Hess New York City Boys
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95985-041-4
Verlag: Bruno Books, Salzgeber Buchverlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-95985-041-4
Verlag: Bruno Books, Salzgeber Buchverlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Als sich der Party-Kolumnist Neal und Drogendealer Dewalt in einer Schwulensauna verlieben, ist eines klar: Diese Beziehung zu führen wird schwieriger als die Suche nach dem perfekten Paar Skinny-Jeans. Typisch 'Bergdorf Boy', verbringt Neal die meiste Zeit in Luxus-Läden wie dem Bergdorf Goodman, wo er seine Kreditkarte heißlaufen lässt. Neben Shopping und Fotoshootings auf Fire Island ist das schwule Nachtleben New Yorks seine Welt. Hier jagt er mit seinen Freunden nicht nur den neuesten Designer-Stücken hinterher, sondern auch den Männern, die sie zur Schau tragen. Doch sein wachsender Erfolg und die Liebe zu Dewalt stellen sein Leben plötzlich von Grund auf in Frage ...
Scott Alexander Hess bloggt neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit regelmäßig für die Huffington Post und schreibt unter anderem für das Genre Magazine und The Fix. Zuletzt erschien von ihm auf Deutsch der Roman 'Tagebuch eines Sexsüchtigen'. Scott Alexander Hess lebt in Manhattan.
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Kapitel 1
Die Männer in dem Porno forderten Neal dazu heraus, aufzugeben. Jedes Grunzen, jeder Schlag auf den Hintern, jedes rumänische Luststöhnen sagte ihm, dass er das Weite suchen sollte. Er war seit zehn Minuten auf der Palamos-Party – versteckt im Jade-Schlafzimmer, unter einer Nerzdecke. Dabei hatte es gut angefangen. Er hatte es in die Villa geschafft, selbstbewusst und bereit, sich unter die Leute zu mischen. Dann, als er aus der sengenden Sommerhitze in die klimaanlagengekühlte Eingangshalle getreten war, sah er Unmengen riesiger weißer Zähne, geschmeidige Körper, Laufstegmode, Champagnerflöten und schwatzende, höllisch scharfe Zungen, und gleich fühlte er sich wieder wie der letzte Hinterwäldler aus Missouri. Mit einem Mal kam er sich in dem hübschen Strickshirt mit der Ankerverzierung, für das er seine Kreditkarte bei Bergdorf Goodman überzogen hatte, vor, als wäre er frisch aus der letzten Saison eingetroffen. Er wollte schon auf dem Absatz kehrtmachen, als er den Jungen entdeckte. Vermutlich gehörte er zum Personal. Er trug eine strahlend weiße Badehose, knapp geschnitten und hauteng. Kaum siebzehn, schätzte Neal. Der Junge hatte seinen Arsch auf die Kante eines langen Marmortisches gesetzt, ein Bein beiläufig über die Ecke drapiert, sodass man die weiche, haarlose Innenseite seiner Oberschenkel sehen konnte. Er ließ seine Beinmuskeln spielen, spreizte kaum merkbar die Beine. Der runde Saum seiner seidenen Badehose drückte sich in die Falte zwischen Becken und Schritt. Der Junge lachte, sein Lachen wandelte sich in ein Lächeln, als ein Kellner Neal einen rosafarbenen Cocktail anbot und im gleichen Moment die alte Klatschbase Trudy Pratte auf ihn zustürzte. Das war der Moment, in dem er in das Jade-Zimmer floh. Oben, unter der Nerzdecke, versuchte Neal durchzuatmen. Durch die Nase einatmen, durch den Mund ausatmen. Auf dem Flachbildfernseher an der Wand sah er die rumänischen Pornodarsteller, stöhnend, ihn verhöhnend. Sex und Alkohol, die perfekte Kombination für ihn seit seiner Pubertät, hatten sich letztlich gegen ihn gewandt. Zwei Monate, nachdem Neal den Entzug verlassen hatte, hatte der schauerliche Rohzustand der Nüchternheit seine animalischen Triebe in ein ständig übersteuertes Chaos geworfen. Wenn er nicht gerade Joga machte oder bei Bergdorf Goodman shoppte, lief er mit einem Dauerständer durch die Gegend, als wäre er gerade vierzehn geworden. Leider brachte er keinen auch nur halbwegs charmanten Satz zustande ohne einen Cocktail, der ihm die Zunge ölte. Der bloße Anblick eines hübschen Jungen vom Personal hatte ihn in Panik versetzt. Er wollte von dieser Party verschwinden, aber er konnte seinen guten Freund Rowdy nicht im Stich lassen. Rowdy hatte wie ein Besessener daran gearbeitet, Neal den Redakteursposten beim Pop-Magazin zu verschaffen, der größten schwulen Wochenzeitschrift der Stadt, die seinem Partner Andreas Palamos gehörte. Es gehörte zu Neals Aufgaben, solchen Feiern beizuwohnen – und er war dringend auf diese Arbeit angewiesen. Er stand mit der Miete im Rückstand, die Kreditkartenabrechnungen mussten bezahlt werden, bald würde man ihm den Strom abstellen und er lehnte es strikt ab, seine Familie noch einmal um Hilfe zu bitten. Einatmen, ausatmen. Er befürchtete, gleich zu hyperventilieren. Durch die geschlossene Schlafzimmertür hörte er leise Stimmen, die von unten heraufdrangen. Er stellte sich vor, wie die Tür aufgerissen würde, wie die Stimmen sich auf ihn stürzen und ihn angreifen würden. Er hasste es, ständig so nervös zu sein, ohne dass ihn irgendetwas wieder beruhigen konnte – außer Sex. Er lugte unter der Decke hervor und sah seinen Abglanz in einem Spiegel mit aufwendig gearbeitetem Blattgoldrahmen. Diesen Sommer würde er einunddreißig werden. Er machte sich Gedanken darüber, ob seine Augenringe tiefer wurden und ob er anfangen sollte, sich die Brauen zu zupfen, um zumindest einen optisch ausgleichenden Effekt zu schaffen. Wenn er sich so im Spiegel betrachtete, fand er, er sehe aus wie ein Kind, das von einem weichen, haarigen Monster verschlungen wurde. Strähnen seines fachmännisch gefärbten, karamellblonden Haares ragten oben aus dem Pelz hervor, und darunter war sein eingerollter Körper zusammengekauert. Es war heiß, und sein Atem, eingefangen von den Wänden seiner Höhle, stank nach Lakritzbonbons und Espresso. Im Rumänen-Porno wurde Bumsmusik gespielt. Neal begann beiläufig an sich herumzufummeln. Die Stimmen von unten wehten nun lauter und spitzer zu ihm herauf. Er hörte das Gegacker von Trudy Pratte, dann einen tiefen, fernen Schrei. Einer der Pornostars schwang sich gerade auf zum Höhepunkt. Neal fragte sich, ob jemand von den Gästen seine letzte Kolumne in Pop gelesen hatte. Ein paar Ausgaben des Heftes lagen im Zimmer verteilt. Er zog eine davon unter den Nerz, um noch einmal seinen kleinen Teaser zu lesen. Hier schreibt Bergdorf-Boy, und ich verspreche euch den heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Glühende Hitze, feurige Kerle und dampfende Delikatessen aus der Gerüchteküche. Ab nächster Woche wird BB euch durch den siedenden Großstadtdschungel führen. Wer treibt’s mit wem? Wo steigen die geilsten Partys? Welche Promis sind in der Szene gesichtet worden? Und natürlich die Frage, die jedem Boy auf den zitternden, twitternden Lippen liegt: Wo gibt es die größten Brennstäbe der Stadt, wo kann man sich ein scharfes Outfit und einen reichen Kerl angeln? Bis nächste Woche! BB. Er schlug das Magazin zu. In Wahrheit hatte er keinen Schimmer, worüber er in einer wöchentlichen Kolumne schreiben sollte. Allein der Gedanke daran überforderte ihn. Neal fing gerade an, der Nerzdecke das Fell auszureißen, als die Schlafzimmertür aufging und gleich darauf behutsam wieder geschlossen wurde. Er lag ganz still da. Er hörte Gelächter, zwei Männer. Er erkannte eine der Stimmen – ein Barbesitzer, ein wichtiger Anzeigenkunde für das Pop-Magazin. Großartig. Redakteur unter Decke entdeckt, sabbernd vor Angst. Neal schloss die Augen. Einatmen, ausatmen. Wenn sie die Deckenlampe nicht einschalteten, würden sie ihn vielleicht gar nicht entdecken. »Hast du Trudy Pratte gesehen? Diese uralte Halskette mit den Saphiren ist einfach lachhaft«, sagte die erste Stimme, hochtönend, lallend. »Halt die Klappe. Ich mag sie«, sagte die andere, fest und finster. »Sie ist alleine gekommen. Es hieß, sie würde mit Paul kommen, aber der ist verschwunden oder so«, sagte nun wieder die erste Stimme, gefolgt von einem Rülpsen. »Beeil dich mal«, entgegnete die dunklere Stimme. »Meinst du Paul den Börsenmakler oder Paul den Meth-Junkie?« »Junkie-Paul«, rief der Erste aus dem Badezimmer. Man hörte Wasser spritzen, dann ging die Klospülung. »Ich glaube, jemand hat mir erzählt, dass er tot ist. Oder verwechsle ich ihn jetzt? Vielleicht hat er auch nur die Stadt verlassen. Egal, er ist eh eine falsche Type. Und irgendwie hat er ein fettes Gesicht.« Neal krümmte sich unter dem Pelz. Er hatte Paul dieses Frühjahr bei einem Treffen einer Selbsthilfegruppe kennengelernt. Beide Männer waren frisch aus dem Entzug entlassen. Paul, ein geselliger Playboy mit einer üblen Crystal-Meth-Abhängigkeit, war nach den ersten Treffen nicht mehr gekommen. Neal hatte weitergemacht. Er vermisste Paul. Er hörte ein Geräusch von den beiden Männern, es klang wie ein Kuss, gefolgt von einem Schlag auf ein Hinterteil. Er zog an dem Nerz, versuchte, ein Loch zu formen, damit er etwas sehen konnte. Der dunklere von den beiden stand an der Tür zum Badezimmer, die Hände über den Kopf geworfen, wodurch sich ein kleines Büschel Haare auf seinem Bauch zeigte. An ihm vorbei konnte Neal ins Badezimmer blicken, wo der andere Mann am Waschbecken stand. Seine Hose hing unter seinem Hintern, und er nestelte an seinem Tank-Top. Neal erhaschte einen Blick auf jene Linie, diese Stelle, an der der Saum der limettengrünen Badehose auf die geschmeidige Rundung seiner prallen Arschbacke traf. Es waren die Linien zwischen Becken und Schritt, zwischen Oberschenkel und Hintern, die Neal wahnsinnig machten. Er war erregt, wie hypnotisiert, und die Badehose dieses Mannes, so beschloss Neal, war um mindestens zwei Nummern zu klein. Er zog den Nerz noch etwas weiter auseinander, um mehr sehen zu können. Der Dunkle bemerkte die Bewegung der Decke und kam auf das Bett zu. »Hey?«, sagte er. Neal lag bewegungslos da, die Augen geschlossen. Er würde so tun, als sei er betrunken. Vielleicht würden sie dann einfach rausschleichen. Er konnte hören, wie sie flüsterten, gefolgt von einem Lachen. Jemand zog behutsam die Decke von ihm. »Scheiße, er hat einen Ständer«, sagte der Dunkle. Vom Flachbildschirm her grunzten die Pornodarsteller. Neal spürte, wie erst eine Seite der Matratze nach unten gedrückt wurde, dann die andere. Sie mussten sich links und rechts von ihm hingesetzt haben. Vom...