Hofmann | Mitspieler der »Volksgemeinschaft« | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 562 Seiten

Hofmann Mitspieler der »Volksgemeinschaft«

Der FC Bayern und der Nationalsozialismus
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-8353-4974-2
Verlag: Wallstein
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der FC Bayern und der Nationalsozialismus

E-Book, Deutsch, 562 Seiten

ISBN: 978-3-8353-4974-2
Verlag: Wallstein
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Fußball in der 'Hauptstadt der Bewegung' – Ein Verein als Teil der deutschen Gesellschaft der NS-Zeit.

Als Kurt Landauer, der jüdische Präsident des FC Bayern München, Ende März 1933 zurücktrat, war das der erste sichtbare Schritt auf dem Weg des Vereins in die NS-Diktatur. Nationalsozialisten hatte es beim FCB schon vor 1933 gegeben, aber es waren auch viele jüdische Münchner unter den Vereinsmitgliedern.

Gregor Hofmann betrachtet die Geschichte der Bayern in der NS-Zeit nicht isoliert, sondern folgt ihr jenseits sportlicher Kennziffern vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik. Konsequent zieht der Autor Vergleiche zu anderen großen Fußballklubs und verfolgt den Aufstieg des Vereins in der Weimarer Republik, als Fußballspiele zu Massenereignissen wurden. Er verortet die Funktionäre und Spieler in der Münchner Stadtgesellschaft und begreift sie als Akteure, die nicht nur passive Befehlsempfänger waren. Diese Akteure konnten Handlungsspielräume nutzen, um im Sinne des Nationalsozialismus zu handeln – sie konnten sich aber auch widersetzen. Die von Gregor Hofmann herausgearbeitete enorme Bandbreite der Einstellungen und Haltungen kennzeichnet den FC Bayern zur Zeit des Nationalsozialismus, in der gleichwohl die meisten Protagonisten als Mitspieler des Regimes agierten.

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2. Die Wurzeln des FC Bayern (1900-1918)
Fred Dunn und die Geburtsstunde des Münchner Fußballs
Es war um das Jahr 1890, »ich war damals ein Jüngling mit 17 Lenzen, als ich des Turnens als einzige körperliche Betätigung überdrüssig geworden war, da fings an: Die große Liebe zum Sport.«[1] Diese Worte stammen aus der Feder des Münchner Fußballpioniers Fred Dunn, seit 1908 Mitglied des FC Bayern – und sie geben beispielhaft Antwort auf die Frage, wie der Sport nach Deutschland kam: Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten bürgerliche junge Männer das Ballspiel für sich, das ihre Freunde, Mitschüler oder Geschäftspartner aus dem anglophonen Ausland in die Kurbäder, Handels- und Residenzstädte gebracht hatten. Nun stellt sich die Frage, warum eine Studie über den FC Bayern, die dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus zum Gegenstand hat, nicht nur die Weimarer Republik, sondern bereits die Gründungsjahre des Vereins zum chronologischen Ausgangspunkt wählt. Ließe diese Studie aber die ersten 19 Jahre Vereinsgeschichte außen vor, unterbliebe der Blick auf Akteure und Entwicklungen, die den Klub vor und nach 1919 prägten. Funktionäre, die die Vereinsgeschichte bis zum Ersten Weltkrieg selbst miterlebt und mitgestaltet hatten, schlugen immer wieder einen – oft romantisierenden – Bogen zum FC Bayern des Kaiserreichs. Wer ab 1919 den Aufstieg bis hin zur Deutschen Meisterschaft 1932 verantwortete, hatte in vielen Fällen schon vorher beim FC Bayern Fußball gespielt; er – alle in der vorliegenden Arbeit genannten Fußballspieler waren Männer – hatte die gesellschaftlichen Veränderungsdynamiken, die Durchsetzung des Industriekapitalismus und die Orientierungskrise des Bürgertums erfahren.[2] Und schließlich war er als Sportler auch Teil einer Entwicklung gewesen, die schon Zeitgenossen in einen Zusammenhang mit diesen Dynamiken brachten; immerhin waren Leistungsprinzip und Konkurrenz Bedingungen neuzeitlichen Wirtschaftslebens und hatten umso größere Geltung im Funktionssystem Sport: »Der Sport diente also als Motor des gesellschaftlichen Wandels und war zugleich ein Teil dieser Entwicklung.«[3] »Zu den großen Umwälzungen der modernen Lebens- und Erfahrungswelt« rechnete Thomas Nipperdey den »gewaltige[n] Aufstieg aller sportlichen Betätigungen« seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.[4] München war, was den Fußball anging, aber kein Vorreiter. Während sich in Berlin, Hannover oder Stuttgart bereits Vereine gegründet hatten, spielte Dunn mit seinen Freunden aus dem »American Artist Club« noch Baseball.[5] Er war in New York geboren worden und 1879 als Sechsjähriger mit seinem Onkel nach München gekommen, absolvierte eine Lehre als Goldschmied und eröffnete 1900 eine eigene Werkstatt.[6] Nachdem Dunn seine fußballerische Heimat im FC Bayern gefunden hatte, war er dort ein angesehenes Mitglied, wurde 1911 Geschäftsführer des Münchner Sportclubs (MSC), dem sich Bayern angeschlossen hatte, übernahm im Ersten Weltkrieg für einige Monate den Abteilungsvorsitz und gehörte 1934 dem neu geschaffenen Ältestenrat an.[7] Fred Dunn gibt damit ein anschauliches Beispiel ab für die biografischen Kontinuitätslinien von Münchens ersten Fußballspielen bis in die NS-Zeit hinein. Als Dunn sich für den Sport zu begeistern begann, besuchte er vermutlich die Real- oder Kunstgewerbeschule.[8] 1894 gründete er mit einigen Gymnasiasten »Terra Pila« – den ersten Fußballverein in München, dessen lateinischer Name kein Zufall, sondern Ausweis des bildungsbürgerlichen Hintergrunds seiner Gründer war.[9] Dunns Erinnerungen, die er 1929 für die Clubnachrichten des FC Bayern abfasste, illustrieren mehrere Facetten der frühen Fußballgeschichte in Deutschland: die Abwendung vom Drill des Turnens ebenso wie den Import der Spiele aus den anglophonen Ländern oder die internationale Zusammensetzung der Mannschaften.[10] Es waren Gymnasiasten, Studenten, Angehörige freier Berufe oder Kaufleute (also oft kaufmännische Angestellte), die um 1890 den neuen Ballsportarten nachgingen.[11] Auch war die Theresienwiese kein zufälliger Schauplatz der Erinnerungen Dunns, denn »der Sport etablierte sich in dieser Zeit in städtischen Leerräumen und hinterließ keine dauerhaften Spuren im Stadtbild« – wo Jugendliche spielten, exerzierten anderntags Soldaten oder fanden Märkte statt.[12] Als Dunn »Terra Pila« gründete, bestand der Karlsruher FV, der Süddeutschlands Fußball bis zum Ersten Weltkrieg dominieren sollte, bereits seit drei Jahren. Der Trend zum vereinsmäßig organisierten Fußball nahm Fahrt auf: Waren 1904 rund 10.000 Mitglieder in 200 Vereinen unter dem Dach des 1900 gegründeten Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vereinigt, waren es 1914 bereits rund 190.000 in etwa 2.200 Vereinen. Damit war der DFB allerdings nur ein Freizeitverband unter vielen – vergleichbar mit den Sängern oder Leichtathleten und bei weitem nicht so bedeutsam wie die über eine Million Mitglieder zählende Deutsche Turnerschaft (DT).[13] Der Mode, der das junge Bürgertum hier nachlief, konnten sich die Turnvereine trotzdem nicht verschließen.[14] In München öffnete sich der Männer-Turn-Verein 1879 (MTV) im Jahr 1897 dem Fußball, 1899 folgte ihm der Turnverein 1860.[15] Der MTV entwickelte sich zum spielstärksten Team in München und betrachtete seine Elf, die anlässlich des Deutschen Turnfestes in Hamburg 1898 eine Dresdner Mannschaft schlug, durchaus als Aushängeschild – wenngleich viele DT-Vereine dem Wettbewerbscharakter des Sports äußerst skeptisch gegenüberstanden.[16] »Zuagroaste« an Münchens Spitze
Im MTV liegen die Wurzeln des FC Bayern. Noch vor rund 20 Jahren beklagte Heiner Gillmeister, dieser habe seine Gründerväter geradezu vergessen.[17] Mittlerweile liegen detaillierte Erkenntnisse über deren Biografien ebenso vor wie über die Umstände des Gründungsaktes am 27. Februar 1900.[18] Gleichwohl hat Gillmeisters Interpretation Bestand, die Gründung als »the result of long and careful planning« und das Werk eines frühen Netzwerks von Fußballpionieren zu betrachten.[19] Im Kern ging es dabei um den Berliner »Gus« Manning, der seine Bekannten Josef Pollack und Franz John dafür mobilisierte, München an den Verbandsfußball anzuschließen – die Turnvereine hatten sich diesem Schritt stets verweigert. Als eine neuerliche Initiative beim MTV misslang, kam es zur Gründung des FC Bayern.[20] Der Verein trat in einem Moment auf die Bühne des süddeutschen Fußballs, als das locker organisierte Gesellschaftsspiel bereits die ersten Meter auf dem Weg zunehmender Institutionalisierung und Erfolgsorientierung beschritten hatte.[21] Seine Mannschaft rekrutierte der FC Bayern zunächst aus ehemaligen MTV-Spielern. Damit versammelte er bemerkenswert wenige gebürtige Münchner, stattdessen jedoch zahlreiche »Zuagroaste«, die bereits andernorts Fußball im Verein gespielt hatten.[22] In vielen Fällen hatte sie Beruf oder Ausbildung aus allen Teilen des Reichs, aus Österreich, der Schweiz oder den Niederlanden nach München verschlagen, und es geht wohl nicht fehl, darin einen gewichtigen Grund für die führende Rolle zu erblicken, die Bayern im Münchner Fußballsport seit der Gründung einnahm.[23] Spielte der Klub auch eine lokal dominierende Rolle, gelang es ihm zunächst nicht, in die Phalanx süddeutscher Spitzenteams einzubrechen.[24] Für das Verlangen nach Wettbewerb stehen gleichwohl mehrere internationale Freundschaftsspiele, die Bayern früh nach Prag, in die Schweiz oder nach Südtirol führten. Diese Reisen spiegeln die frühe internationale Vernetzung des Fußballs (oder besser: seiner frühen Protagonisten), man musste sie sich aber auch leisten können, was wiederum ein Schlaglicht auf den sozialen Hintergrund der Akteure wirft. Deren Väter waren in der Lage, Pokale zu stiften oder Grundstücke als Sportplätze zur Verfügung zu stellen.[25] Unter diesen Vorzeichen griffen die Bayern direkt auf britische Expertise zurück: Die Namen der ab 1908 tätigen Trainer lauteten Taylor, Hoerr, Griffiths und Townley.[26] Zudem hatte Bayern 1910 den Torhüter Karl Pekarna verpflichtet, der Erfahrung im schottischen Profifußball aufwies. Dieser Professionalisierungsschub zahlte sich schnell aus. Obwohl in Nürnberg und Fürth neue Konkurrenz heranwuchs, konnte sich der Verein 1910 und 1911 als spielstärkste Mannschaft im Königreich Bayern profilieren und stellte vor dem Ersten Weltkrieg drei Nationalspieler.[27] Die Erfolge trugen ihren Teil zum Wachstum des Zuschauerinteresses bei; am 19. November 1912 verfolgten 3.500 Zuschauer das Spiel gegen den 1. FC Nürnberg – davon 350 mit dem Sonderzug angereiste Nürnberger.[28] Auch Bayerns Mitgliederzahlen nahmen zu: Um das Jahr 1908 gehörten bereits 300 Mitglieder dem Verein an.[29] Bayern als Abteilung des Münchner Sportclubs (1906-1919)
Damit waren die Bayern eine der größten Abteilungen des Münchner Sportclubs, dem sie am 1. Januar 1906 als Fußballsektion beigetreten waren. Der MSC gewann dadurch deutlich an Mitgliederstärke und konnte sich mit der erfolgreichsten Fußballmannschaft der Stadt schmücken. Zum Jahresende 1911 waren im MSC insgesamt 1.455 Mitglieder organisiert; 453 davon zählten sich zur Fußballabteilung. Schon die Fußballabteilung des 3.200...


Hofmann, Gregor
Gregor Hofmann, geb. 1989, studierte Politikwissenschaft und Vergleichende Geschichte der Neuzeit in Freiburg. Seine Studie u¨ber den FC Bayern entstand zwischen 2018 und 2021 am Institut fu¨r Zeitgeschichte, Zentrum fu¨r Holocaust-Studien, in Mu¨nchen. Seit September 2022 ist er Referendar bei der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns.
Veröffentlichungen u. a.: Der VfB Stuttgart und der Nationalsozialismus (2018).



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