Huth | Glaube, Ideologie und Wahn | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Huth Glaube, Ideologie und Wahn

Der Mensch zwischen Realität und Illusion Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-451-83178-2
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Mensch zwischen Realität und Illusion Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-451-83178-2
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wo liegt die Grenze zwischen Wahrheit und Täuschung, Religion und Dogma, Offenbarung und Spekulation, Mystik und Wissenschaft? Der Psychoanalytiker und Neurologe Werner Huth geht diesen Fragen auf den Grund. Er schöpft dabei aus der Beobachtung vieler gläubiger, ideologieverhafterer und psychisch kranker Menschen während seiner langjährigen therapeutischen Tätigkeit.Werner Huth verfasste dieses Buch ursprünglich vor über drei Jahrzehnten. Seither leben wir in einer anderen Welt. Die technische, soziale und iedologische Entwicklungen machen Auseinandersetzung mit Glaube, Realität und Wahn heute aber mindestens ebenso relevant wie damals. Diese überarbeitete und ergänzte Neuausgabe ist ein wichtiger Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs.

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Einführung in die aktualisierte Neuausgabe
Worum es in diesem Buch geht
Wenn ein Buch fast 40 Jahre nach seinem ersten Erscheinen erneut aufgelegt wird, so sollte man voraussetzen, dass es immer noch aktuell ist. Obwohl die in ihm vertretenen Einsichten ursprünglich auf viel Zustimmung von Theologen, Psychiatern, Psychoanalytikern und Laien unterschiedlichster weltanschaulicher Orientierung stießen, wie am Ende dieser Einleitung an einigen Beispielen gezeigt wird, sind sie keineswegs Allgemeingut. Dass bis heute immer noch viele Ansichten über den Glauben vertreten werden, die offensichtlich unhaltbar sind, liegt an der Brisanz des Themas. Es geht dabei, wie der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud (1856–1939), sich ausdrückte, auch um »letzte Dinge«1, das heißt um Werte, Überzeugungen und (Vor-)Urteile, die uns »unbedingt angehen«2. Ihnen aber begegnen wir nur »selten unparteiisch«, weil wir dabei »von innerlich tief begründeten Vorlieben beherrscht« werden. Dass diese Vorlieben bei unserem Thema eine wichtige Rolle spielen, hängt auch damit zusammen, dass der Glaube ein anthropologisches Grundphänomen ist, also zu dem gehört, was den Menschen zum Menschen macht. Wer das erkennt, dem stellt sich zwangsläufig die Frage, wer er »eigentlich« ist.3 Das hat zwar auch viel mit unseren biologischen Voraussetzungen zu tun, dennoch begegnet man bei der Suche nach einer Antwort unausweichlich auch der Philosophie und der Theologie. Davon wollen freilich viele Zeitgenossen nichts wissen, weil sie davon überzeugt sind, dass »alles, was der Fall ist«4, im Materiellen aufgeht und sich daher auch ausschließlich »rein empirisch«, das heißt für sie mithilfe naturwissenschaftlicher Methoden ohne Einbeziehung der Philosophie, beantworten lässt. Dabei übersehen sie jedoch, dass die Frage, was Empirie sei, selber gar keine empirische sein kann, sondern eine erkenntnistheoretische. Der Glaube hat somit viele Aspekte. Am besten versteht man ihn, wenn man vom religiösen Glauben ausgeht, weil in ihm sämtliche seiner Merkmale erkennbar sind. Allerdings ist dieser nur eine Facette des Glaubensphänomens. Spezifisch für den religiösen Glauben ist, dass bei ihm die Existenz einer jenseitigen Wirklichkeit vorausgesetzt wird. Das unterscheidet ihn von den Weltanschauungen. Auch sie sind in einem weiteren Sinn Glaubensphänomene, die aber im Unterschied zum religiösen Glauben aufs Innerweltliche ausgerichtet sind: Es geht dabei darum, wie wir die Welt sehen, in der wir leben, und um die Rolle, die wir in ihr spielen. Mit vielen anderen menschlichen Möglichkeiten teilt der Glaube aber auch eine besondere Störanfälligkeit. Aus der Bedeutung solcher missglückter oder pathologischer Glaubensformen für uns alle, erklärt sich auch der Titel dieses Buches: »Glaube, Ideologie und Wahn«. Ein weiteres Merkmal des Glaubens ist neben der Vielfalt seiner Erscheinungsformen, dass er nicht in einer einzelnen Fähigkeit oder in einem einzelnen Charisma aufgeht. Vielmehr hängt die Weise, wie wir glauben, von vielen Faktoren ab, zum Beispiel vom geistigen Klima, in dem wir aufgewachsen sind, von unserer Veranlagung und unserer Biografie einschließlich ihrer jeweiligen sozialen Voraussetzungen. Fast immer aber bedingen sich das, was jemand glaubt, der Glaubensinhalt, und die Weise, wie er glaubt, der Glaubensvollzug, gegenseitig. Kennzeichnend für den Glauben ist aber nicht nur die Vielfalt seiner Erscheinungsformen, sondern auch seine Aktualität. Gilt dies aber auch für die Abschnitte, die von den Ideologien handeln? Diese Frage stellte sich mir, als kurz nach dem ersten Erscheinen meines Buches unerwartet immer neue fundamentalistische Bewegungen auftauchten und brutale Terroraktionen uns alle erschütterten. Dass auch diese Ereignisse mit Ideologien zu tun hatten, lag zwar nahe. Doch dass man sie als wirkliche Ideologien zu verstehen hat, ging mir in seiner ganzen Tragweite erst auf, nachdem mich bald danach Theologen beider Kirchen sowie das Fernsehen baten, mich dazu zu äußern, da ich doch den Fundamentalismus in meinem Buch beschrieben habe. Dort habe ich ihn allerdings nur am Rande erwähnt. Die Frage nach ihm stellte sich damals, was heute fast nicht vorstellbar ist, kaum jemandem. Beim näheren Studium der inzwischen erschienen Literatur und aus eigener Anschauung, unter anderem durch Zusammenarbeit mit dem damaligen Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche in Bayern, Friedrich Wilhelm Haack (1935–1991), bestätigte sich mir zunehmend meine Vermutung, dass den neuen Varianten dieselben Strukturen zugrunde liegen wie den bereits vorher bekannten Ideologien, obwohl die jeweiligen gesellschaftlichen Voraussetzungen, Entstehungsbedingungen und Wirkungen meist ganz anders sind: Zwischen einem versponnenen religiösen Sektierer und einem Taliban klaffen Welten. Wie sehr der Glaube, wie erwähnt, in unserem Wesen verankert und multifaktoriell determiniert ist, zeigte sich besonders auch dort, wo aufgrund äußerer Verhältnisse seine religiöse Form nicht mehr praktiziert werden konnte, zum Beispiel im Dritten Reich, unter der Herrschaft Stalins oder Maos. Keines dieser Systeme konnte ihn jedoch völlig zum Verschwinden bringen. Überall, wo man das versuchte, führten militante Atheisten ihren »Exorzismus« mit geradezu heiligem Eifer und unter Verwendung religiöser Symbole durch. Auch in unserer inzwischen weitgehend säkularisierten Welt lebt eine (pseudo-)religiöse Symbolik weiter: Man bietet Waren, zum Beispiel Wein oder Autos, wie sakrale Gegenstände an und zelebriert ihren Gebrauch, als feierte man die heilige Messe. All das zeigt, dass hinter den ursprünglichen wie auch hinter den usurpierten Formen religiöser Praxis unauslöschliche menschliche Grundmuster stehen, sogenannte Archetypen. Bemerkenswert ist aber auch, was geschieht, wenn man selbst noch auf dieses Brimborium verzichtet, sodass immer mehr Menschen ohne die in der amerikanischen Literatur gern herausgestellten »drei B’s« (bonding, belonging, believe) leben, das heißt, ohne Bindung und Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft.5 Selbst dann überlebt der Glaube, und sei es nur in der Form, dass Leute voller religiösem Eifer bekennen, jeder Glaube sei ihnen »wurscht«. Noch häufiger trifft man allerdings auf Menschen, die sich ihren Glauben aus allen möglichen Versatzstücken selber zusammenbasteln. Diese fluktuierende, ihre Objekte immer wieder wechselnde indifferente Gläubigkeit ist natürlich nicht damit identisch, dass sich jeder Glaube lebenslang weiterentwickelt, selbst dort, wo aus äußeren Gründen Entwicklungen scheinbar ausgeschlossen sind, wie zum Beispiel in den genannten Diktaturen oder auch in fundamentalistischen Systemen. Es gibt somit also trotz aller äußerlichen Unterschiede gewisse innere Gemeinsamkeiten. Dass dies allerdings nicht nur bei religiös Gläubigen der Fall ist, erkannte zum Beispiel schon Friedrich Schiller, als er schrieb: »Stünde einmal wie für die übrigen Reiche der Natur, ein Linnäus6 auf, der nach Trieben und Neigungen klassifizierte, wie sehr würde man erstaunen, wenn man so manchen, dessen Laster in einer engen bürgerlichen Sphäre und in der schmalen Umzäunung der Gesetze jetzt ersticken muss, mit dem Ungeheuer Borgia in einer Ordnung beisammen fände«.7 Auf gemeinsame Wurzeln trifft man aber nicht nur bei den Ideologien und den verschiedenen Fundamentalismen. Auch wesentliche Ursachen der drohenden ökologischen und der Klimakatastrophe wachsen auf dem gleichen Holz. So steht hinter dem Klimawandel unser ausbeuterischer Umgang mit der Natur. Auch an einer anderen Ursache für diese drohenden Katastrophen, dem Anwachsen der Weltbevölkerung (zu meinen Lebzeiten hat sie sich vervierfacht), sind wir beteiligt, zumindest indirekt. Vordergründig gesehen geht es dabei »nur« um die Folgen von Armut und fehlender Aufklärung in der Dritten Welt. Aber selbst dazu leisten wir unseren Beitrag, zum Beispiel wenn wir den dort lebenden Menschen in ihren Nöten nicht genügend helfen, und sei es wenigstens um unserer eigenen Zukunft willen, damit wir von den Folgezuständen ihrer katastrophalen Situation nicht überrollt werden. Wenn wir als nächstes nach dem Kern all dieser Entwicklungen fragen, dann stoßen wir auf eine gemeinsame Ursache. Sie besteht in einem fatalen Umgang mit einem Mentalitätswandel in unserer Gesellschaft. Dass sich unsere Mentalität, wie alles auf der Welt, im Laufe der Zeit weiterentwickelt, ist zwar selbstverständlich. Dass dies aber derzeit dazu führt, dass immer mehr Menschen egozentrisch auf sich selbst bezogen sind, statt genügend achtsam mit ihrer Umwelt und Mitwelt umzugehen, ist verhängnisvoll. Gefördert wird diese Entwicklung bei uns durch den Abbau (statt eines notwendigen Umbaus) bisher Halt gebender Institutionen wie Ehe, Familie, Religion und kulturellen Traditionen, eine Gleichgültigkeit unserer Zukunft gegenüber, bei der wahre Gefahren schöngeredet werden, sowie die Tendenz, sich affektiv und sentimental zu äußern, wo Gefühle, speziell auch Mitgefühl, angebracht wären. Der Historiker Christopher Lasch (1932–1994) fasste das alles mit dem Begriff »Zeitalter des Narzissmus« zusammen.8 Es bildet den Nährboden für verschiedene Varianten von Ideologien. Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf den religiösen Glauben zeigten sich besonders an der Krise der Kirchen. Über deren Ursachen wird später noch zu reden sein. An dieser Stelle sei dazu nur so viel...


Huth, Werner
Dr. Werner Huth (*1929) ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sowie Psychoanalytiker mit eigener Praxis in München. Er lehrte von 1973 bis 1991 an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten und hat zahlreiche Bücher geschrieben.

Dr. Werner Huth (*1929) ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sowie Psychoanalytiker mit eigener Praxis in München. Er lehrte von 1973 bis 1991 an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten und hat zahlreiche Bücher geschrieben.



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