E-Book, Deutsch, 249 Seiten, eBook
Hoymann Der Streit um die Hochschulrahmengesetzgebung des Bundes
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-531-92343-7
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Politische Aushandlungsprozesse in der ersten großen und der sozialliberalen Koalition
E-Book, Deutsch, 249 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-92343-7
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1. 1 Thematische Einführung und Fragestellungen 'Zum Bildungs- bzw. Hochschulbereich mussten wir also feststellen, dass das 1 Herstellen von Einvernehmlichkeit nicht möglich ist. ' - Mit dieser ernüchtern- 2 den Feststellung scheiterte 2004 die Arbeit der Bundesstaatskommission, die von Bundestag und Bundesrat mit der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung beauftragt worden war. Eine Reform des Föderalismus war seinerzeit als notwendig angesehen worden, um die Verflechtung von Bundes- und L- derkompetenzen zu entzerren und so die Gesetzgebung zu erleichtern. Die L- der hatten hierzu unter anderem die Abschaffung des Bundeshochschulrahm- gesetzes und die Streichung von dessen Grundlage sowie der Gemeinschafts- 3 aufgabe 'Bildungsplanung' im Grundgesetz gefordert. Diese hatten dem Bund seit Jahrzehnten eine teils intensive Beteiligung an der Bildungs- und Ho- schulpolitik ermöglicht, weswegen der Bund in diesem Bereich auch nicht zu Zugeständnissen bereit gewesen und so auch insgesamt keine Einigung über eine Föderalismusreform zustande gekommen war. Die Kommissionsarbeit 4 musste daraufhin ergebnislos eingestellt werden. 1 Vorsitzender Franz Müntefering in der 11. Sitzung der KOMBO am 17. 12. 2004, StBer. , S. 279. 2 Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen O- nung. 3 Bund und Länder waren sich in der Kommission zwar grundsätzlich über die Abschaffung des HRG einig, jedoch nicht in der Frage, inwieweit dem Bund künftig noch Kompetenzen für die Abschlüsse und die Zulassung zu den Hochschulen bleiben sollten. Im Bereich der Bildun- planung bestand der Bund auf einer Beibehaltung seiner Kompetenzen; ggf.
Tobias Hoymann ist Staatswissenschaftler und hat an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München promoviert.
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Weitere Infos & Material
1;Danksagung;5
2;Inhalt;6
3;Abkürzungsverzeichnis;11
4;Abbildungs- und Tabellenverzeichnis;15
5;1 Einleitung;16
5.1;1.1 Thematische Einführung und Fragestellungen;16
5.2;1.2 Methodik und Aufbau der Arbeit;20
5.3;1.3 Literaturund Quellenlage;22
5.4;1.4 Definition und Abgrenzung wichtiger Begriffe;24
6;2 Vorüberlegungen;28
6.1;2.1 Die politische Ausgangslage für die Gesetzgebung;28
6.1.1;2.1.1 Die Grundeinstellung der Parteien zum Föderalismus;28
6.1.2;2.1.2 Die politische Lage in den Ländern und die Mehrheiten im Bundesrat 1966-1976;29
6.1.3;2.1.3 Die große Koalition beim Bund 1966-1969;35
6.1.4;2.1.4 Die sozialliberale Koalition beim Bund zwischen 1969 und 1982;38
6.2;2.2 Grundsätzliche Fragen des Föderalismus und Instrumente des politischen Aushandlungsprozesses;41
6.2.1;2.2.1 Der Staatscharakter der Länder bei verminderten Gestaltungsmöglichkeiten;41
6.2.2;2.2.2 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes;45
6.2.3;2.2.3 Entscheidungsfindungen in den Gremien von Bundestag und Bundesrat;47
6.2.4;2.2.4 Der Vermittlungsausschuss;49
6.2.5;2.2.5 Der Vetospieler-Ansatz;51
6.2.6;2.2.6 Der Bundesrat als mögliches Blockadeinstrument der Bundestagsopposition;53
6.3;2.3 Die hochschulpolitische Ausgangslage für die Gesetzgebung;60
6.3.1;2.3.1 Die prognostizierte Bildungskatastrophe;60
6.3.2;2.3.2 Die Lage an den Hochschulen in den 1960er Jahren;63
6.3.3;2.3.3 Die studentischen Proteste an den Hochschulen in der politischen Reflexion;65
6.3.4;2.3.4 Die Hochschulgesetze der Länder bis 1976;68
6.4;2.4 Zusammenfassung;71
7;3 Das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes von 1969 bezüglich der Kompetenzen im Bildungsund Hochschulbereich;74
7.1;3.1 Überblick über das Gesetzgebungsverfahren;74
7.1.1;3.1.1 Die große Finanzreform als Rahmen für Kompetenzverlagerungen;74
7.1.2;3.1.2 Der Gesetzgebungsgang zum Hochschulund Bildungswesen;76
7.2;3.2 Handlungsstrategien und Koordinierung der beteiligten Akteure;79
7.2.1;3.2.1 Die FDP als Protagonist einer zentralen Hochschulpolitik des Bundes;80
7.2.2;3.2.2 Handlungsziele und Koordinierungen der Bundesregierung;84
7.2.3;3.2.3 Die internen Abstimmungen von Union und SPD;88
7.2.4;3.2.4 Die parteiund ebenenübergreifende Koordinierung am Beispiel der Maßnahmen gegen die Studentenproteste;91
7.2.5;3.2.5 Die Selbstkoordinierung der Länder im Staatsvertrag über das Ordnungsrecht und das Hochschulwesen;93
7.3;3.3 Die Überlagerung des parteienstaatlichen durch das föderative Element am Beispiel der Verhandlungen in den Politikarenen;94
7.3.1;3.3.1 Die Verhandlungen im Bundestag;95
7.3.1.1;3.3.1.1 Die Beratungen in den Bundestagsausschüssen;95
7.3.1.2;3.3.1.2 Die zweite und dritte Lesung im Bundestag;98
7.3.2;3.3.2 Die ablehnende Haltung der Länder im Bundesrat;101
7.3.2.1;3.3.2.1 Die Beratungen in den Bundesratsausschüssen;101
7.3.2.2;3.3.2.2 Die Debatte im Plenum des Bundesrates;102
7.3.3;3.3.3 Die Kompromissbildung im Vermittlungsausschuss;104
7.3.3.1;3.3.3.1 Die Verhandlungen über die Bildungsplanung;105
7.3.3.2;3.3.3.2 Die Verhandlungen über das Hochschulwesen;108
7.4;3.4 Die Rolle von Interessenverbänden im Gesetzgebungsprozess;112
7.5;3.5 Zusammenfassung;114
8;4 Das Hochschulrahmengesetz von 1976;118
8.1;4.1 Die gesellschaftspolitischen und verfassungsrechtlichen Konfliktlinien einer Hochschulrahmengesetzgebung;118
8.1.1;4.1.1 Die formalen Konflikte;119
8.1.2;4.1.2 Die materiellen Konflikte;121
8.1.2.1;4.1.2.1 Die Demokratisierung des „Elfenbeinturmes“;121
8.1.2.2;4.1.2.2 Die Gesamthochschulen als Fundament einer sozialliberalen Hochschulreform;123
8.1.2.3;4.1.2.3 Das Problem von Zulassungsbeschränkungen gegen die Überfüllung der Hochschulen;125
8.1.2.4;4.1.2.4 Das Ordnungsrecht zur Eindämmung der studentischen Gewalt;126
8.1.2.5;4.1.2.5 Die Neuordnung des Hochschulwesens durch eine Studienreform;128
8.2;4.2 Überblick über das Gesetzgebungsverfahren;129
8.2.1;4.2.1 Das Gesetzgebungsverfahren in der fünften und sechsten Wahlperiode;129
8.2.2;4.2.2 Äußere Einflüsse auf das Gesetzgebungsverfahren;130
8.2.2.1;4.2.2.1 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum numerus clausus und zur Mitbestimmung;132
8.2.2.2;4.2.2.2 Die Rolle von Interessenverbänden;134
8.2.3;4.2.3 Die Gesetzgebung in der siebten Wahlperiode;137
8.3;4.3 Handlungsstrategien und Koordinierungen der beteiligten Akteure;138
8.3.1;4.3.1 Die Arbeitsweise und Interessendurchsetzung der Bundesregierung;139
8.3.1.1;4.3.1.1 Die strukturelle und personelle Entwicklung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft;139
8.3.1.2;4.3.1.2 Die 14 Thesen Hans Leussinks;146
8.3.1.3;4.3.1.3 Der Regierungsentwurf der sechsten Wahlperiode;150
8.3.1.4;4.3.1.4 Der Regierungsentwurf der siebten Wahlperiode;155
8.3.1.5;4.3.1.5 Der „Mob-Plan“ der Bundesregierung zur Umgehung eines Bundesratsvetos;158
8.3.2;4.3.2 Die Abstimmungen der Bundestagsopposition mit den unionsgeführten Bundesländern und deren Interessen;162
8.3.2.1;4.3.2.1 Interessenunterschiede zwischen der Union im Bund und in den Ländern;162
8.3.2.2;4.3.2.2 Das Ringen der Union um einen eigenen Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsopposition;165
8.3.2.3;4.3.2.3 Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundesstagsopposition;169
8.3.2.4;4.3.2.4 Das koordinierte Vorgehen der Union in der siebten Wahlperiode;171
8.4;4.4 Die Überlagerung des föderativen durch das parteienstaatliche Element am Beispiel der Verhandlungen in den Politikarenen;173
8.4.1;4.4.1 Die Verhandlungen in der sechsten Wahlperiode;174
8.4.1.1;4.4.1.1 Die erste Lesung zweier konkurrierender Gesetzentwürfe im Bundestag;174
8.4.1.2;4.4.1.2 Die Verzögerung der Ausschussberatungen in der sechsten Wahlperiode;176
8.4.1.3;4.4.1.3 Die alternativlose Annäherung der Koalition an die Opposition;179
8.4.1.4;4.4.1.4 Die Bundesratsverhandlungen in der sechsten Wahlperiode;184
8.4.2;4.4.2 Die Verhandlungen in der siebten Wahlperiode;187
8.4.2.1;4.4.2.1 Die offene Konfrontation in der ersten Lesung im Plenum des Bundestags;188
8.4.2.2;4.4.2.2 Die Verzögerung der Beratungen in den Bundestagsausschüssen;190
8.4.2.3;4.4.2.3 Die Verzögerung der Ausschussberatungen durch interne Streitigkeiten der Regierungskoalition;194
8.4.2.4;4.4.2.4 Die konfliktreiche zweite und dritte Lesung im Bundestag;195
8.4.2.5;4.4.2.5 Die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung;198
8.4.2.6;4.4.2.6 Die Verhandlung des Bundesrates über den Entwurf des Bundestages;201
8.4.3;4.4.3 Die Koordinierung und Kompromissbildung im Vermittlungsausschuss;202
8.5;4.5 Das Kompromissergebnis eines Hochschulrahmengesetzes in der Bewertung durch die Akteure;206
8.6;4.6 Zusammenfassung;209
9;5 Folgen der Hochschulrahmengesetzgebung;213
9.1;5.1 Die Auswirkungen eines verspäteten Gesetzes;213
9.2;5.2 Föderalismusdiskussionen;215
9.2.1;5.2.1 Die Verfassungsreform 1994;215
9.2.2;5.2.2 Die Bundesstaatskommission 2003;216
9.2.3;5.2.3 Die Grundgesetzänderungen der zweiten großen Koalition 2006;217
9.3;5.3 Zusammenfassung;219
10;6 Schluss;220
11;Quellenverzeichnis;230
11.1;Archivalische Quellen;230
11.2;Gedruckte Quellen;231
12;Literaturverzeichnis;232
13;Rechtsprechungs-, Schriftverkehr- und Interviewverzeichnis;244
Vorüberlegungen.- Das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes von 1969 bezüglich der Kompetenzen im Bildungs- und Hochschulbereich.- Das Hochschulrahmengesetz von 1976.- Folgen der Hochschulrahmengesetzgebung.- Schluss.
4 Das Hochschulrahmengesetz von 1976 (S. 122-123)
4.1 Die gesellschaftspolitischen und verfassungsrechtlichen Konfliktlinien einer Hochschulrahmengesetzgebung
Mit dem 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes hatte der Bund die Kompetenz erhalten, Rahmenregeln für das Hochschulwesen aufzustellen und für die Länder verbindlich zu machen. In der sozialliberalen Koalition galt es nun, diesen bislang abstrakt gehaltenen Rahmen konkret auszufüllen.
Bestand im Vorfeld nur eine vage Übereinstimmung über die Inhalte eines Rahmengesetzes, die mit den Schlagwörtern Ordnungsrecht, Studienreform und Bildungsexpansion umrissen werden können, so war die materielle Ausgestaltung dieser Themenfelder bislang kaum diskutiert worden. Nicht einmal über den Umfang des Begriffs „Hochschulwesen“ hatte zum Zeitpunkt der Kompetenzübertragung Einigkeit geherrscht. Einmütigkeit hatte nur darüber bestanden, dass es eine Studienreform geben, die Bildungsexpansion durch eine Ausweitung der Quantität der Hochschulen gelöst werden und die Unruhe an den Hochschulen beendet werden müsste. Der Weg dahin war jedoch offen gelassen worden.
Die noch in der großen Koalition begonnene Umsetzung der Gesetzgebungskompetenz stand zudem bereits im Zeichen des Bundestagswahlkampfs 1969, in dem das Thema Bildung durchaus eine wichtige, wenn auch nicht die tragende Rolle gespielt hatte.Die Einigung auf eine einheitliche Vorgehensweise zwischen Union und SPD sowie dem Bund und den Ländern war demzufolge schwierig, wenn nicht gar ausgeschlossen.
Hinzu kam noch das Problem der Reichweitenauslegung der neu geschaffenen Bundeskompetenz. Bevor ein ernsthaftes Bemühen um ein Hochschulrahmengesetz begonnen werden konnte, musste zunächst einmal einvernehmlich geklärt werden, wie stark die Befugnisse des Bundes durch die Beschränkung auf die „allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“ begrenzt waren. Da diese Arbeit sich nicht primär materiell mit dem Hochschulrahmengesetz beschäftigt, werden nur die wichtigsten inhaltlichen Streitpunkte eingehender behandelt, sofern diese für den Gesamtzusammenhang wichtig sind.
4.1.1 Die formalen Konflikte
Wurde die Verschiebung der Gesetzgebungskompetenz noch unter den Vorzeichen gleicher Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat vollzogen, so wurde das Gesetzgebungsverfahren in der sozialliberalen Koalition durch die nunmehr unterschiedlichen Mehrheiten verkompliziert. Bevor es überhaupt zu inhaltlichen Debatten über das angestrebte Hochschulrahmengesetz kommen konnte, wurden Problemkomplexe diskutiert, deren Lösung sich weit in das Gesetzgebungsverfahren hineinziehen sollte.