Hulme | Streitfall Klimawandel | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Hulme Streitfall Klimawandel

Warum wir uns in Kontroversen verlieren und dabei versäumen, das Klima zu retten
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86581-635-1
Verlag: oekom
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

Warum wir uns in Kontroversen verlieren und dabei versäumen, das Klima zu retten

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-86581-635-1
Verlag: oekom
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection



Über kaum etwas wird so viel diskutiert wie über den Klimawandel - leider ohne sinnvolle Ergebnisse. Für Mike Hulme ist er weit mehr als ein naturwissenschaftliches Phänomen; der Klimawandel ist ein Medienspektakel, ein Zankapfel verschiedener Regierungen und Lobbyisten, zu dem man je nach Wertekodex, Sozialstatus oder Konfession unterschiedlicher Meinung sein kann. Zu allererst ist er jedoch eine kulturelle Herausforderung - weshalb technische Ansätze zu seiner 'Lösung' zu kurz greifen und Konferenzen zur 'Rettung der Welt' reihenweise ins Leere laufen. Hulmes Buch hilft zu verstehen, was uns am erfolgreichen Handeln hindert und plädiert für eine Neubewertung des Phänomens Klimawandel.

Für Mike Hulme ist der Klimawandel nicht nur eine naturwissenschaftliche, sondern vor allem eine politische und soziale Herausforderung. Seit September 2013 ist er Professor für Geographie am King's College in London, davor war er u.a. Gründungsdirektor des Tyndall Centre for Climate Change Research. Mehr unter www.mikehulme.org.
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Weitere Infos & Material


1;Streitfall Klimawandel;1
2;Inhaltsverzeichnis;5
3;Danksagung;9
4;Vorwort zur deutschen Ausgabe von Mike Hulme;11
5;Geleitwort zur deutschen Ausgabe von Ottmar Edenhofer;14
6;Geleitwort zum englischen Original von Steve Rayner;19
7;Einführung;23
8;KAPITEL 1 Was verstehen wir unter Klima?;37
8.1;Was ist Klima?;38
8.2;Die physikalische Dimension von Klima;41
8.3;Die kulturelle Dimension von Klima;46
8.4;Klima als Ideologie;51
8.5;Klima in der Geschichtsschreibung;59
8.6;Zusammenfassung;61
9;KAPITEL 2 Die Entdeckung von Klimawandel;67
9.1;Einleitung;67
9.2;Die Genealogie von Klimawandel;69
9.3;Natürlicher Klimawandel;71
9.4;Anthropogener Klimawandel;73
9.5;Klimawandel heute;87
9.6;Zusammenfassung;92
10;KAPITEL 3 Was leistet Wissenschaft?;97
10.1;Einleitung;97
10.2;Was sind wissenschaftliche Erkenntnisse?;100
10.3;Wie robust sind wissenschaftliche Erkenntnisse?;105
10.4;Wie wird Wissenschaft gesteuert?;113
10.5;Wie wird wissenschaftliche Erkenntnis in der Gesellschaft genutzt?;119
10.6;Zusammenfassung;124
11;KAPITEL 4 Welchen Wert haben Werte?;129
11.1;Einleitung;129
11.2;Beispiele für die Anwendung ökonomischer Schlüsselkonzepte;132
11.3;Der Stern-Report und seine Kritiker;141
11.4;Das Offenlegen von Werten in der Ökonomie;148
11.5;Zusammenfassung;153
12;KAPITEL 5 Woran wir glauben;157
12.1;Einleitung;157
12.2;Wo ist das Problem mit dem Klimawandel?;160
12.3;Theologien der Schuld;168
12.4;Gerechte Lösungen;172
12.5;Persönliche Transformation;178
12.6;Zusammenfassung;182
13;KAPITEL 6 Wovor wir uns fürchten;187
13.1;Einleitung;187
13.2;Risikokulturen;190
13.3;Welche Klimaveränderungen sind gefährlich und woher wissen wir das?;198
13.4;Wahrnehmung von Klimarisiken;201
13.5;Die soziale Verstärkung von Risiko;206
13.6;Zusammenfassung;210
14;KAPITEL 7 Wie kommunizieren wir Risiken?;215
14.1;Einleitung;215
14.2;Modelle der Wissenschaftskommunikation;219
14.3;Keine Aussage ist neutral;226
14.4;Sprachliche Repertoires;229
14.5;Die Bildsprache von Klimawandel;234
14.6;Zusammenfassung;240
15;KAPITEL 8 Was ist Fortschritt?;245
15.1;Einleitung;245
15.2;Was verstehen wir unter Entwicklung?;249
15.3;Klimawandel und Armut;258
15.4;Klimawandel und Bevölkerung;261
15.5;Konflikte zwischen Klimawandel und Entwicklung;266
15.6;Zusammenfassung;270
16;KAPITEL 9 Wer regiert das Klima?;275
16.1;Einleitung;275
16.2;Klimasteuerung durch Kyoto;279
16.3;Klimasteuerung über den Markt;285
16.4;Klimasteuerung durch nicht staatliche Akteure;290
16.5;Die "Unbeholfenheit" von Klimasteuerung;294
16.6;Zusammenfassung;300
17;KAPITEL 10 Jenseits von Klimawandel;305
17.1;Klimawandel ist überall;305
17.2;Warum Klimawandel nicht "gelöst" werden wird;312
17.3;Vier Mythen zu Klimawandel;319
17.4;Die kulturellen Botschaften von Klimawandel;330
17.5;Jenseits von Klimawandel;333
18;Anmerkungen;339
19;Literatur;363
20;Index;376


Geleitwort zur deutschen Ausgabe
von Ottmar Edenhofer
Die Geschichte des Klimawandels kann man auf verschiedene Weise erzählen. Eine davon ist die Erzählung von der Titanic: Die ganze Menschheit fährt auf diesem Luxusliner auf einen Eisberg zu, eine Katastrophe gewaltigen Ausmaßes droht. Die champagnertrinkenden Mitglieder der 1. Klasse – mit schnellem Zugang zu den wenigen Rettungsbooten – haben vielleicht Chancen, die Katastrophe zu überstehen; doch die ärmeren Passagiere der unteren Decks sind wahrscheinlich verloren, wenn es zu einer Kollision kommt. Der Erzähler wird die Fragen beantworten müssen, ob die Menschheit den Kurs noch ändern kann und wer notfalls ein Anrecht auf einen lebenssichernden Platz im Rettungsboot hat.
Viele Klimawissenschaftler und Vertreter der Zivilgesellschaft haben in der Vergangenheit die Metapher vom fatalen Zusteuern auf einen Eisberg bemüht, den die Politik nicht wahrhaben will. Sie sind der Überzeugung, dass es zu apokalyptischen Katastrophen kommen wird, wenn wir den Klimawandel nicht bremsen und eine Überschreitung der 2°C-Schwelle globaler Erwärmung nicht verhindern. Der gegenwärtige Kurs der Titanic dient hierbei als Metapher für das alte, auf fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas beruhende, klimaschädliche Wohlstandsmodell. Der Aufprall auf den Eisberg scheint unvermeidlich. Wenn nicht bald umgesteuert wird, so die Metapher, dann könnte man durch einen geschickt gesteuerten Aufprall – wie bei der Anpassungsstrategie an den Klimawandel – höchstens noch einige Menschenleben mehr retten; aber eine Katastrophe bleibt unvermeidlich. Die einzige Möglichkeit, einer solchen Katastrophe auszuweichen, ist dieser Erzählung zufolge eine massive Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen, was ein radikales Umsteuern nötig macht. Wenn es zum Aufprall kommt, also der Klimawandel in großen Teilen der Welt zuschlägt, dann kann man lediglich die knappen Plätze auf den Rettungsbooten verteilen, die dann einigen eine Zuflucht in jene Teile der Welt ermöglichen, in denen ein einigermaßen auskömmliches Leben noch möglich ist. Garrett Hardins viel zitierte, düstere Erzählung der ›Tragik der Allmende‹ prophezeit, dass die Reichen die Plätze in den Booten fast ausschließlich für sich beanspruchen werden. Die wenigen Boote bieten überdies nicht Platz für alle; wer hier moralische Bedenken erhebe, könne seinen sicheren Sitz im Boot ja gerne aufgeben.3
Diese düstere Parabel vergegenwärtigt, dass das scheinbar ›goldene Zeitalter der Industrialisierung‹ vorüber ist – jenes Zeitalter also, in dem die Menschheit noch von der Sparbüchse der Natur lebte4 und fossile Energieträger bedenkenlos nutzen konnte, um Wohlstand zu mehren und der Armutsfalle zu entrinnen. Diese Bedenkenlosigkeit ist verflogen und unsere Gegenwart scheint bestimmt von Knappheit und Eigennutz – mit den tragischen Konsequenzen, wie sie Hardin beschreibt.
Das vorliegende Buch von Mike Hulme will uns nun darauf aufmerksam machen, dass niemand genau weiß, ob wir überhaupt auf dieser Titanic sind, was tatsächlich passieren wird und was die besten Handlungsoptionen sind. Es gibt keine gemeinsame Wahrnehmung der sozialen Situation. Viele teilen das eingangs geschilderte Narrativ von der drohenden großen Klimaapokalypse und der Notwendigkeit einer fundamentalen gesellschaftlichen Umsteuerung nicht, manche bezweifeln auch die von Hardin prophezeite Tragödie bezüglich der Rettungsboote. Manche orakeln gar, es könnte einen gesellschaftlichen Fortschritt bedeuten, wenn die Menschheit durch den ungebremsten Klimawandel einem weiteren Selektionsdruck ausgesetzt wird. Wieder andere meinen, ein Aufprall auf den Eisberg habe gar keine allzu schlimmen Konsequenzen, wenn man nur kluge Anpassungsstrategien wähle. Schließlich proklamieren manche Anhänger von ›Green Growth‹, eine leichte Kurskorrektur der Titanic könnte den Untergang des bisherigen Wohlstandsmodells verhindern.
Mit anderen Worten: Wir können den jahrzehntelangen öffentlichen Streit um den Klimawandel nur verstehen, wenn wir begreifen, dass wir dabei über die großen Narrative der Menschheit streiten. Es komme, so Hulme, gar nicht darauf an, dass wir über dieses oder jenes wissenschaftliche Faktum streiten, sondern auf die Erzählungen vom Anfang, Sinn und Ende der Menschheitsgeschichte. Er geht davon aus, dass Menschen ihre individuellen und kollektiven Identitäten durch große Erzählungen strukturieren. Dieser Ausgangspunkt, so plausibel er auch sein mag, ist dabei alles andere als selbstverständlich: So verspricht der im Westen vorherrschende Liberalismus gerade, dass er den Ausgleich von Interessen, den Tausch von Waren und Gütern und die Errichtung von Machtbalancen unabhängig von kollektiven Identitäten erfolgreich strukturieren kann. Hulme zeigt dagegen, dass auch der Liberalismus nur eine weitere große ›Erzählung‹ ist, an deren Ende nicht das Paradies, nicht die Überwindung der Knechtschaft, sondern der Konflikt um den Ausgleich von Interessen steht.
Hulme öffnet uns mit diesem Buch die Augen für die Vielfalt und die weitreichenden Konsequenzen solcher Narrative – das heißt der säkularen und religiösen Glaubenssysteme – für die Debatten über die angemessene Deutung des Klimaproblems. Damit legt Hulme zugleich den Finger in die Wunde traditioneller wissenschaftlicher Politikberatung, die – wie die Wissenschaften lange Zeit selbst – stark vom positivistischen Erbe geprägt ist. Angeblich eindeutige Fakten und Wahrheiten sowie daraus abgeleitete alternativlose Politikempfehlungen wurden nicht selten in wissenschaftlichen Gutachten zum Klimawandel präsentiert. Hulme weist darauf hin, dass eine solche wissenschaftliche Politikberatung irreführend ist. Sie missachtet, dass Fakten und Werturteile nicht strikt getrennt werden können, dass also politische Empfehlungen und bereits die zugrunde liegende Problemanalyse notwendig mit Werturteilen behaftet sind und bestimmte Narrative implizieren. Unsere Wahrnehmung von Risiken, die Sicht auf nachhaltige Entwicklung und die Art und Weise, wie wir unser Verhältnis zum Staat bestimmen, beeinflusst unsere jeweilige Haltung zum Klimawandel. Außerdem deutet Hulme zu Recht darauf hin, dass es noch weitere Eisberge neben dem Klimawandel gibt, die ebenfalls umschifft werden müssen, etwa die Armut.
Hulme dekonstruiert unsere Meinungsverschiedenheit und lädt zur Konstruktion von Erzählungen und Narrativen ein. Vor allem für Naturwissenschaftler wird in diesem Buch das Tor zu einer Welt aufgestoßen, die ihnen durch ihre Ausbildung in einer positivistischen Kultur bislang fremd geblieben sein mag. Es geht darum, ein differenziertes Verständnis für die Findung und Austragung von gesellschaftlichem Konsens und Dissens zu eröffnen, das für alle großen sozialen Probleme von Bedeutung ist.
Das Buch ist eine Attacke auf ein technokratisches Politik- und Wissenschaftsverständnis, in dem die Wissenschaft festlegt, was die Politik zu tun hat. Ja, das Buch will das Establishment der Klimawissenschaft und Klimapolitik herausfordern. Der Weltklimarat als Inbegriff dieses Establishments will, so könnte man Mike Hulme paraphrasieren, ein Problem lösen, das man gar nicht lösen kann, weil eine gemeinsame Wahrnehmung fehle. Mike Hulme glaubt nicht daran, dass sich das Klimaproblem ultimativ lösen lässt, sondern dass uns der Klimawandel Möglichkeiten zuspielt, die wir sonst nicht hätten: Der Klimawandel ermöglicht es, die Vertreibung aus dem Paradies zu beklagen, die Apokalypse vorherzusagen, vor dem Turmbau von Babel zu warnen und schließlich ein Jubeljahr auszurufen und zu feiern, in dem wir den Klimawandel nutzen, um für mehr Gerechtigkeit zu kämpfen. Er greift hier auf die großen biblischen Erzählungen zurück, die er nebeneinander gleichermaßen gelten lässt und nicht zu einer sinnhaften Gesamtgeschichte komponiert, wie dies bei den biblischen Autoren (vor allem bei den Verfassern des Neuen Testaments) zu finden ist. Hulme sagt nicht, welches nun die ›wahre‹ Geschichte ist.
Manche Leserin und mancher Leser mögen am Ende des Buches deshalb eine Erleichterung empfinden: Mike Hulme erspart uns die metaphysische Anstrengung der Wahrheitsfrage. Verständnis stellt sich ein, warum wir über den Klimawandel streiten und warum größere naturwissenschaftliche Sicherheit diesem Streit kein Ende setzen wird. Wer der seit dem Club of Rome immer wieder propagierten Apokalypsen überdrüssig ist, wird gelassener auf die lokalen und globalen Krisen reagieren, denn auch die sind ja nicht neu unter der Sonne, es hat sie immer gegeben und es wird sie immer geben – die Apokalypse ist eben auch nur eine Erzählung, ebenso wie die großen Erzählungen, die dem Menschen einen Sinnhorizont anbieten.
Eine solche Reaktion auf Hulmes Buch wäre jedoch fahrlässig und Mike Hulme hat sich gegen diese Interpretation zur Wehr gesetzt. Eine Dekonstruktion der Debatte mag ein guter Ausgangspunkt sein, um aufgeklärter über Klimapolitik zu streiten. Aber man kann hier nicht stehen bleiben. Die Frage, was denn nun die ›wahre‹ Geschichte des Klimaproblems ist, bleibt bestehen – und: Man kann mit vernünftigen Gründen darüber streiten. Trotz all der konkurrierenden Metaphern, Parabeln und Narrative scheint es klar, dass zumindest das Risiko eines gefährlichen Klimawandels besteht, dass es also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einen Eisberg gibt, auf den wir zusteuern. Das Wissen um den gegenwärtigen Klimawandel ist nicht absolut sicher; der Nebel der Unsicherheiten und Deutungsmöglichkeiten verhindert eine gemeinsame Sicht auf die Eisberge. Würde die Geschichte vom Untergang der...


Für Mike Hulme ist der Klimawandel nicht nur eine naturwissenschaftliche, sondern vor allem eine politische und soziale Herausforderung. Seit September 2013 ist er Professor für Geographie am King’s College in London, davor war er u.a. Gründungsdirektor des Tyndall Centre for Climate Change Research.
Mehr unter www.mikehulme.org.



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