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Ibrahim | Spiritual Care - Zwischen Anspruch und Wirklichkeit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

Ibrahim Spiritual Care - Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Philosophische Perspektiven zum Selbstverständnis einer Disziplin
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-046005-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Philosophische Perspektiven zum Selbstverständnis einer Disziplin

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

ISBN: 978-3-17-046005-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Spiritual Care" ist ein unklarer und damit auch umstrittener Begriff. Folglich fehlt bislang auch ein klares Verständnis davon, was genau diese Disziplin auszeichnet, welche Ziele sie verfolgen und Wege sie beschreiten soll. Aus einer philosophischen Perspektive beleuchtet dieser Band theoretische, praktische und professionalisierungsbezogene Problemfelder von Spiritual Care und strukturiert sie zugleich. Hierbei deckt er sowohl theoretische Leerstellen als auch praktische Holzwege auf. Die philosophische Untersuchung beabsichtigt letztlich, ein grundlagentheoretisches Selbstverständnis dieser noch jungen Disziplin zu ermöglichen und Klarheit zu verschaffen.
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1»Spiritual Care«: Eine umstrittene Variable
Anspruch und Wirklichkeit Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Lücke. Dies ist an sich nicht problematisch. Denn der Anspruch wirft sich über die Wirklichkeit hinaus auf etwas, das es zu erreichen gilt. Er zeigt auf einen Zustand des Sollens, während die Wirklichkeit das momentane Sein beschreibt. Zwischen jenem Sein und Sollen findet sich die Lücke, die es zu überbrücken gilt. Entsprechend kann es im besten Fall auch möglich sein, dass Sein und Sollen zusammenfallen. Wie dies geschieht – ob es nun an der Struktur, dem Prozess oder am Ergebnis liegt – hängt jeweils von Situation und Vorhaben ab. Wie und ob Spiritual Care es schafft, Wirklichkeit und Anspruch zusammenzuführen, die Lücke zwischen ihnen zu schließen, scheint fraglich zu sein. Dies zeigt sich schon anhand der wachsenden Publikationen zur Thematik. Man bemüht sich offenbar darum, herauszufinden, was genau Spiritual Care ist und wie sie bestmöglich gelingen kann. Problematisch wird dieses Vorhaben, wenn weder klar ist, was Spiritual Care genau sein soll (Wirklichkeit), noch wenn man weiß, wie sie tatsächlich als gelungen bezeichnet werden kann (Anspruch). Man arbeitet entsprechend mit zwei unbekannten Variablen, die man miteinander durch wissenschaftliche Bemühung, Erkenntnis und die erfolgreiche Implementierung in der Praxis gleichsetzen will. Potenziert wird die Problemstellung dadurch, dass auch das nötige Rüstzeug fehlt, um sich über Struktur, Prozess und Ergebnisse jener Bemühungen zu vergewissern. Wie und mit welchen Mitteln kann überprüft werden, was Spiritual Care ist und wie sie gelingt? Wie soll sich dies begründen und überprüfen lassen? Man stößt hier schnell auf grundlagentheoretische Fragestellungen und Herausforderungen. In der vorliegenden Arbeit soll es darum gehen, das nötige Rüstzeug dazu zu liefern, dass sich Spiritual Care als Disziplin selbst verstehen kann und genügend Instrumente zur Hand hat, um ihre grundlagentheoretische Bemühung von Anspruchsbestrebung und Wirklichkeitsreflexion erfassen und überprüfen zu können. Es wird sich zeigen, dass die Philosophie eine zentrale Stellung für dieses Vorhaben einnehmen kann. Die Philosophie bietet Perspektiven, anhand welcher sich die Disziplin Spiritual Care selbst vergewissern und überprüfen kann.[1] Wichtig für die Beleuchtung von Spiritual Care ist zuallererst die Unterscheidung zwischen Spiritual Care (in ihrer Theorie- und Praxisentwicklung) an sich (Wirklichkeit) und der Art und Weise wie sie sich im Diskurs darstellen will (Anspruch). Dass dabei unterschiedliche Deutungsvarianten, religiöse sowie politische und wissenschaftsakademische Interessen einflussreich und ausschlaggebend sind, führt dazu, dass die Positionsdarstellungen nicht immer sachgemäß oder unverzerrt präsentiert werden oder dass mit der Positionierung ganz bestimmte Interessen verfolgt werden. Dies muss für die vorliegende Darstellung unweigerlich berücksichtigt werden. Um ein solches Vorhaben zum Selbstverständnis von Spiritual Care überhaupt in Gang setzen zu können, muss daher expliziert werden, was unter dem Term Spiritual Care gemeinhin verstanden wird. Indem man das Vorverständnis offenlegt, wird die Untersuchung in ihrer eigenen Positionierung aufgezeigt und kritisch reflektiert. Das bedeutet, dass die vorliegende Untersuchung die eigene Perspektivität der Zugangsweise auf die Thematik und die Dynamik des Untersuchungsgegenstandes in die Analyse miteinbezieht. Ein erster Ansatz für ein Vorverständnis von Spiritual Care findet sich demgemäß bei Traugott Roser. Er definiert Spiritual Care wie folgt: »Spiritual Care ist die Organisation gemeinsamer Sorge um die individuelle Teilnahme und Teilhabe an einem als sinnvoll erfahrenen Leben im umfassenden Verständnis« (Roser, 2017: 15). Dieses Verständnis ist dahingehend unbefriedigend, weil die Definition einerseits zu weit und andererseits zu eng ist. Zu weit ist sie deshalb, weil die gemeinsame Sorge um individuelle Teilnahme und Teilhabe an einem als sinnvoll erfahrenen Leben auch sozialstaatliche und pädagogische Praktiken mit umschließt. Die Bildung von Menschen sowie die materielle Deckung von Grundbedürfnissen, das demokratische Partizipationsrecht etc. sind alles auch Formen der gemeinsamen Sorge um eine solche Teilhabe und Teilnahme. Dies ist jedoch nicht spezifisch als Spiritual Care zu verstehen. Zugleich ist das Verständnis zu eng, weil die Teilnahme und Teilhabe an einem als sinnvoll erfahrenen Leben nicht mehr für alle Menschen möglich ist. Dies ist beispielsweise für Sterbende, schwer Kranke etc. der Fall, wo eine oberflächliche Hoffnung und ein klischeehaftes Heilsversprechen den Situationen nicht genügen kann. Vieles kann nicht ganz sein, muss losgelassen werden, ist sinnlos und bleibt Fragment (Rüegger, 2023: 130). Aufschlussreicher scheint hingegen die Definition von Doris Nauer zu sein. Sie beschreibt Spiritual Care in folgenden Worten: »Spiritual Care – ein interdisziplinär angelegtes theoretisches Konzept individuumszentrierter spiritueller Begleitung, dem ein ganzheitliches Menschenbild mit ausdrücklicher Fokussierung auf die spirituelle Dimension menschlicher Existenz zugrunde liegt« (Nauer, 2015: 47, H.i.O.). Interessant und auffällig ist hier, dass Nauer von einem interdisziplinären Ansatz ausgeht. Ist Spiritual Care also selbst keine Disziplin, sondern ein Amalgam verschiedenster anderer Bereiche? Oder lässt sich Spiritual Care in andere Disziplinen einordnen? »Wer zum Beispiel Spiritual Care der Medizin zuordnet oder Spiritual Care mit Krankenhausseelsorge in eins setzt oder Spiritual Care zur Medizin und Krankenhausseelsorge in ein Kontrastverhältnis bringt, dem steht jeweils ein konkreter Ansatz vor Augen« (Knoll, 2020: 345, H.i.O.). Welches Verständnis also tragend und maßgebend ist, übt auch einen Einfluss darauf aus, wie Spiritual Care praktiziert wird. Wirklichkeit und Anspruch sind daher auf die je besondere Situation des grundlagentheoretischen Ausgangspunktes angewiesen. Es ist hier nicht möglich, alle Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Ansätzen und Beschreibungsweisen von Spiritual Care systematisch herauszuarbeiten. Und es handelt sich auch nicht nur um eine Begriffsfrage von Synonymen (Wild, 2023: 16). Für die vorliegende Arbeit lohnt es sich jedoch, zumindest auf einen Aspekt von vielen einzugehen, der auch mit dafür verantwortlich ist, weshalb sich Spiritual Care als Form der sorgenden Tätigkeit überhaupt erst entwickelt hat. »Auch wenn die Palliative Care weder die erste noch einzige Quelle darstellte, so trug sie doch wesentlich dazu bei, in den darauffolgenden Jahrzehnten eine interprofessionelle Spiritual Care im Gesundheitswesen vieler Länder zu etablieren« (Peng-Keller, 2021: 35). Seelsorge, Medizin und Psychologie können ebenfalls als Quellen betrachtet werden. Ihnen allen liegt die Idee zugrunde, Menschen irgendwie zu helfen, sich um sie zu sorgen (Care-Tätigkeit). Wie sich Spiritual Care zu diesen einzelnen Disziplinen verhält, scheint vorerst noch unklar. Entsprechend wird in der vorliegenden Untersuchung auf eine Auswahl von Darstellungen von Spiritual Care eingegangen und Spiritual Care nach dem eigenen Verständnis gegenüber der Seelsorge und anderen Disziplinen durch eine philosophische Perspektive positioniert. Dies bedarf jedoch vorerst weiterer grundlegender Erklärungen. Disziplin, Multidisziplinarität und Handlungswissenschaft Roser spricht bei Spiritual Care von Organisation und Nauer von einem theoretischen Konzept. Auch dies sind wiederum Festlegungen, die kritisiert werden können. Weder scheint es ersichtlich zu sein, wofür, auf welchen Ebenen und was für eine Organisation Spiritual Care genau sein soll. Noch scheint ein theoretisches Konzept unbefriedigend zu sein, weist doch der Begriff Care auf weitaus mehr hin als nur auf theoretische Konzepte, auch wenn diese letztlich in die Praxis individuumszentrierter spiritueller Begleitung münden. Für die vorliegende Untersuchung wird daher bei Spiritual Care von einer Disziplin ausgegangen. Als Disziplin sollen hier untereinander zusammenhängende Einzel- beziehungsweise Grundlagenwissenschaften verstanden werden, deren Vertreter und Vertreterinnen sich auf einen gemeinsamen Gegenstand oder einen spezifischen Forschungsbereich geeinigt und einen besonders strukturierten wissenschaftlichen Zugang dazu...


Dr. Omar Ibrahim ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Erziehungs- und Bildungstheorie, Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau.



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