Hessler | Autorschaftserkennung und Verstellungsstrategien | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 585, 426 Seiten

Reihe: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)

Hessler Autorschaftserkennung und Verstellungsstrategien

Textanalysen und -vergleiche im Spektrum forensischer Linguistik, Informationssicherheit und Machine-Learning
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8233-0427-2
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Textanalysen und -vergleiche im Spektrum forensischer Linguistik, Informationssicherheit und Machine-Learning

E-Book, Deutsch, Band 585, 426 Seiten

Reihe: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)

ISBN: 978-3-8233-0427-2
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieser Band wirft einen genauen Blick auf die Autorschaftserkennung im Bereich der Forensischen Linguistik. Mit Textanalysen und -vergleichen von inkriminierten Texten werden schreiberidentifizierende Merkmale erarbeitet und analysiert, die dabei helfen, Hinweise auf Täter:innen zu finden. Ferner werden theoretische Rahmenbedingungen und Analysen von authentischen inkriminierten Schreiben vorgestellt, die in Zusammenarbeit mit dem BKA erstellt wurden. Anhand der Analysen wird eine bisher noch nicht beschriebene Verstellungsstrategie herausgearbeitet: die Stilisierungsstrategie. Bei dieser überdecken Täter:innen den eigenen Sprachgebrauch mit stilisierten Merkmalen, die aus verschiedenen Medien bekannt sind, und verschleiern damit ihre persönliche sprachliche Kompetenz. Wegen der großen Menge an inkriminierten Texten werden Methoden zur teil-automatisierten Analyse entwickelt und in der Arbeit vorgestellt.

Dr. des. Steffen Hessler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (PostDoc) am Lehrstuhl Germanistische Linguistik der Ruhr-Universität Bochum. Seine Forschungsgebiete sind forensische Linguistik, insbesondere Autorschaftserkennung, und Varietätenlinguistik.

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2 Aufgaben und Tätigkeitsbereiche der forensischen Linguistik und Fragestellungen im Bereich der Autorenerkennung
Die forensische Linguistik ist ein Forschungsbereich aus dem Spektrum Sprache und Recht. Forensische Linguistik stellt damit eine Schnittstelle der Wissenschaftsdisziplinen Linguistik und Jura dar. Drei Bereiche interdisziplinärer Forschung aus dem Bereich Sprache und Recht betreffen die Linguistik (vgl. Fobbe 2011: 15 und Stickel 2002: 2f.): Die Rechtssprache und ihre Entwicklung zu einer Fachsprache sowie ihre Bedeutung bei der Entwicklung der deutschen Standardsprache Die Bedeutung des Betrachtungsbereichs der Pragmatik für die Rechtssprache und die damit verbundene Rechtsprechung Die juristische Interpretation von sprachlichen Äußerungen in Texten, mündlichen Aussagen etc. Die forensische Linguistik ist ein Teilbereich der angewandten Linguistik, der sich sowohl mit linguistischen als auch juristischen Fragestellungen befasst und damit als eine Schnittstelle von Sprache und Recht verstanden wird. Die Problemstellungen werden von ‚außen‘, also von der Kriminalistik, seitens Unternehmen oder bei Rechtsfragen im Allgemeinen, an die forensische Linguistik herangetragen. Anfang der 80er Jahre war es daher die Hauptintention, auf den Stellenwert der Verbindung theoretischer und empirischer Forschung hinzuweisen und beispielsweise Jurist/inn/en über die Möglichkeiten linguistischer Forschung zu informieren, um sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen (Kniffka 1981: 588). Heutzutage ist, außer diversen privaten Instituten, in erster Linie das Bundeskriminalamt mit der Bearbeitung verschiedener forensisch-linguistischer Fragestellungen und Forschungsaufgaben betraut. Beim BKA befassen sich Abteilungen des Kriminaltechnischen Instituts (KT) mit Fragen der forensischen Linguistik, wobei die Fachbereiche forensische Sprechererkennung und forensische Autorenerkennung unterschieden werden. Beide Disziplinen fallen beim BKA unter den „Fachbereich Sprache, Audio“ und sind Teil der „Biometrie“. Während sich die Sprechererkennung u. a. mit der Erforschung und Analyse akustischer Signale der „menschlichen Stimme und anderen akustischen Ereignissen“ beschäftigt, befasst sich die Autorenerkennung mit Textanalysen, Textvergleichen und der Sammlung inkriminierter Schreiben für Sammlungsrecherchen (Schall 2004: 551). Die behandelten Texte sind inkriminierte Schreiben. So „bilden Erpresserbriefe, Drohschreiben und Verleumdungen das einschlägige Untersuchungsmaterial der Autorenerkennung.“ Laut Fobbe (2011: 41) ist ein inkriminierter Text ein Text, „der Gegenstand oder Bestandteil eines zivil- oder strafrechtlichen Verfahrens ist und zu dem im Vorfeld des letzteren auch durch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft ermittelt worden ist“. In einigen Fällen, nämlich in der Regel dann, wenn Texte selbst Teil einer strafbaren Handlung darstellen, versuchen Autor/inn/en inkriminierter Texte anonym zu bleiben. „Naturgemäß weisen Erpresserbriefe, anonyme Briefe u. ä. außerordentlich selten wirklich (sprecher)identifizierende Merkmale auf und naturgemäß zeigt das Verständigungsmittel Sprache in Verwendungszusammenhängen dieser Art weit mehr interpersonale als personale Charakteristika.“ (Kniffka 1981: 594) Die Autorenerkennung der forensischen Linguistik geht davon aus, dass es möglich ist, anhand von Analysen Hinweise auf die/den Autorin/Autoren eines Textes, die/der die „Gestaltungsmacht“ (Winko 2002: 348f.) über einen Text hat, erhalten zu können. Einige Aspekte, wie beispielsweise Unauffälligkeit, das heißt das Nichtvorhandensein oder das nur geringe Vorhandensein sprachlicher Merkmale oder die Kürze eines Textes, können die Analyse bzw. deren Interpretation erschweren oder sogar unmöglich machen. Kniffka (2000: 179f.) legt sehr vereinfacht und allgemein verständlich dar, in welchen Bereichen linguistische Expertise nachgefragt wird. Er fragt: „What is said?“, „What is meant?“ und „Who is the author of an anonymous utterance x?“ Dern (2009: 21) berücksichtigt in einer Liste aus Fragestellungen die Möglichkeiten von Autor/inn/en, ihren Sprachgebrauch zu anonymisieren. So müssen Texte auf sprachliche Merkmale analysiert werden, die Hinweise darauf geben können, ob eine Verstellungsstrategie angewendet wird. Außerdem wird geprüft, ob Fehler bzw. Stilistik eines Textes Rückschlüsse auf die Herkunft und weitere Metadaten einer/eines Autorin/Autors zulassen. U.U. ist Deutsch nicht in ihre/seine Muttersprache oder aber er/sie verstellt sich als Nicht-Muttersprachler/in. Da die Autorenerkennung in der Praxis in vielfältigen Bereichen Anwendung findet, werden Fragestellungen von ‚außen‘, also von nicht-linguistischer Seite, an forensische Linguist/inn/en herangetragen. Diese Fragen sind, da sie eben fachfremd sind, nicht-linguistischer Natur und können daher auch nicht in ihrer ursprünglichen Form von Sprachwissenschaftler/inne/n beantwortet werden. Aus diesem Grund kann z. B. eine Fragestellung seitens eines Gerichts, einer/eines Staatsanwältin/Staatsanwaltes oder Ermittler/inne/n für die Linguistik nicht einfach übernommen werden. Vorher muss eine Umwandlung in eine linguistische Fragestellung vorgenommen werden (vgl. Kniffka 2000, Kniffka 2007 und Fobbe 2011: 233ff.). Fobbe weist darauf hin, dass es wichtig für die Autorenerkennung ist, dass eine allgemeine, nicht-fachspezifische, oder fachfremde Fragestellung wie „Handelt es sich bei dem Schreiber um einen Muttersprachler des Deutschen?“ (Fobbe 2011: 63) in eine linguistische Fragestellung transformiert werden muss. Ein Vorschlag ist: „Gibt es Sprachgebrauchsformen in diesem Text, die auf eine nicht-muttersprachliche Kompetenz hindeuten?“ (Fobbe 2011: 63) Die Umformulierung ist dabei nicht weglassbar, da sie impliziert, dass eine linguistische Fachperson ausschließlich linguistische Fragen beantwortet. Die Antwort könnte also sein: Es gibt Sprachgebrauchsformen in diesem Text, die auf eine nicht-muttersprachliche Kompetenz hindeuten. Keinesfalls sollte sie lauten: Die oder der Schreiber/in des Textes ist wahrscheinlich Ausländer/in, oder: Es gibt Anzeichen dafür, dass es sich bei der/dem Autor/in um eine/n Ausländer/in handelt. Muttersprache und Nationalität sind voneinander getrennte Eigenschaften und sollten nicht verwechselt oder vermischt werden. Kniffka (2007: 9) weist darauf hin, dass es für die Verwertbarkeit vor Gericht obligatorisch ist, die Fragestellung wieder in eine allgemein verständliche, also u. U. nicht-fachsprachliche umzuformulieren, um die rechtliche Verwertbarkeit für das Gericht oder die ermittelnde Behörde sicherzustellen. Das Ziel forensisch linguistischer Bemühungen in der Praxis ist die Erstellung von Gutachten, die sowohl das Sprachsystem als auch den jeweiligen Sprachgebrauch des Untersuchungsgegenstandes fokussieren (Kniffka 1981: 591). Grundsätzlich werden zwei Arten linguistischer Gutachten mit Fragestellungen, die von außen an die forensische Linguistik herangetragen werden, unterschieden. Einerseits werden Gutachten angefragt, wie eine Formulierung innerhalb eines spezifischen sprachlichen Zusammenhangs zu verstehen, bzw. zu begutachten ist. Ein Beispiel wäre, ob der Sprachgebrauch eines bestimmten Worts als diskriminierend, beleidigend o.ä. einzuschätzen ist. Außerdem werden Gutachten angefragt, die die Frage nach der Autorschaft eines anonymen Textes betreffen. Es kann also z. B. danach gefragt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit Text X von Autorin Y oder Autor Z geschrieben wurde (vgl. hierzu Kniffka 1981: 589). Im Rahmen dieser Arbeit wird hauptsächlich die zweite Fragestellung betrachtet, wobei die erste Frage auch ein Teil davon sein kann. In jedem Fall betreffen Gutachten außerlinguistische Perspektiven. Kniffka (1981) führt verschiedene Funktionen linguistischer Gutachten im juristischen Bereich auf: „Die diagnostische Funktion besteht darin, sprachliches Verhalten nicht um seiner selbst willen, sondern mit Rücksicht auf außerlinguistisches (hier: juristisches) Erkenntnisinteresse zu analysieren. […] Die persuasiv-therapeutische Funktion besteht – unabhängig davon, ob ein Gutachten konkrete ‚Empfehlungen‘ mitteilt oder nicht – darin, daß nicht nur eine Analyse vorgenommen wird, sondern das Gutachten als „Beweismittel“ bei Gericht dient, daß es in einem durch eine Nachbarwissenschaft konstituierten Praxisfeld beantragt und verwendet wird.“ (Kniffka 1981: 617f.) Eine Beobachtung, die praktisch arbeitende forensische Linguist/inn/en, ob für den Bereich der Privatwirtschaft oder als Hilfe für die Strafverfolgung, immer wieder machen, ist, dass linguistische Gutachter/innen erst konsultiert werden, wenn wegen Problemen oder Schwierigkeiten bei Ermittlungen ein „Beweisnotstand“ (Kniffka 1990b: 439) vorliegt. Mit der Rolle von linguistischer Expertise und Linguist/inn/en als Gutachter/inn/en vor Gericht befasst sich außer Kniffka (1981) u. a. Fobbe (2011: 233–249) sehr ausführlich. Durch die in den letzten Jahren immer weiter ins Licht der Öffentlichkeit rückende Internetkriminalität, wie Online-Betrugsfälle (sogenannten Frauds), damit einhergehende Erpressungsversuche etc., drängt sich für forensisch linguistische Untersuchungen die folgende Frage auf: Ist es möglich, die...



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