Romane, die alle in seiner heimatlichen Umgebung angesiedelt sind. Hardy hinterließ ein umfangreiches Werk, darunter 14 Romane und fast 1000 Gedichte. Er starb am 11. Januar 1928.

Thomas Hardy, geboren am 2. Juni 1840, war Sohn eines Baumeisters. Er ging nach der Architektenlehre nach London und begann neben seiner Arbeit als Kirchenrestaurator zu schreiben. 1871 erschien der erste seiner berühmten ›Wessex‹-Romane, die alle in seiner heimatlichen Umgebung angesiedelt sind. Hardy hinterließ ein umfangreiches Werk, darunter 14 Romane und fast 1000 Gedichte. Er starb am 11. Januar 1928.



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