E-Book, Deutsch, 255 Seiten
Huttarsch Mamapsychologie
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-407-86884-8
Verlag: Julius Beltz GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geborgenheit, Halt und Liebe für deinen Mama-Alltag. Die Safe-Space-Strategie für dich und dein Kind
E-Book, Deutsch, 255 Seiten
ISBN: 978-3-407-86884-8
Verlag: Julius Beltz GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nur wer sich die eigenen Bedürfnisse erfüllt, kann seinem Kind langfristig geben, was es braucht. Anhand ihrer langjährig erprobten Safe-Space-Strategie zeigt Isabel Huttarsch Müttern, wie sie Kraft für das stressige Familienleben tanken. Schritt für Schritt öffnet die beliebte Mamapsychologin einen Raum, in dem jede Mama sein kann, wer sie ist, und das bekommt, was sie wirklich braucht. So entstehen emotionale Sicherheit, Geborgenheit und Halt. Isabel Huttarsch ist bekannt für psychologisch fundierte und empathische Unterstützung von Müttern, bei der sie immer auch die Kinder mitdenkt. •Mit psychologischen Tools, die Müttern Mut zur Veränderung machen. •Mit langjährig erprobten Übungen aus der Arbeit mit Müttern. •Mit Beiträgen von Romy Winter@slowmothering, Marlies Johanna @marliesjohanna und Johanna Dexheimer @flusine.
Isabel Huttarsch ist Psychologin, Autorin, gefragte Referentin und Influencerin. Die Mutter dreier Kinder gründete die Mütterberatung mamapsychologie.de und betreibt den gleichnamigen Instagramkanal mamapsychologie. Außerdem ist sie Hostin und Familienexpertin des SWR-Kanals fuehlen_wir.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Die Safe-Space-Strategie: Geborgenheit, Halt und Liebe für dich und dein Kind
»Wenn du älter wirst, wirst du entdecken, dass du
zwei Hände hast, eine, um dir selbst zu helfen und die
andere, um anderen zu helfen.« Maya Angelou Auf ins Abenteuer Augenhöhe
Es ist ein sommerlicher Samstagvormittag. Ich bin gerade mit meinem zweiten Kind schwanger und stehe neben meinem zweijährigen Sohn im Supermarkt, voll bepackt mit Klopapier, Gemüse und einer Packung neonbunt gefärbter Cornflakes. Wir waren vorher gemeinsam auf dem Spielplatz und wollten nur noch schnell ein paar fehlende Sachen für das Wochenende besorgen. Cornflakes standen eigentlich nicht auf dem Einkaufszettel. Aber mein Kind wollte sie unbedingt haben und ich hatte in diesem Moment – nach einer viel zu kurzen Nacht – einfach keine Kapazitäten dafür, einen potenziell ausufernden, unkontrollierbaren Autonomieanfall zu riskieren. Und so habe ich mir die gewünschte Cornflakespackung kommentarlos unter den Arm geklemmt, wohl wissend, dass der Inhalt der XXL-Sonderedition nicht nur ziemlich ungesund ist, sondern von meinem Kind wohl auch niemals komplett aufgegessen werden würde. Gerade biegen wir in den Kassengang ein. Ich habe Mühe, die Einkäufe nicht fallenzulassen, als mein Kind aus dem Nichts zu mir sagt: »Du musst mich tragen. Ich kann nicht mehr laufen.« Scherzkeks, dachte ich, schließlich wäre mein Kind am Spielplatz problemlos noch zwei weitere Stunden wie ein Äffchen geklettert, wenn ich nicht darauf beharrt hätte, jetzt endlich loszugehen. Mit der Gewissheit im Hinterkopf, dass das, was ich gleich sagen werde, nicht das sein wird, was mein Kind hören möchte, atme ich noch einmal tief durch, bevor ich zu antworten wage. Ich rufe mir die erst kürzlich erlernten vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation ins Gedächtnis und sage dann lehrbuchmäßig zu meinem Kind: »Ich sehe, dass du nicht weitergehen möchtest. Du bist erschöpft und möchtest, dass ich dich trage. Das verstehe ich. Gleichzeitig habe ich gerade keinen freien Arm, um dich zu tragen. Ich brauche jetzt deine Mithilfe und wünsche mir, dass wir gemeinsam zum Auto laufen. Da hebe ich dich dann gerne in deinen Kindersitz und du kannst dich ausruhen.« Und mein Kind? Das reagiert anders als im Lehrbuch. Ich hatte noch nicht einmal ausgesprochen, da schmeißt es sich auf den Boden und brüllt: »Ich! Will! Aber! Nicht! Mehr! Laufeeeeen!« Oh nein – genau das wollte ich doch vermeiden. Ich versuche, ruhig und bei mir zu bleiben und merke gleichzeitig, wie die Anspannung in meinem Körper steigt. Mein Kind schreit immer lauter. Egal, was ich sage, ich dringe nicht zu ihm durch. Die Leute um uns herum beginnen, mir kritische Blicke zuzuwerfen. Als mein Kind anfängt, wahllos Packungen aus einem Regal zu ziehen, bin ich mir sicher, ihre Gedanken hören zu können: »Die hat ihr Kind nicht im Griff.« Ich merke, wie meine innere Anspannung immer größer wird, die verurteilenden Blicke der anderen im Nacken. Wut und Panik beginnen sich in mir zu einer Urgewalt zusammenzuballen. In meinem Kopf überschlagen sich Gedanken und Gefühle. »Was, wenn die alle denken, dass ich eine schlechte Mutter bin? Und was, wenn das stimmt?!« Ich fühle mich wie gelähmt und weiß gleichzeitig, dass irgendetwas passieren muss. Ich muss hier raus. Ich lasse meine Einkäufe in ein leeres Sonderpostenregal fallen, packe mein Kind viel fester am Arm, als ich es normalerweise für angemessen halte, und ziehe es unsanft aus dem Laden. Mein Kind schreit immer noch, aber jetzt anders als vorher. Noch bevor ich den Laden verlassen habe, fühlt sich das alles falsch an. Am Auto angekommen, fühle ich mich wie die schlechteste Mutter der Welt. Und gleichzeitig wie die hilfloseste. Die (R)Evolution in deinem Handgepäck
Die Situation ließ mich den ganzen Tag nicht mehr los. Als ich am Abend auf dem Sofa saß, war da hauptsächlich Schuld in meinem Kopf. Und viele Fragen: Was ist in dieser Situation eigentlich schiefgelaufen? An welcher Stelle ist es eskaliert? Und warum habe ich mich so verhalten, obwohl ich das überhaupt nicht wollte? Es hätte doch so viele andere Möglichkeiten gegeben, aus der Situation zu kommen. Ich hätte erkennen können, dass mein Kind gerade nicht tun kann, was ich von ihm brauche, hätte den Einkauf abbrechen und mein Kind einfach zum Auto tragen können. Ich hätte versuchen können, mein Kind pädagogisch weniger wertvoll mit Süßigkeiten zu bestechen, um doch noch bis zum Auto zu laufen. Ich hätte auch die Leute um mich herum fragen können, ob mir jemand beim Tragen der Einkäufe bis zum Auto behilflich sein kann, damit ich mein Kind auf den Arm nehmen kann. Aber nichts von dem habe ich gemacht. Warum eigentlich nicht? Das wäre doch alles besser gewesen als Gewalt. Und ja, ich brauche es nicht schönreden: Schmerzhaft am Arm anpacken ist eine Form körperlicher Grenzüberschreitung. Hätte mich im Supermarkt eine der anwesenden Personen gefragt, ob ich mich gerade sicher fühle, hätte ich ihm oder ihr im Eifer des Gefechts vermutlich ein »NEIN, DU IDIOT« ins Gesicht geschrien. Okay, vermutlich hätte ich mich das nicht getraut, aber gedacht hätte ich es sicher. Ich meine, was für eine Frage. Wie soll ich mich in einer so druck- und erwartungsgeladenen Ausnahmesituation auch nur ansatzweise sicher fühlen? Und genau damit sind wir im Kern der Sache angekommen. Denn diese Frage nach meiner inneren Sicherheit hat mir in diesem Moment zwar keine der Personen im Supermarkt gestellt, aber jemand mit weitaus mehr Einfluss auf mich: mein internes Sicherheitssystem. Dein internes Sicherheitssystem Um zu klären, was es damit auf sich hat, werden wir unsere Reise an dieser Stelle etwas spektakulärer fortsetzen als bisher: mit einer kleinen Zeitreise. Wir reisen um die vierzig- bis sechzigtausend Jahre zurück, mitten in die Steinzeit, in das Erdzeitalter des Pleistozän. Denn genau das ist die Zeitspanne, in der wir Menschen uns größtenteils evolutionär zu dem entwickelt haben, was wir heute sind. Dieser Fakt ist zentral für das Fundament in deinem Safe Space. So, wie wir heute unseren Familienalltag leben, tun wir das als Art noch nicht lange. Die längste Zeitspanne unserer Entwicklung haben wir ganz anders gelebt. Statt wie heute in Klein(st)familien lebten die Menschen damals in Gruppenverbänden. Die Versorgung mit allen lebensnotwendigen Dingen wurde in Jäger- und Sammlergemeinschaften sichergestellt. Und auch die Aufzucht der Kinder war ein gemeinschaftliches Unterfangen, das sich auf viele Schultern verteilt hat.1 Hört sich ein bisschen an wie das vielbesagte Dorf, nach dem wir uns alle sehnen, um unsere Kinder großzuziehen, oder? Doch idyllisch war es damals dennoch nicht immer. Die Menschen der Steinzeit waren in einer weitaus lebensfeindlicheren Umgebung zu Hause, als wir es heute sind. Ihr Alltag war von vielen realen Gefahren geprägt. Ein kalter Winter konnte das Überleben einer kompletten Gemeinschaft ebenso ernsthaft bedrohen wie die angreifenden Tiere oder giftige Pflanzen. Über derartige Gefahren Bescheid zu wissen und sie schnellstmöglich als solche zu erkennen, war überlebensnotwendig – für Eltern und auch für ihre Kinder. Es war wichtig, sich jederzeit der Antwort auf eine ganz zentrale Frage bewusst zu sein: Bin ich sicher? Und so hat sich im Prozess der Evolution über viele Jahrtausende hinweg in uns Menschen ein ausgeklügeltes internes Sicherheitssystem entwickelt, das du auch heute noch nahezu ...