Jäncke | Macht Musik schlau? | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 453 Seiten, Gewicht: 650 g

Jäncke Macht Musik schlau?

Neue Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der kognitiven Psychologie
1. Auflage 2008
ISBN: 978-3-456-74575-6
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Neue Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der kognitiven Psychologie

E-Book, Deutsch, 453 Seiten, Gewicht: 650 g

ISBN: 978-3-456-74575-6
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Musik macht schlau' ist eine typische Pressemeldung, die dem Laien den Eindruck vermittelt, dass Musikhören und Musizieren das Lernen quasi auf geheimnisvolle Art und Weise verbessern würden. Allerdings sind die Wirkungen von Musik auf das Lernen viel differenzierter, als es diese einfachen Pressemeldungen glauben lassen. Erstmals werden im Rahmen dieses Buches die in den letzten 20 Jahren erzielten Befunde bezüglich der neurowissenschaftlichen und kognitiven Grundlagen des Musizierens und des Musikhörens dargestellt und bewertet. So werden neben dem berühmten 'Mozart-Effekt' auch die aktuellen Längsschnitt- und Querschnittstudien besprochen, die sich mit den Zusammenhängen zwischen Musiktraining und schulischen Leistungen oder allgemeinen kognitiven Leistungen auseinandersetzen. Besondere Beachtung findet die Besprechung des Themas Musik und Gehirn, denn nur durch das Verständnis der hirnphysiologischen Grundlagen wird es möglich, auch die Wirkung von Musik auf andere Funktionen besser zu verstehen. Einen besonderen Schwerpunkt findet dieser Teil in der Besprechung der Hirnplastizität im Zusammenhang mit dem Musizieren und dem damit zusammenhängenden Training. Schließlich werden zwei wichtige und relativ neue Aspekte erörtert. Zunächst wird der neu entwickelte Zusammenhang zwischen Musik und Sprache mit seinen möglichen Auswirkungen auf klinisch-therapeutische Anwendungen besprochen. Abschließend werden mögliche Einsatzmöglichkeiten der Musik und des Musizierens im Zusammenhang mit dem Alter thematisiert. ' Es ist ein Buch, auf das ich schon lange gewartet hatte.' SVGT-Bulletin 'Ein empfehlenswertes, gut verständliches Buch für alle, die sich ebenso für das Reich der Töne wie für die Funktion unseres Denkapparates interessieren.' Gehirn & Geist

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Zielgruppe


Musiklehrer, Lehrer, Hochschullehrer, Psychologen, Psychiater, Neurologen, Politiker, Psychotherapeuten und Musiktherapeuten


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2 Der Mozart-Effekt – Beginn eines Mythos


Ein alter Traum der Menschheit ist es, einfach und bequem zu lernen. Schon in der griechischen Philosophie ist dieses Thema sehr beliebt gewesen. In der griechischen Mythologie gibt es sogar eine Göttin für das Gedächtnis. Mnemosyne wurde sie genannt und galt bei den Griechen als die Mutter aller Musen. Neben der Göttin des Gedächtnisses gab es auch noch Lethe, den Fluss des Vergessens. Aus ihm tranken die Seelen der Verstorbenen, um die leidvollen Erinnerungen an das irdische Leben zu vergessen. Die griechischen Philosophen haben auch die ersten systematischen Methoden zur Steigerung von Gedächtnisleistungen erfunden. Trotz aller Techniken zur Verbesserung des Lernens und des Gedächtnisses ist es dem Menschen bislang noch nicht gelungen, eine Methode zu entwickeln, die es ihm erlaubt, ohne Anstrengung etwas zu lernen. Im späten Mittelalter hatte sich der Begriff des «Nürnberger Trichters» verbreitet, mit dem die Vorstellung verbunden war, dass Schüler etwas «eingetrichtert» bekommen und fast ohne Aufwand und Anstrengung sich etwas aneignen könnten. Allerdings offenbarte diese eher scherzhafte Vorstellung keine vernünftigen didaktischen Maßnahmen. Einen künstlerischen Ausdruck gewann der Wunsch, ohne Mühe zu lernen, in verschiedenen Kinofilmen. Die bekanntesten dieser Art sind «Projekt Brainstorm» und «Strange Days». Obwohl beide Filme in kommerzieller Hinsicht Flops waren, haben sie in beeindruckender Art und Weise das Thema des Lernens und «Überspielens» von Gedanken und Empfindungen von einem Menschen auf den anderen künstlerisch verarbeitet. Im Wesentlichen geht es um die Aufzeichnungen von Erfahrungen und Gefühlen anderer Menschen mittels spezieller Apparaturen. Diese Apparaturen erlauben das «Überspielen» der so gespeicherten Informationen auf andere Personen. Auf diese Art und Weise können Personen ohne Mühe in den Genuss von Erfahrungen anderer Menschen kommen. Obwohl in diesen Filmen beeindruckend dargestellt, sind wir bis heute zu solchen technischen Kabinettstücken nicht fähig. Allerdings offenbaren diese Themen eindrücklich einen der geheimsten Wünsche des Menschen, nämlich ohne Mühe Erfahrungen zu erwerben. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, das die Öffentlichkeit hellhörig wird, wenn in einer berühmten und hoch angesehenen Zeitschrift berichtet wird, dass das mühelose Hören einer Mozart-Sonate für die Dauer von höchstens 10 Minuten räumliche Wahrnehmungsleistungen steigern würde. Wird hier ein alter Menschheitstraum wahr? Kann man wirklich ohne Mühe seine Wahrnehmungsleistungen steigern? Vielleicht kann man auf diese Art und Weise auch andere Denktätigkeiten verbessern? Sicher das wäre ein bemerkenswerter Durchbruch, sie hören Robbie Williams und lösen danach Intelligenztestaufgaben schneller und effizienter. Bevor wir hier zu euphorisch werden, wenden wir uns zunächst einmal den Befunden zu. 2.1 Der Beginn Unter dem Begriff «Mozart-Effekt» wird ein kurzzeitig fördernder Einfluss passiven Hörens von zehn Minuten Mozart-Musik (genauer: der Sonate KV 4481) auf verschiedene intellektuelle Leistungen zusammengefasst. Die erstmalige Erwähnung dieses Begriffes wird Alfred A. Tomatis zugeschrieben, der damit zum Ausdruck bringen wollte, dass bei Kindern unter drei Jahren eine vermeintliche Steigerung der Hirnentwicklung ausgelöst werden könne, wenn Kinder Musik von Wolfgang Amadeus Mozart hören würden. Obwohl diese Annahme wissenschaftlich überhaupt nicht begründet war, hat sich dieser Begriff (wie auch die von Tomatis begründete und gleichsam wissenschaftlich nicht belegte Tomatis-Therapie2) insbesondere in der populärwissenschaftlichen Presse und Literatur gehalten. Die Ideen und Spekulationen der Tomatis-Therapie wurden nie ernsthaft einer wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen. Aus diesem Grunde liegt auch bis heute nicht eine wissenschaftliche Publikation in einer angesehenen wissenschaftlichen Zeitung vor (!), welche die Wirksamkeit der Tomatis-Therapie und des von Tomatis angenommenen Effektes des Musikhörens auf die kindliche Hirnentwicklung belegt. Anders verhält es sich mit einem in der Folge ebenfalls als «Mozart-Effekt» beschriebenen Phänomens, das prinzipiell nichts mit der von Tomatis beschriebenen Spekulation gemein hat. Dieses Phänomen beruht auf einer Publikation der Psychologen Frances Rauscher und Kim Ky sowie des Physikers Gordon Shaw in der angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift Nature aus dem Jahr 1993 (Rauscher, Shaw und Ky, 1993). Grundlage dieser Publikation ist ein Modell, das der Physiker Gordon Shaw bereits in anderen nicht minder angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht hatte (Shaw, Silverman und Pearson, 1985). Zentrale Annahme dieses Modells ist, dass eine Reihe von Denk- und Wahrnehmungsprozessen mit ganz spezifischen Aktivierungsmustern im Gehirn gekoppelt seien. Diese Aktivierungsmuster sollen im Hinblick auf ihre räumliche Verteilung (symmetrisch um den Aktivierungsfokus) und ihre zeitliche Entwicklung spezifisch sein. Diese Überlegung wird anhand des von Shaw vorgeschlagenen Trionen-Modells mit Grundprinzipien der menschlichen Neuroanatomie in Verbindung gebracht. Grundannahme dieses Modells sind die «Trione». Der Begriff «Trione» wurde ursprünglich von Gordon Shaw geprägt und soll Teile von kortikalen Kolumnen beschreiben. Kortikale Kolumnen sind senkrecht angeordnete Säulen in der Hirnrinde, in denen die Nervenzellen zu funktionellen Einheiten zusammengeschaltet sind. Die einzelnen Trione sind wiederum zu größeren Netzwerken (Trionennetzwerken) zusammengeschlossen. Diese Gruppe von Kolumnen kann viele raum-zeitliche Aktivierungsmuster annehmen. Damit ist gemeint, dass durch unterschiedliche Aktivierungsmuster verschiedene Trione zu unterschiedlichen Zeitpunkten aktiv werden können. Nicht nur das raum-zeitliche Aktivierungsmuster kann sich ändern, sondern auch die Aktivitätsstärke. So sollen mindestens drei Aktivitätsstärken, nämlich durchschnittlich, unterdurchschnittlich und überdurchschnittlich, möglich sein. Je nach Aktivierungsmuster sollen verschiedene Gedächtnisfunktionen mehr oder weniger besser ablaufen. Shaw geht davon aus, dass für verschiedene intellektuelle Leistungen bestimmte Aktivierungsmuster von Trionennetzwerken typisch seien. Je nach durchgeführter intellektueller Leistung sollen diese neuronalen Aktivierungsmuster in ganz bestimmten Hirngebieten auftreten. Grundsätzlich werden im Rahmen dieses Modells zwei unterschiedliche Typen des Denkens bzw. von intellektuellen Funktionen unterschieden, die jeweils mit unterschiedlichen raum-zeitlichen Hirnaktivierungsmustern einhergehen sollen: (1) das so genannte räumlich-zeitliche (spatialtemporal: ST) und (2) das sprachlich-analytische (language-analytic: LA) Denken. Beide Denktypen sollen grundlegend für unser Problemlösen und unsere Kreativität sein. Hierbei sollen beide Denktypen abwechselnd als Strategien eingesetzt werden. Die sprachlich-analytische Strategie soll vor allem dann eingesetzt werden, wenn wir Probleme lösen und zu quantitativen Ergebnissen kommen. Die Strategie des räumlichzeitlichen Verarbeitens soll dann zum Einsatz kommen, wenn wir mentale Bilder verarbeiten und diese auch zum Lösen von zukünftigen oder gegenwärtigen Problemen nutzen (z.B. beim Schach, wenn mehrere Züge im Voraus geplant werden). Die interessante (allerdings vereinfachende) Annahme von Shaw ist, dass räumlich-zeitliche Verarbeitungsmuster grundlegend für einige kognitive Prozesse seien. So sollen mathematisches Schlussfolgern, logisches Denken und die Verarbeitung bzw. Wahrnehmung bestimmter Musikstücke eher durch ganz bestimmte räumlich-zeitliche Aktivierungsmuster in bestimmten Hirnregionen gefördert werden. Der Kern der Überlegung ist, dass diese jeweils spezifische Hirnaktivierung zu eher bildhaften Verarbeitungsstrategien (wie Vorstellung, Visualisierung etc.) führt. Um dies zu erläutern, führt Shaw Beispiele von außergewöhnlichen Menschen an, die infolge ihrer besonderen Fähigkeit mit solchen visuellen Vorstellungsstrategien außerordentliche Leistungen erbracht hätten. So wird eine Autistin dargestellt, die aufgrund ihrer hervorragenden Fähigkeit, sich mental Bilder vorzustellen, zu bemerkenswerten neuen Erkenntnissen in der Viehhaltung gekommen sei, weil sie sich in die Lage habe versetzen können, quasi virtuell als Tier durch die Tierhaltungsanlagen zu streifen. Im Zuge solcher Darstellungen kommt Shaw zu dem Schluss, dass Mathematik und Musik Gemeinsamkeiten hätten. Als Beleg führt er unter anderem an, dass die «alten» Griechen Musik als einen der vier Zweige der Mathematik aufgefasst hätten. Des Weiteren gibt er an, dass schon bekannt sei, dass eine Korrelation zwischen Musik- und Mathematikleistungen bestehe. Durch diese inhaltliche Nähe führe die Stimulation mit Musik zu einer räumlich-zeitlichen Hirnaktivierung, die ähnlich jener sei, welche auch beim optimalen Lösen von Mathematikaufgaben vorteilhaft ist. Aber warum gerade Mozart-Musik? Shaw gibt an, deshalb gemeinsam mit Frances Rauscher Mozart-Musik gewählt zu haben, weil Wolfgang Amadeus Mozart bereits im Alter von vier Jahren komponiert habe, ohne eine Note seiner Niederschriften zu korrigieren. Offenbar wird dies als Hinweis auf seine außergewöhnlichen Fähigkeiten im Hinblick auf die Visualisierung von Noten und die daraus abgeleitete Lern- und Speicherfähigkeit herangezogen. Aus diesem Grunde sind sie offenbar davon ausgegangen, dass die vermuteten außergewöhnlichen visuellen Fähigkeiten von Wolfgang Amadeus Mozart sich auch in der von ihm komponierten Musik niedergeschlagen hätten. Des Weiteren sollte wohl...



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