E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Haupt Lehrer-Geheimnisse
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86413-974-1
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Was Schüler, Eltern und Kollegen besser nie erfahren sollten
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-86413-974-1
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nennen wir es Kindheitstrauma: Seit Heiko Haupt einst wegen eines natürlich ohne sein Zutun aus dem Fenster des Klassenzimmers fliegenden Papierkorbes zum Schulrektor bestellt wurde, plagen ihn Zweifel, wie Lehrer wirklich über ihre Schüler denken. Denn als er im Vorzimmer auf den Rektor wartete, konnte er sehr gut hören, was diese Lehrer nebenan in ihrem Lehrerzimmer sagten, und was diesen Raum eigentlich nie verlassen sollte. Jahre lebte er mit diesem Wissen und nahm sich vor, die Wahrheiten ans Licht zu bringen. Heiko Haupt ist Journalist und hat schon diverse Sachbücher veröffentlicht. Er lebt in Hamburg.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
»Schlechte Lehrer erschaffen schlechte Schüler.«
Und warum das Lehramtsstudium keine Vorbereitung auf den Alltag ist
Peter B., 42, Biologielehrer an einer Gesamtschule in Berlin
Was macht eigentlich einen guten Lehrer aus? Und was einen schlechten Lehrer? Ergänzend stellt sich die Frage, wer das beurteilen soll. Ein offizielles Bewertungsschema gibt es ja nicht. Aber ich habe da eine sehr klare Meinung: Ein schlechter Lehrer ist jemand, der einfach sein Ding durchzieht und fest davon ausgeht, dass der Stoff schon beim Schüler ankommt. Dass das nicht der Fall sein kann und dass seine Art des Unterrichts daran die Schuld tragen könnte, das kann er sich nicht vorstellen – oder es interessiert ihn nicht. Ich selber habe einen Kollegen, der schon viele Jahre im Beruf ist. Als er anfing, war die Welt noch weitgehend frei von Dingen wie dem Internet, niemand hatte je den Begriff Facebook gehört, und Smartphones gab es auch noch nicht. In dieser Zeit hat der Kollege seinen Unterrichtsstil entwickelt, und ich gehe fest davon aus, dass er noch heute mit dem Material von damals arbeitet. Er geht in den Klassenraum, stellt sich vorne hin und redet, bis er den Raum zur Pause wieder verlässt. Frontalunterricht in Reinkultur. Auf der anderen Seite ist er jemand, der kaum mit uns Kollegen über den Unterricht und seine Schüler spricht. Ich denke, weil ihn beides längst nicht mehr wirklich interessiert und er einfach nur noch täglich seine Arbeitsstunden abreißt. Meiner Meinung nach ist das fatal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Kollege damit glücklich ist – wahrscheinlich hat er sich diese Frage seit Jahren nicht mehr gestellt. Viel wichtiger aber ist, dass er mit seiner Art des Unterrichts nichts erreicht und womöglich sogar einigen Schülern Wege verbaut.
Eines muss ich dazu aber noch erwähnen: Dass besagter Kollege der älteren Lehrergeneration angehört, soll nicht bedeuten, dass ich damit alle älteren Lehrer über einen Kamm schere. Es gibt durchaus Gegenbeispiele. Wir haben in unserem Kollegium gerade erst eine Kollegin in den Ruhestand verabschiedet, die ich sehr schätze und verehre. Sie hat sich bis zum Schluss unglaublich aufgeopfert, und trotz ihrer mehr als 60 Lebensjahre war sie absolut fit mit sämtlichen Internetthemen, mit Computer, DVD oder Beamern. Was absolut nicht selbstverständlich ist, wie ich aus meinem eigenen Verwandtenkreis weiß. Für diese Generation der Sechzigjährigen ist es gar nicht einfach, immer dabeizubleiben, weil sich alles so schnell verändert. Aber diese Kollegin war bis zum letzten Arbeitstag auch in immer wieder neuen Arbeitskreisen aktiv. Das finde ich wirklich bewundernswert.
Aber es gibt eben auch diejenigen vom Typ des angesprochenen Kollegen. Die ziehen das Arbeitsblatt raus, das sie vor zehn Jahren erstellt haben, so wie jedes Jahr. Natürlich habe auch ich Verständnis, dass die Energie im Laufe des Lebens nachlassen kann. Man ist ja nicht nur Lehrer, man zieht selber Kinder groß, pflegt später vielleicht noch kranke Eltern nebenbei – bis man sich sagt, dass man nun im Job nicht mehr 150, sondern nur noch 99 Prozent gibt.
Aber der besagte liebe Kollege hat nicht einen Gang zurückgeschaltet, er ist vielmehr ein leuchtendes Beispiel dafür, dass immer noch und immer wieder Menschen aus dem falschen Grund Lehrer werden. Es gibt so einige junge Lehrer, die beste Voraussetzungen für eine Laufbahn als richtig schlechte Lehrer mitbringen. Weil sie den Beruf nicht aus Lust am Lehren gewählt haben oder weil sie Kindern oder Jugendlichen gerne wertvolles Wissen vermitteln wollen. Wer später einmal ein schlechter Lehrer wird, ist oft mit einem vollkommen anderen Denken an die Sache herangegangen. Wir Lehrer sind schließlich immer noch zum überwiegenden Teil Beamte, und genau dieser Begriff ist das Stichwort. Da überlegt sich ein noch junger Mensch, was er von seinem Leben erwartet und wie er dieses Ziel erreicht. Was dann im Kopf vor sich geht, ist vielfach recht simpel, zu simpel: Man will gutes Geld verdienen, will nicht zu angestrengt dafür arbeiten müssen, und sicher soll der spätere Job auch noch sein. Klar, dass das Beamtendasein schnell in die engere Wahl kommt. Es gibt wohl kaum ein sichereres Dasein als das des Beamten. Da kostet keine Konjunkturkrise den Arbeitsplatz, bis zum Ruhestand wird es jeden Monat pünktlich das Gehalt geben. Das soll natürlich möglichst hoch ausfallen, und daher informiert man sich natürlich auch, welche Beamten am besten verdienen. Schnell kommt der Lehrer in die engere Wahl. Denn der verdient nun mal vergleichsweise gut. Deutsche Lehrer bekommen im europäischen Vergleich mit das meiste Geld – nur die Schweiz und Luxemburg zahlen meines Wissens ihren Lehrkräften mehr. Für manchen sprechen aber noch weitere Aspekte für die Berufswahl: Man kann meist in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnen, und weil ein Teil der Arbeit von zu Hause aus erledigt werden kann, ist der Job auch noch familienfreundlich. Das reicht häufig schon aus, um zu sagen: Ich will Lehrer werden. Die Kriterien Schüler und Schulräume haben diese Entscheidung bis zu diesem Zeitpunkt eher beiläufig gestreift. Bestenfalls in Form des klassischen Spruches »Wenn alles schläft und einer spricht, das ganze nennt sich Unterricht«. Was ja das Bild eines bequemen Daseins noch zusätzlich unterstreicht.
An der Universität lässt sich das Bild ebenfalls noch recht problemlos aufrechterhalten. Hier wird den Studenten die Theorie vermittelt, der schulische Alltag spielt kaum noch eine Rolle. Alles geht also weiter in Richtung des Zieles in Form eines ruhigen, überschaubaren Lebens in einem gewissen Wohlstand. Bis der Punkt kommt, an dem der Lehramtsstudent zum Referendar wird. Von einem Tag auf den anderen hält die Realität Einzug. Statt ruhiger Theorie ist der angehende Lehrer nun Situationen ausgesetzt, in denen er sich mit tatsächlichen Menschen auseinanderzusetzen hat. Jungen Menschen, die ihre ganz eigene Vorstellung vom Schulalltag haben, die so gar nicht zu dem passt, was der Lehrer sich ausgemalt hat. Das ist dann häufig ein regelrechter Schock und überfordert so manchen. Genau jetzt beginnt der Weg zu einem schlechten Lehrer. Weil der bei seiner Berufsplanung immer nur von sich ausgegangen ist und davon, was er will – Ruhe, Sicherheit und genug Geld. Hält der Lehrer an diesem Ziel fest und versucht, es in der Form durchzusetzen, dass er quasi Scheuklappen aufsetzt und einfach irgendwie seinen Unterricht absolviert, wird aus ihm nie ein guter Lehrer.
Es gibt gute Lehrer, aber es gibt leider auch sehr viele schlechte Lehrer. Und damit meine ich richtig schlechte. Menschen, die im Grunde ihren Beruf verfehlt haben, und die in einem normalen Unternehmen längst ihren Job verloren hätten, weil sie ihn eben einfach nicht beherrschen. Das Fatale daran: Schlechte Lehrer können auch aus guten Schülern schlechte Schüler machen. Nur redet darüber niemand. Natürlich wird untereinander über solche Kollegen gesprochen, aber kaum jemand wagt es, derartige Kritik an anderen wirklich offen auszusprechen. Zum einen will man mit solchen Aussagen nicht die ganze Schule in Verruf bringen. Denn was wäre, wenn die Eltern erfahren, dass ihre Kinder von offensichtlich unfähigen Lehrern unterrichtet werden? Außerdem bringt es der Beruf ja auch mit sich, dass man die schlechten Lehrer eher zufällig oder erst sehr spät erkennt. Schließlich ist der Beruf des Lehrers einer der wenigen, der überwiegend unkontrolliert ausgeführt wird. Bringt ein Mitarbeiter in einer Firma nicht die erwartete Leistung, dann bekommen Kollegen und Vorgesetzte das schnell mit. Der Lehrer dagegen steht allein vor seiner Klasse. Da dauert es eine Weile, bis es jemandem auffällt, dass bei dem einen Kollegen vielleicht besonders viele Schüler schlechte Noten haben – und wenn es mal auffällt, dann ist da immer noch die Frage nach dem Warum. Zunächst einmal wird der Grund dann bei den Schülern und nicht bei den Lehrern gesucht.
Der Realitätsschock des Referendariats führt immer wieder dazu, dass Lehrer genau dieses Referendariat abbrechen – das geschieht tatsächlich sehr häufig. Weil sie nach dem schön theoretischen Studium plötzlich merken: Oh Gott, das ist ja überhaupt nicht meins! Ich selber bin froh über solche Menschen, die den Schneid haben und sagen, dass sie sich besser etwas anderes suchen. Es gibt aber leider auch die vielen anderen, die der Meinung sind, sie hätten nun fünf Jahre studiert, also müssten sie die Sache auch bis zum Ende durchziehen – auch wenn sie an der Realität wenig Freude haben.
Was man aber ebenfalls sagen muss: Das Referendariat lässt auch manchen womöglich guten Lehrer über die Klinge springen. Denn es gibt Seminarlehrer, also die direkten Vorgesetzten, die sich ihre Opfer heraussuchen, sie fertigmachen und sie systematisch rausekeln. Ich selbst erinnere mich an eine Seminarlehrerin, die den Ruf hatte, dass sie jedes Jahr einen Kandidaten rausekelt. Das hat sie in meinem Jahrgang geschafft, in dem davor und auch in dem Jahrgang nach mir. Diese Lehrer führen im Grunde eine Art Alleinherrschaft bei der Vergabe von Noten, die bei der staatlichen Einstellung letztlich alles bedeuten – was sie häufig sehr gut auszunutzen wissen. Bleibt die Frage, wer Seminarlehrer wird. Meine Seminarlehrerin war eine Person, von der man sich erzählte, dass sie selber zuvor massive Disziplinprobleme in den Klassen hatte. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Entscheider sich sagten, wenn die massive Probleme mit den Schülern hat, loben wir sie halt hoch, vielleicht klappt es ja mit den Erwachsenen. Auf diese Weise kann also eine schlechte Lehrerin auf einen Posten gebracht werden, auf dem sie über die Zukunft junger Lehrer entscheiden soll. Die Frau hat nicht...




