Buch, Deutsch, Band 953, 213 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 214 mm, Gewicht: 303 g
Reihe: Campus Forschung
Eine ideengeschichtliche Studie
Buch, Deutsch, Band 953, 213 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 214 mm, Gewicht: 303 g
Reihe: Campus Forschung
ISBN: 978-3-593-39403-9
Verlag: Campus
Was heißt Republikanismus heute? Die Diskussion ist sowohl in der politischen Philosophie als auch in der praktischen politischen Auseinandersetzung aktuell. Philipp Hölzing entwirft in seiner ideengeschichtlichen Studie eine historisch tragfähige Begriffsbestimmung für die Gegenwart. Insbesondere James Madisons Plan für eine kontinentale, föderale, macht- und gewaltenteilige Republik und Kants kosmopolitischer Republikanismus mit dem Ziel eines Weltbürgerrechts in einer Weltrepublik sind für seine Begriffsdefinition in der postnationalen Konstellation zentral.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Systeme
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politische Theorie, Politische Philosophie
- Geisteswissenschaften Philosophie Sozialphilosophie, Politische Philosophie
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Kultur- und Ideengeschichte
Weitere Infos & Material
Inhalt
Einleitung 9
Politische Ideengeschichte, Politisches Denken, Ideenpolitik 25
I. Antiker Republikanismus 37
I.1 Von Athen nach Rom: Unterwegs zur politischen Philosophie der Res Publica 37
I.2 Die Apotheose der römischen Republik: Ciceros politische Philosophie 46
II. Res Publica Christiana 67
II.1 Der Untergang der römischen Republik und das Heraufziehen des christlichen Imperiums 67
II.2 Augustins eschatologische, kosmopolitische, "republikanische" Friedensordnung 70
II.3 Die Republik als Körper: Johannes von Salisbury, Thomas von Aquin und Marsilius von Padua 78
II.4 Die Notwendigkeit einer Universalmonarchie, oder: das römische Imperium als Reich des Friedens, der Freiheit und der Herrschaft des Gesetzes bei Dante 83
II.5 Die Res Publica Christiana als ideengeschichtliche Hintergrundkonstellation des klassischen Republikanismus 87
III. Klassischer Republikanismus 89
III.1 Für eine republikanische Kultur der Freiheit: Machiavellis klassischer Republikanismus 89
III.2 Exit tyrannis, regium ultimus: John Milton, James Harrington und der englische Republikanismus 109
III.3 "Der Zweck des Staates ist in Wahrheit die Freiheit." Die niederländische Republik und Spinozas föderale Stadtstaatenrepublik 128
IV. Moderner Republikanismus 145
IV.1 Zwei Gesichter des modernen Republikanismus? Rousseau und Madison 145
IV.2 Kants Theorie des republikanischen Friedens und die republikanische Tradition 168
Epilog: Vom kosmopolitischen Republikanismus zum liberalen Nationalismus und wieder zurück? 189
Literatur 199
Der Republikanismus hat sowohl in der politischen Philosophie als auch in der praktischen politischen Auseinandersetzung wieder Konjunktur. Was aber heißt "Republikanismus" heute? Wie so häufig in der Philosophie ist momentan alles andere als klar, was mit "Republikanismus" gemeint ist. Der Begriff "Republik" wird gegenwärtig in der Regel mit Freistaat übersetzt und der Monarchie gegenübergestellt. "Republik" bedeutet also zunächst einfach nur Nicht-Monarchie. Man kann daher von einer Entleerung des Begriffs sprechen. Die folgende Studie setzt bei dieser Feststellung der Entleerung des Republikbegriffs an und versucht, ihn mit Inhalt zu füllen. Sie unterscheidet zunächst drei aktuelle Spielformen der spezifischen inhaltlichen Füllung des Begriffs, um dann über den Weg einer ideengeschichtlichen Studie eine historisch tragfähige Begriffsbestimmung herauszuarbeiten und ideenpolitisch für die Gegenwart aufzubereiten.
Aus der weiten Begriffsbestimmung als Nicht-Monarchie ergibt sich nämlich allenfalls in gröbsten Umrissen eine spezifische politische Theorie, die ein eigenes Label verdient. In dieser breiten Bedeutung des Begriffs gehören eigentlich alle gegenwärtig geläufigen politischen Theorien, vom Libertarianismus über den Liberalismus und den Kommunitarismus bis zum Marxismus, zur großen Familie der Republikanismen. Außen vor bleiben nur die Monarchisten, die zwar immer noch in Europa - etwa in Großbritannien, den Niederlanden oder Spanien - nicht unbedingt eine Minderheit im öffentlichen Diskurs und im politischen Alltag bilden; in der aktuellen politischen Philosophie spielt der Monarchismus aber so gut wie überhaupt keine Rolle mehr. Für die politische Philosophie und die hier durchgeführte Untersuchung stellt sich vielmehr die Frage: Gibt es eine spezifisch republikanische Tradition und Theorie, die sich von den anderen erwähnten politischen Traditionen und Theorien unterscheidet?
Einen entscheidenden Anstoß erhielt die Debatte über den Republikanismus durch die Studien zweier politischer Ideengeschichtler: John Pocock und Quentin Skinner. Beide haben in ihren Untersuchungen versucht zu zeigen, dass es in der transatlantischen, politischen Ideengeschichte ein spezifisch republikanisches Paradigma gibt, das nicht unwesentlich an den großen politisch-sozialen Revolutionen in England im 17. und Nordamerika im 18. Jahrhundert beteiligt war.
Pocock und Skinner unterscheiden sich jedoch in einem wichtigen Punkt: Während Pocock eine athenisch-aristotelische Tradition ausmacht, sieht Skinner eine römische Tradition am Werk. Im Kern geht diese Meinungsverschiedenheit auf ein divergierendes Verständnis des republikanischen Freiheitsbegriffs zurück. Im Rahmen von Isaiah Berlins berühmter Unterscheidung favorisiert Pocock eher einen positiven Freiheitsbegriff, Skinner dagegen einen negativen. In Pococks Fall bedeutet dies, dass die republikanische Tradition für ihn darin besteht, bürgerliche Tugend, Partizipation und Gemeinwohlorientierung als intrinsisches Gut, als substanziellen Teil eines guten Lebens aufzufassen. Im Anschluss an Hans Barons Studien zur italienischen Renaissance und Hannah Arendts politische Philosophie spricht man hier dann auch von einem civic humanism beziehungsweise Bürgerhumanismus. Daniel Höchli hat dies zuletzt in seiner aufschlussreichen Studie zum Florentiner Republikanismus einen bürgerorientierten Republikanismus genannt und mit einem institutionenorientierten Republikanismus kontrastiert.
Skinner betont dagegen, dass bürgerliche Tugend, Partizipation und Gemeinwohlorientierung nur Mittel zum Zweck der Sicherung der negativen Freiheit der Bürger in der republikanischen Tradition waren. Den Republikanern in der römischen Tradition ging es in erster Linie um die Erhaltung der freien Republik und das heißt für Skinner, um die Mittel zur Erhaltung der negativen Freiheit der Bürger im Inneren und der Freiheit der Republik nach außen. Skinners Republikanismus wurde daher auch einleuchtend ein "instrumental republicanism" genannt. Im Gegensatz zu Pocock haben Tugend, Partizipation und Gemeinwohl bei Skinner somit keinen intrinsischen Wert. Darüber hinaus betont Skinner stärker als Pocock die Ideen der Herrschaft des Gesetzes und der Macht- und Gewaltenteilung in der republikanischen Tradition, was ihn in die Nähe dessen rückt, was Höchli institutionenorientierten Republikanismus nennt.