E-Book, Deutsch, 124 Seiten
Herrmann / Auszra Emotionsfokussierte Therapie
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8444-2897-1
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 124 Seiten
Reihe: Fortschritte der Psychotherapie
ISBN: 978-3-8444-2897-1
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Emotionsfokussierte Therapie (EFT) ist ein transdiagnostisches Verfahren, das bei einem breiten Spektrum an psychischen Störungen Anwendung finden kann. Wirksamkeitsnachweise liegen insbesondere für die Behandlung von Depressionen und Traumafolgestörungen vor. Der Band liefert eine kompakte Darstellung der emotionsfokussierten Theorie und Beziehungsgestaltung sowie zentraler emotionsfokussierter Interventionen.
Psychischen Problemen und Symptomen liegen häufig Schwierigkeiten in der emotionalen Verarbeitung zugrunde. Die EFT zielt auf die Veränderung dieser Schwierigkeiten und rückt das emotionale Erleben von Patientinnen und Patienten und ihren Umgang mit diesem Erleben in den Mittelpunkt therapeutischen Handelns. Die EFT zeigt Wege auf, wie Patientinnen und Patienten ihre Emotionen adäquat verarbeiten und flexibel zur Lösung aktueller Probleme nutzen können. Es geht darum, maladaptive Emotionen nachhaltig zu verändern und einen funktionaleren Umgang mit Emotionen zu fördern. Anhand von zahlreichen Beispielen und Therapiedialogen wird das therapeutische Vorgehen, z.B. bei der Fallformulierung, der Zwei-Stuhl-Technik und der Arbeit mit dem Leeren Stuhl, praxisorientiert beschrieben.
Zielgruppe
Ärztliche und Psychologische Psychotherapeut_innen, Fachärzt_innen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinische Psycholog_innen, Psychologische Berater_innen, Studierende und Lehrende in der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychosomatische Medizin
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie Psychopathologie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie
Weitere Infos & Material
3 Diagnostik und Indikation
In den letzten Jahren ist eine Zunahme störungsübergreifender therapeutischer Behandlungsansätze zu beobachten (z.?B. Barlow et al., 2018; Hofmann & Hayes, 2019). Die ausschließlich syndromfokussierte protokollbasierte Behandlung psychischer Störungen scheint nicht mehr als einziger goldener Weg gesehen zu werden. Die EFT ist ein transdiagnostisches Verfahren, das schulenübergreifend empirisch basierte Strategien zur Behandlung emotionaler Verarbeitungsschwierigkeiten anbietet. Bislang findet die EFT vor allem bei der Behandlung von Depressionen, Traumafolgestörungen, Essstörungen, Generalisierter Angststörung und Sozialer Phobie Anwendung. Kontraindikationen für die emotionsfokussierte Arbeit sind beim Vorliegen folgender klinischer Phänomene zu sehen: akutes psychotisches Erleben, Impulskontrollstörungen, geringes psychosoziales Funktionsniveau, antisoziale Persönlichkeitszüge, akuter Substanzmissbrauch, akute Suizidalität, ausgeprägte Kompetenzdefizite, ablehnende Haltung der Patientin gegenüber emotionsfokussierter Arbeit. |19|Bei Patienten mit einem ausgeprägten dysfunktionalen Umgang mit schmerzhaftem emotionalem Erleben, wie z.?B. selbstverletzendem oder fremdschädigendem Verhalten, sollte der Fokus zunächst auf eine Verbesserung der Emotionsregulation gelegt werden. Erst dann ist im Sinne eines „Second stage“-Verfahrens emotional aktivierende Arbeit indiziert. Da es sich bei der EFT um ein prozessorientiertes Verfahren handelt, spielt Prozessdiagnostik eine zentrale Rolle bei therapeutischen Entscheidungen. Therapeuten beurteilen den Prozess von einem Moment zum nächsten und passen ihre nächste therapeutische Reaktion dieser Beurteilung an. Prozessorientierte Psychotherapeuten der ersten Stunde folgten dem Prozess, standen jedoch vor der Frage: „Welchem verdammten Prozess?!“. Und so begann man aus der Vielzahl möglicher Stränge in einem komplexen Therapieprozess diejenigen herauszufiltern, die es wert waren, verfolgt zu werden, weil sie einen positiven Therapieausgang begünstigten. 40 Jahre Prozessforschung später wissen wir einiges mehr über die unterschiedlichen Faktoren und einzelnen Schritte eines gelingenden emotionalen Verarbeitungsprozesses und können differenzierter zentrale Elemente beschreiben, die Beurteilungen ermöglichen und Prozessentscheidungen erleichtern. Sie leiten sich aus theoretischen Überlegungen ab, und ihre jeweilige Bedeutung im Therapieprozess konnte empirisch untermauert werden (für einen Überblick siehe Greenberg, 2011). Folgende Fragen sollte eine EFT-Therapeutin stets im Blick haben: Wie steht es um die therapeutische Beziehung? Ist die Patientin emotional aktiviert? Ist das emotionale Erleben sekundär, primär maladaptiv, primär adaptiv oder instrumentell? Wird die Emotion auf eine Art und Weise erlebt, die zu Veränderung führt? Gibt es Hinweise auf spezifische emotionale Verarbeitungsprobleme (Aufgabenmarker)? Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen, die wir Mikromarker nennen, finden sich im verbalen, nonverbalen und paraverbalen Verhalten einer Patientin. Um Mikromarker wahrnehmen und als Information verwenden zu können, muss die Therapeutin entsprechende Wahrnehmungsfertigkeiten schulen. Mit der Zeit werden diese automatisiert und fester Bestandteil ihrer empathischen Einstimmung. |20|3.1 Qualität der therapeutischen Beziehung
Die Qualität der therapeutischen Beziehung bildet die Basis für therapeutische Veränderung und ist eine notwendige Bedingung erfolgreicher Arbeit (vgl. Flückiger, Horvath, Del Re, Symonds & Holzer, 2015). Die wichtigste Frage, die ich mir als Therapeutin stellen muss: Ist die therapeutische Arbeitsbeziehung so beschaffen, dass es der Patientin möglich ist, sich ihrem schmerzhaftesten und schambesetztesten Erleben zuzuwenden und sich darin zu öffnen? Von Beginn an schaffen Therapeuten eine emotionsfreundliche, sichere therapeutische Umgebung, damit Angst- und Schamerleben in der Patientin überwunden werden können. Sind Patienten im Zugang zu ihrem Erleben sehr blockiert oder lassen sich nur widerwillig oder zögerlich auf die therapeutische Arbeit ein, so gilt es zu prüfen, ob Schwierigkeiten in der therapeutischen Beziehung bestehen. Diese können, neben anderen Quellen, beispielsweise auch daher rühren, dass ein Einverständnis über Ziele und Methoden der therapeutischen Arbeit fehlt. Schwierigkeiten müssen ausgeräumt werden, bevor mit der emotional aktivierenden Arbeit begonnen werden kann. 3.2 Aktivierung
Nur aktivierte emotionale Schemata können genutzt oder verändert werden. Entsprechend helfen Therapeuten, relevante Schemata zu aktivieren oder deren Aktivierung hinreichend lange aufrechtzuerhalten. Sie zeigt sich in dem, was eine Patientin sagt, aber vor allem darin, wie sie etwas sagt; in Mimik und Gestik, in Ausdrucks- und Handlungstendenzen (z.?B. Faust ballen, Seufzer, Tränen) und in der Stimmqualität. Die Stimmqualität kann beispielsweise emotional sein, d.?h. Ärger, Angst, Schmerz, Trauer, Tränen usw. werden in der Stimme hörbar (Rice & Kerr, 1986). Aktivierung muss aber nicht notwendigerweise „laut“ sein. Auch eine Patientin, die mit einer fokussierten Stimme (langsames, unregelmäßiges Sprechtempo, unrhythmische Satzmelodie, nach innen gerichtete Energie) von ihrem inneren Erleben berichtet, deren Auge quasi nach innen gekehrt sind oder wie in sich versunken scheint, ist in der Regel emotional aktiviert. Aufgabe der Therapeutin ist es, der Patientin zu ermöglichen, nicht nur über, sondern von ihrem emotionalen Erleben zu sprechen. Eine hilfreiche Frage kann dabei sein: „Was passiert in Ihnen, während Sie davon sprechen?“ Wie kann ich emotionale Aktivierung grundsätzlich fördern? Als EFT-Therapeutin werde ich zunächst versuchen, in der empathischen Exploration durch |21|empathische Einstimmung Erleben zu aktivieren. Gelingt dies nicht, so lege ich im nächsten Schritt den Fokus auf das körperlich basierte Erleben. Ist auch dies nicht ausreichend, um Patienten zu aktivieren bzw. in der Aktivierung zu halten, kann ich mit Imaginationen arbeiten oder Stuhl-Arbeit einsetzen. (Mehr dazu in den nächsten Kapiteln und in Auszra, Herrmann & Greenberg, 2017) 3.3 Emotionstyp
Wie oben beschrieben, ist es jedoch nicht hilfreich, mit jeglichem aktivierten emotionalen Erleben auf die gleiche Weise zu arbeiten. Sekundäres und instrumentelles Erleben gilt es zu umschiffen und in Richtung primäres Erleben hin zu vertiefen. Wir folgen also der Spur primären Erlebens wie einem roten Faden, der sich durch die Erzählung der Patientin zieht. Um primäre Emotionen als Kompass nutzen zu können, muss die Therapeutin in der Lage sein, verschiedene Emotionstypen zu differenzieren (vgl. auch Kapitel 2.2). 3.3.1 Merkmale sekundärer Emotionen Häufig bilden sekundäre Emotionen den Kern des Symptoms, mit dem die Patienten in die Therapie kommen (z.?B. die Hoffnungslosigkeit oder Resignation der Depression, die symptomatische Angst bei Angststörungen). Insgesamt ist es hilfreich, sich sekundäre Emotionen wie einen Deckel vorzustellen, der primäres Erleben, sei es adaptiv oder maladaptiv, verdeckt. Verschiedene Indikatoren helfen uns, sekundäres von primärem Erleben zu unterscheiden: Oft passen sekundäre Gefühle nicht zur Situation bzw. impliziten Bewertung...