E-Book, Deutsch, Band 1, 249 Seiten
Reihe: Detektiv Jürgen McBride
Heller Schöner sterben in Bembeltown
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8392-6120-0
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 1, 249 Seiten
Reihe: Detektiv Jürgen McBride
ISBN: 978-3-8392-6120-0
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Frankfurter Detektiv Jürgen McBride, Opel-GT-Fahrer und Kunstbanause, wird beauftragt, ein gestohlenes Kunstwerk von Josef Beuys wiederzufinden. Dem Werk, ein mit Kojotenblut gezeichnetes Eichhörnchen, werden magische Kräfte nachgesagt. Außer McBride machen auch andere, finstere Typen Jagd auf das Bild. Bei McBrides unkonventioneller Vorgehensweise kommt es zu jeder Menge Missverständnissen. Klar, dass dabei nicht nur Herzen, sondern auch Nasen gebrochen werden.
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Bad Homburg hat die höchste Blondinen-Dichte in ganz Deutschland
Laut brüllt der Vierzylinder-Motor meines Opel GT auf, als ich aus der Ausfahrt der Gummistiefelfabrik im Gutleutviertel auf die Straße presche und irgendeinem Bürohengst, der sein Leben mit dem Ratenkauf eines Audi-SUVs verwirkt hat, die Vorfahrt nehme. Hauteng gleitet meine Asphaltdrohne über der Fahrbahndecke auf die Autobahn 661 in Richtung Bad Homburg. Die Auffahrt zum Firmensitz der International Art Consultants, einer klassizistischen Villa, ist mit Karossen im Wert von drei Einfamilienhäusern zugeparkt. Das ist für Bad Homburg kein ungewöhnlicher Anblick. Die ganze Stadt scheint aus Millionären zu bestehen. Und ihrem Personal. Am Ende der Aufgangstreppe versuche ich die drei Meter hohe Eingangstür mit der Hand aufzuziehen. Keine Chance. »Ja bitte?«, knarzt es aus einem Lautsprecher. Das blauschwarze Krakenauge der Überwachungskamera glotzt mich an. »McBride, hier ist Jürgen McBride. Ich möchte zu Frau Unschwer«, spreche ich in die gläserne Halbkugel. »Sehr gerne, Herr McBride.« Ist das nicht die gleiche Frauenstimme, die mich vorhin am Telefon hat abtropfen lassen? Die schwere Eingangstür öffnet sich lautlos. Ich betrete den weißen Marmorboden des Empfangsraums, in dem sich nichts befindet außer einem zierlichen Rokoko-Schreibtisch, an dem eine Empfangsdame vor einem Apple-Air-Laptop sitzt. Hinter der Frau in Leopardenbluse hängt ein schlampig gemaltes, graues Bild, auf das jemand mit Kinderschrift »Flieg, Maikäfer, flieg« geschrieben hat. Als ich an den Schreibtisch herantrete, hebt die Dame ihr hübsches Köpfchen von ihrer Tipparbeit. Sie schenkt mir ein Empfangsdamen-Lächeln und flötet wie ein Vögelchen: »Frau von Unschwer erwartet Sie bereits.« Schimmert hinter ihrer Gucci-Brille mit dem violett getönten Glas nicht ein tüchtiges Veilchen? Ein Vögelchen mit einem Veilchen? Die Concierge schraubt sich auf ihren Lackhacken in die Senkrechte. Ihre schlanke Hand weist mir den Weg mit einer Geste, wie man sie sonst nur aus den Sissi-Filmen von Kaiser Franz Josefs Mutter kennt. Meine Fresse, hier geht es anders zu als in der Trinkhalle, an der ich vor wenigen Stunden mein letztes Binding Export abgepumpt habe. Aber sei’s drum. Toleranz wird bei mir großgeschrieben. Mit einem gelangweilten Nicken reagiere ich, als ob ich Besseres gewohnt wäre. Die Empfangsdame tippelt mir voraus, klopft leise an einen Türrahmen und wippt ihre Hochsteckfrisur ein Stückchen durch den Türspalt: »Herr McBride wäre jetzt da, Frau von Unschwer.« Lächelnd hält sie mir die Tür auf. Da sehe ich Ellen von Unschwer zum ersten Mal. Plötzlich bin ich wieder vierzehn. Unfähig zu sprechen, stürze ich kopfüber in das Meeresblau dieser wundervollen Augen. Mein detektivisch geschultes Unterbewusstsein schafft es gerade noch, ihre nach dem ersten Telefongespräch vorschnell präjudizierte Körbchengröße von 75 B auf 80 D zu korrigieren. Sie spricht mich mit einer warmen klangvollen Stimme an, die jedes fühlende Wesen vernichten muss: »Ich freue mich, dass Sie mir helfen wollen, Mister McBride.« Seit Langem hat keiner mehr »Mister« zu mir gesagt. Noch habe ich in den vergangenen zehn Jahren hierzulande jemanden getroffen, der »McBride« aussprechen konnte, ohne dass es geklungen hätte wie das Fantasie-Englisch einer Eurovision-Song-Contest-Sängerin. Ich will nicht sagen, dass ich von meiner Auftraggeberin beeindruckt bin – das wäre untertrieben. Die zutreffende Formulierung ist: Ich – als verstandesbegabtes, selbstbewusstes Wesen – bin ab sofort nicht mehr existent. Für alle, die noch nie richtig verliebt gewesen sind – und das sind nach neuesten Schätzungen des Max-Planck-Institutes dreiunddreißig Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung –, das ist, was passiert, wenn du wirklich verliebt bist. Frau von Unschwer bietet mir einen Platz auf einem schweren Ledersessel an. Dankbar für die Möglichkeit, mich aus meiner Idiotenstarre zu lösen, steuere ich das Sitzgerät an. Unter dem Eindruck von Ellens aristokratischer Anima tapse ich wie ein ferngesteuerter Zombie durch den Raum. Das Parkett knarzt unter meinen ungelenken Schritten. Hinter mir ertönt ein Hüsteln, das wie ein unterdrücktes Lachen klingt. Ich drehe mich um und blicke in das Antlitz des ewigen Widersachers. Ein Typ mittleren Alters mustert mich hämisch mit halb geschlossenen Augenlidern. Mein Blick fällt auf seine übergroßen Hände. Die behaarten, manikürten Pratzen ragen aus blitzweißen Hemdsärmeln heraus, die mit goldenen Manschettenknöpfen geschlossen sind. Seine halb langen Haare sind mit Haaröl aus seiner gebräunten Stirn nach hinten gekämmt. Schwarz und fettig kräuseln sie sich auf dem Kragen seines hellgrauen Maßanzugs. »Danke, Fredo, ich brauche dich heute nicht mehr«, verabschiedet Ellen den kosmetisch konservierten Mephistopheles. Der Kerl erhebt sich. Sitzend hat er um einiges größer gewirkt. In seinen metallbeschlagenen Pferdelederschuhen klackert er über das Eichenparkett. Mit »Ich rufe dich morgen früh an, chérie« tritt er ab. Ohne meine Ermittlungsarbeiten durch Voreingenommenheit belasten zu wollen: Diese falsche Schlange erscheint mir vom ersten Augenblick an höchst verdächtig. Ellen schließt die Tür ihres Büros hinter Fredo. »Das ist mein langjähriger Berater und Anwalt Fredo Friedelstein«, klärt Ellen mich auf und kommt damit meinem detektivischen Interesse zuvor. Als Ellen vorbeischwebt, weht mir der Duft ihres Parfums in die Nase. Frisch wie das Odeur der Meeresluft der Côte d’Azur. Unterlegt mit Noten von blühendem Lavendel und Rosmarin, etwas Schampus und einem Hauch von Benzin – so in etwa riecht diese Frau. Ihr Parfum erweckt in mir Erinnerungen an die Zeit, als der Opel GT und ich das erste Mal zusammen über die kurvigen Küstenstraßen von St. Tropez gebrettert sind. Ich spüre, dass ich meine Nase schon viel zu tief in diesen Fall gesteckt habe, um wieder aussteigen zu können. »Also, wie kann ich Ihnen helfen, Frau von Unschwer?« »Wissen Sie, Mister McBride … aber wir wollen doch bitte Du zueinander sagen. Du weißt ja bereits, dass Johannes … Johannes W. Körner …« Ellen kann nicht weitersprechen. »Johannes W. Körner ist der Name Ihres, äh … deines erschossenen Geschäftspartners, nicht wahr?«, versuche ich sie mit der Distanz eines professionellen Privatdetektivs zu beruhigen. »Ja.« Sie fährt sich mit beiden Händen durch ihre dichten blonden Locken. »Johannes hat das alles nicht ernst genommen.« »Wann haben … ähh … hast du erfahren, dass er ermordet worden ist?« »Heute Morgen. Um kurz nach sechs. Ich habe gerade mit ihm telefoniert, als es passiert ist.« »Schläft man um diese Uhrzeit nicht normalerweise? Warum war er so früh unterwegs?« »Johannes wollte einen Informanten wegen einer bei uns gestohlenen Zeichnung kontaktieren. Ich wollte wissen, was er gerade treibt. Er hat abgenommen. ›Ich bin jetzt am Eisernen Steg. Alles gut, Ellen!‹, sagte er und dann: ›Moment mal, bleib dran.‹ Dann hat es zweimal geknallt. Die Verbindung wurde unterbrochen. Ich habe wieder und wieder versucht ihn zu erreichen. Er hat nicht mehr geantwortet. Danach habe ich dich angerufen, Jürgen.« »Und wieso ausgerechnet mich?« »Unsere Agentur hatte bereits am Freitag beschlossen, einen Privatdetektiv mit Ermittlungen wegen des Diebstahls der Zeichnung zu beauftragen. Dieser Detektiv bist du.« »Was genau ist mein Auftrag, Ellen?« »Zuerst einmal geht es immer noch um die Wiederbeschaffung der gestohlenen Zeichnung. Sagt dir der Name Beuys etwas, Jürgen?« »Klar, Beuys. Joseph Beuys, richtig? Klar, den kennt man doch. Ist das nicht der Typ mit dem Fettstuhl? Den die Putzfrau weggeräumt hat? Ziemlich abgefahrene Geschichte. Ich mag ja diese moderne Kunst echt gern. Am liebsten übrigens die Expressionisten. Der Allergrößte ist für mich Gustav Klimt. Da kommt so schnell keiner mit, was?« Ellen mustert mich einen Moment lang schweigend. Ihre Stirn legt sich in Falten. Sorgenfalten, vermute ich. Die ganze Geschichte nimmt die Frau bestimmt sehr mit. »Wie auch immer – die Beuys-Zeichnung besitzt einen sehr hohen Wert. Es gibt nichts Vergleichbares im zeichnerischen Oeuvre von Joseph Beuys. Sie ist am letzten Donnerstag gestohlen worden. Normalerweise ist sie in einem Safe der Commerzbank verschlossen. Wir haben in unserem Haus eine Expertise für eine Versteigerung bei Sotheby’s ausgestellt. Zu diesem Zweck ist sie einen halben Tag in unserem Haus gewesen. Anschließend haben wir die Zeichnung durch einen Security-Dienst zur Commerzbank zurückstellen lassen. Außer dem Art-Depot-Management der Commerzbank und unserer Agentur hat niemand gewusst, dass es sich bei dem Beuys um das ›Mantra Nr. 1‹, die wertvollste Beuys-Zeichnung überhaupt, handelt. Der Fahrer des Transportes ist nicht darüber informiert gewesen, was er transportiert. Er ist mit der Zeichnung nie bei der Bank angekommen. Fahrer und Transporter sind seitdem verschwunden. Jetzt vermutet die Versicherung der Commerzbank, dass der Diebstahl durch Fahrlässigkeit unserer Firma oder möglicherweise sogar in unserem Auftrag erfolgt ist.« »Wie sieht die Zeichnung eigentlich aus?« »Darauf sind ein Eichhörnchen und ein Autograf zu sehen, ein Mantra von Joseph Beuys.« »Ein Eichhörnchen und ein Manta? Der Typ fährt auf Opel Mantas ab?« Ellen lässt ein helles Lachen aus zwei perfekten Zahnreihen aufblitzen, neben denen sich Michelle...