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E-Book, Deutsch, 456 Seiten

Huber Wege der Traumabehandlung

Trauma und Traumabehandlung, Teil 2 Überarbeitete Auflage
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7495-0393-3
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Trauma und Traumabehandlung, Teil 2 Überarbeitete Auflage

E-Book, Deutsch, 456 Seiten

ISBN: 978-3-7495-0393-3
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Bindung als Grundlage der Traumabehandlung Bei komplex traumatisierten Menschen sind aufgrund einer früh erworbenen strukturellen Dissoziation Veränderungen nur schwer möglich. Hilfreich ist allein eine tiefe innere Bindung zu einem anderen Menschen, denn sie kann dazu beitragen, Verbindungen zwischen einzelnen Persönlichkeitsanteilen aufzubauen. Und genau hier muss Psychotherapie ansetzen: Bindungsorientiert „auf der inneren Bühne“ arbeiten und helfen, innere Verbindungen herzustellen. Erst dann können Klient*innen auch von kognitiven und verhaltensorientierten sowie körpertherapeutischen Behandlungsmethoden tief innerlich profitieren. In diesem Standardwerk zur Traumabehandlung werden – aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht – die Behandlungsmethoden vorgestellt, die auch komplex traumatisierten Menschen helfen.

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Einführung
„Menschen, die ein Trauma zu bewältigen haben, fühlen sich oft hilflos und von Umständen überwältigt, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Wir werden als auf immer geschädigte Menschen angesehen (und sehen uns auch selbst so) – als ‚Überlebende‘ …“ (Linda B. Jones) „Es ist eine wirklich destruktive Einstellung, zu denken, dass PTBS eine Störung ist. Wir verstehen es grundlegend falsch, wenn wir glauben, es sei ein Zeichen dafür, dass die Betroffenen gebrochen sind. Es ist ein Zeichen für den Drang zu überleben.“ (Mary Catherine McDonald in Blakemore 2020) „Für den Stellenwert therapeutischer Verfahren zur Linderung oder Heilung posttraumatischer Belastungsstörungen ist grundsätzlich festzuhalten, dass es unrealistisch ist, zu hoffen, dass durch eine Psychopharmakotherapie oder durch eine Psychotherapie in irgendeiner Art und Weise das traumatische Ereignis aus dem Leben und aus der Erinnerung des Betroffenen beseitigt werden kann. Es geht vielmehr immer darum, dass die Betreffenden in die Lage versetzt werden, adäquat mit den belastenden Erlebnissen umzugehen und sich entsprechend ihres Lebensentwurfes auch darauf einzustellen.“ (Steffen Haas) Wer Opfer eines seelischen Traumas geworden ist, befindet sich oft lange im Status des „Überlebenden“. Und Linda Jones hat recht: Von vielen Menschen werden Überlebende so betrachtet, als hätten sie eine Krankheit, auf die sie sich „adäquat einzustellen“ hätten, ähnlich, wie man sich nach einem körperlichen Trauma etwa auf eine Behinderung einstellen muss. Entsprechend drastisch fallen auch oft die psychischen Diagnosen nach Extremstressereignissen aus. Wer Überlebende/r von Langzeittraumata ist, bekommt nicht selten solche Diagnosen zugeschrieben wie „Borderline“ oder andere „Persönlichkeitsstörungen“, wie denn überhaupt oft von Störungen die Rede ist: depressive Störung, Angststörung, dissoziative Störung, posttraumatische Störung, komplexe posttraumatische Störung … – Und in der Krankenakte sieht es so aus, als sei diese Person eo ipso irreparabel geschädigt, wobei die Ursache aus dem Blickfeld gerät. Dabei ist sie doch „nur“ traumatisiert. Was heißt „nur“: Sie ist gezwungen worden, extreme Abwehr gegen extremen Stress auszuprägen. Bei den Überlebenden von frühen Traumata bedeutet dies: Sie sind von Kindesbeinen an gezwungen worden, wieder und wieder Gewalt, seelische Quälereien oder körperliche Torturen durch nahe Angehörige, später vielleicht durch Freunde, Partner, Fremde zu erdulden, weit mehr, als ein Gehirn und ein Organismus gesunderweise verkraften können. Und das hatte gravierende Folgen. Aber sind sie deswegen irreparabel geschädigt? Oder lassen sich nicht doch die Folgen der seelischen Traumata durch sorgfältige Behandlung so verändern, dass aus Trauma-Überlebenden „Neurotiker wie du und ich“ werden, also Menschen, die zwar Leid und Probleme kennen, aber Wege finden, damit umzugehen? Vielleicht ist manchmal beides richtig, mal mehr das eine, mal mehr das andere. Die Bedingungen, unter denen mehr positive Veränderungen möglich sind, werden in diesem Buch genauer betrachtet. In einem jedoch hat Steffen Haas sicher recht: Ein Trauma „lässt sich nicht beseitigen“. Es geht nicht weg. Es kann nur, wie wir heute wissen, durch adäquate traumazentrierte Behandlungsmethoden im Hirnstoffwechsel zu Veränderungen kommen, sodass das Trauma auf eine neue Art „metabolisiert“ wird. Es ist dann so, als würde man einen Tropfen Gift im Ozean auflösen, statt weiterhin eine Art „undichte Giftphiole“ mit sich herumzutragen. Dissoziation und Spaltung
In Band 1 wurden die neurophysiologischen Prozesse während eines Traumas genauer beschrieben. Der entscheidende Abwehrmechanismus des Gehirns im Moment der Traumatisierung ist Dissoziation. In der individuellen Wahrnehmung erleben die Traumaopfer im Augenblick der seelischen Todesnähe eine Art „Zerspringen des Spiegels“ – sie verlieren den raumzeitlichen Bezug, erleben sich als entfremdet von sich und anderen; später leiden sie dann, wenn es ihnen nicht gelingt, das Trauma innerhalb weniger Wochen zu integrieren, unter Gedächtnislücken, Körpersymptomen, sozialem Rückzug, Schreckreaktionen … Dissoziation ist dazu da, Erkenntnis zu verhindern. Erkenntnis, die von entscheidenden Schaltzentralen in unserem Gehirn – und zwar solchen, die nichts mit unserem bewussten Denken zu tun haben – als „zu gefährlich“ eingeschätzt wurde. Die primäre Dissoziation während einer traumatischen Einwirkung verhindert die fundamentale Erkenntnis: „Es geschieht jetzt das absolut Unaushaltbare, und es geschieht mir.“ Da diese Erkenntnis vom limbischen System in Zusammenarbeit mit dem Stammhirn und anderen Schaltzentralen in den „unteren Regionen des Gehirns“ automatisch verhindert wird, um sein Selbst zu schützen, entsteht ebenso automatisch eine Spaltung zwischen „Ja – es ist passiert“ und „Nein – das ist nicht wahr“. Und dann folgen unter Umständen sekundäre und weitere Dissoziationsformen und Spaltungen, wie sie in Band 1 ausführlich beschrieben wurden. Ein unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidender traumatisierter Mensch hat aus Selbstschutz eine Reihe von Symptomen entwickelt, die große Auswirkungen auf sein weiteres Leben haben. Dazu gehören nicht nur Flashbacks (Wiedererleben), Einschränkung (z. B. Depressionen) oder Übererregung (etwa plötzliche Wutausbrüche). Sondern er hat in seiner Persönlichkeit auch sehr oft eine tiefere Spaltung entwickelt, in alltagsorientierte Selbstzustände und in Zustände, die Elemente des Traumas spiegeln. Wollen wir das Trauma behandeln, dann bekommen wir es mit diesen dissoziativen Prozessen zu tun, mit deren Hilfe sich das Gehirn des traumatisierten Menschen bislang geholfen hat. Vor allem eine fundamentale Spaltung ist es, die Traumatisierten oft lebenslang zusetzt, wenn es ihnen nicht gelingt, ihr Trauma zu integrieren: Abbildung: Dissoziation Harvey Schwartz (2000) nennt diese Spaltung die „Illusionen von ‚Nicht-Ich‘ und ‚Nur-Ich‘“. Die Illusion des „Nicht-Ich“ ist verbunden mit Vorstellungen wie: „Es ist nicht passiert.“ „Ich war nicht dabei.“ „Es ist ihr passiert, nicht mir.“ „Es ist zwar passiert, aber es hat mir nichts ausgemacht.“ „Es ist zwar passiert, aber ich habe es längst überwunden.“ Letzteres ist natürlich nur dann eine Illusion, wenn man das Trauma lediglich „weggedrückt“, aber nie wirklich angeschaut hat. Viele Menschen sind nach traumatisierenden Erfahrungen wie Kriegen, Unfällen, Vergewaltigungen oder einer Kindheit voller Misshandlungen der Meinung: „Das hat mir gar nichts ausgemacht, da hab ich mich einmal geschüttelt, und das war’s.“ Leider stimmt so etwas, wie wir wissen, nicht. Denn wie der französische Psychiater Pierre Janet schon um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert sagte, ist, wer ein Trauma nicht „realisiert“ – also als wahr anerkennt und die Bedeutung des Traumas für sein Leben verstanden hat –, gezwungen, das Erlebte mit anderen zu wiederholen oder zu reinszenieren. Und, wie Judith Herman (2018) sagt, taucht dann das Trauma in der weiteren Lebensgeschichte der Betroffenen nicht als zusammenhängende Erzählung auf wie: „Das und das ist passiert, so hat es angefangen, das war besonders schrecklich, so und so ist es zu Ende gegangen; aber ich habe es überlebt, und jetzt habe ich es auch überwunden, auch wenn mich die Erinnerung daran noch schmerzt.“ Meistens taucht es gar nicht als Erzählung auf, weil darüber geschwiegen wird – dafür aber als Symptom, als Angststörung zum Beispiel, oder als Alkoholabhängigkeit, als Depression oder (psycho-)somatische Erkrankung. Oder wird reinszeniert mit den eigenen Kindern, Enkeln etc. als transgenerationales Trauma (Huber 2018, Mucci 2019, Narayan 2021, Rauwald 2020). Die Illusion des „Nur-Ich“ dagegen ist verbunden mit Vorstellungen wie: „Ich bin schuld, dass es passiert ist.“ „Hätte ich nur … (besser aufgepasst, einen Umweg genommen …) oder wäre ich nur … (hübscher, weniger hübsch, klüger, dümmer, besser in Kampfsport, besser im Totstellen …), dann wäre es nicht geschehen.“ „Da komme ich nie drüber weg.“ „Ich habe freiwillig mitgemacht.“ (Denn ich mochte den / war verliebt in den Täter; versuchte ihn mit meinem Charme unter Kontrolle zu halten; habe ja blöderweise mit ihm geredet; hab ihm nicht die Tür vor der Nase zugemacht; bin ja mitgegangen etc.) „Ich habe es ja so gewollt.“ (Was verliebe ich mich auch in so einen; habe ihn ja auch provoziert; hab ja die Zimmertür nicht abgeschlossen; was muss ich auch nachts auf die Straße gehen; habe es verdient; wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um …). „Ich bin auch so eine.“ (Bin böse, schmutzig, unberechenbar, voller Hass, könnte um mich schlagen; bin keinen Deut besser als die da; wahrscheinlich muss man genau so sein, um durchzukommen …). Tatsächlich ist die KlientIn, wenn wir das Beispiel der Überlebenden von sexualisierter Gewalt gegen Kinder bzw. die Misshandlung von Frauen nehmen, von denjenigen verraten und verletzt worden, denen sie am meisten vertraute und die sie am meisten brauchte. Sie konnte zum Zeitpunkt der Traumatisierung nichts – nichts! – anderes tun, als letztlich zu kapitulieren. Sonst wäre es kein Trauma...


Huber, Michaela
Michaela Huber, psychologische Psychotherapeutin, Supervisorin und Ausbilderin in Traumabehandlung. Sie ist seit deren Gründung 1. Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Trauma und Dissoziation (DGTD).

Michaela Huber ist psychologische Psychotherapeutin, Supervisorin und Ausbilderin in Traumabehandlung. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, u.a.: das Bundesverdienstkreuz, den "Mental Health Award“ für ihre therapeutische Lebensleistung, den „Global Pharma Award“ für das beste psychologische Ausbildungs- und Trainingsprogramm in Europa und den "Women World Award", der an Frauen aus Wissenschaft, Forschung und Lehre verliehen wird.



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