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E-Book

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

Reihe: Praktischer Journalismus

Jakubetz Crossmedia


2. überarbeitete Auflage 2011
ISBN: 978-3-7445-0268-9
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

Reihe: Praktischer Journalismus

ISBN: 978-3-7445-0268-9
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die Zukunft des Journalismus ist crossmedial: Reporter schreiben einen Bericht für ihre Zeitung, drehen beim Termin vor Ort ein kurzes Video für das verlagseigene Fernsehen und formulieren auch noch den Teaser für den Webauftritt. Crossmedia ist aber keine 1:1-Reproduktion von Inhalten in verschiedenen Medien – es bedeutet vielmehr, dass man sich über den richtigen Content im richtigen Kontext Gedanken machen muss. Wie dies geht, zeigt der Autor in diesem Buch systematisch und anhand von zahlreichen Beispielen aus der Praxis. Er holt die Journalisten in Zeitungen, Radio, Fernsehen oder Internet ab und vermittelt ihnen die notwendigen Kenntnisse, die sie benötigen, um über die Mediengrenzen hinweg zu publizieren und Texte, Fotos, Audios und Videos miteinander zu vernetzen. Dabei geht es nicht nur um neue Technologien, sondern darum, die angemessenen journalistischen Darstellungs- und Stilmittel für die jeweilige Zielgruppe einzuSetzen. Die zweite Auflage wurde überarbeitet und um ein Kapitel zum Thema 'Soziale Netzwerke' bzw. 'Soziale Medien' erweitert.

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[44][45]2   Texten – für wen eigentlich? Man hatte es in früheren Jahren als Journalist wirklich ein wenig leichter. Man wusste, für wen man arbeitete, hatte ziemlich klare Vorgaben und mit der Zeit auch seine Erfahrungen. Vor allem diejenigen, die sich zur klassischen schreibenden Zunft zählten, hatten es vergleichsweise gut: kaum eine Darstellungsform, für die es nicht deutliche Richtlinien gab, wie man zu schreiben hatte. Der multimedial arbeitende Journalist hat es da schon schwerer, selbst wenn er immer nur für einen Arbeitgeber bzw. Auftraggeber produzieren sollte. Texte für ein Printmedium, das Internet, mobile Medien, Fernsehen und Radio haben derart unterschiedliche Anforderungen, dass es nicht damit getan ist, einen einmal geschriebenen Text lediglich zu kopieren oder aber ihn mit geringen Modifikationen versehen wiederzuverwenden. Bevor im Einzelnen darauf eingegangen wird, wo welche Unterschiede liegen und wie man den Erfordernissen der verschiedenen Mediengattungen am besten gerecht werden kann, eine grundsätzliche Anmerkung: Seit sich das Internet zu einem ernst zu nehmenden Medium – das womöglich auf dem Weg zum Leitmedium Nummer eins ist – entwickelt hat, gibt es zahlreiche Diskussionen und auch entsprechende Bücher, Seminare und Ratgeber, wie denn für das Web am besten zu texten sei. Der Theorien dazu gibt es viele, basierend u. a. darauf, dass Lesen am Bildschirm deutlich schwieriger und zudem das Scrollen einer Seite eher unerwünscht beim User sei. Deswegen – und aus einer Reihe anderer Gründe heraus – müsse man kürzer, prägnanter, einfacher texten als für eine gedruckte Zeitung beispielsweise. Manche Seminaranbieter propagieren eine Woche lang Texten fürs Web und erschöpfen sich dabei hauptsächlich in der Theorie, man müsse erst einmal schöne Teaser schreiben, die dann zum Weiterklicken animieren. Wenn dies überhaupt irgendeinen journalistischen (Mehr-)Wert haben sollte, dann höchstens den, dass man damit die Klickzahlen in die Höhe treiben kann. Aus journalistischer Sicht kann man solche Theorien schnell beiseitelegen, zumal das Prinzip, mit einer guten Einleitung Lust auf Mehr zu machen, beim besten Willen nichts Neues ist. Dass man ziemlich schnell am Anfang dem Leser einen Anreiz geben sollte, um weiterzulesen, lernen Volontäre bei Tageszeitungen schon seit vierzig Jahren. Auch die Tatsache, dass Aufnahmebereitschaft und Konzentration von Lesern auf einen einzigen Text ein begrenzt vorhandenes Gut ist, kennt [46]man schon seit Jahrzehnten, als die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen bei Tageszeitungen ans Licht brachten, dass nach den berühmten 80 Zeilen die Aufmerksamkeit nachlässt und man theoretisch nach 120 Zeilen mit seinen Gedanken ziemlich allein ist. Demzufolge übrigens dürfte es eine Zeitung wie die »Zeit« eigentlich nie gegeben haben. Und spätestens, wenn man sich die grundlegenden Unterschiede zwischen einem Protokoll und einem Bericht ansieht, stellt man fest, dass das Wichtigste, Spannendste und Interessante nun einmal vorne zu stehen hat. Dass inzwischen einige Online-Angebote dazu übergegangen sind, dem Leser in Teasern bestimmte Informationen nach dem Cliffhanger-Prinzip vorzuenthalten (»Ein deutscher Nationalspieler zog sich eine Verletzung zu«) ist vermutlich ausschließlich dem Umstand geschuldet, dass man den User zum Weiterklicken animieren will. Einen wirklichen, relevanten, journalistischen Grund dafür gibt es nicht und einen online-spezifischen schon gleich gar nicht. Dass solche stilistischen Spleens irgendwann ziemlich nervend und gelegentlich peinlich wirken (nämlich dann, wenn der Name des verletzten Nationalspielers bereits in der Überschrift verraten wird), steht dann noch einmal auf einem ganz anderen Blatt. Bitte also die Grundsätze des guten Textens, die seit vielen Jahren weitgehend unumstößlich fest stehen, weiter berücksichtigen – dann wird auch in den Neuen Medien nichts schiefgehen. Natürlich kann man grundsätzlich nichts gegen Cliffhanger sagen, wenn sie tatsächlich einer Geschichte in irgendeiner Weise dienlich sind. Aber die Auffassung, das Schreiben von Cliffhangern seine eine besondere Spezifikation, ein Wesensmerkmal des Online-Journalismus, ist grundlegend falsch. Das ist lediglich journalistisches Handwerk und solches muss man so oder so lernen bzw. beherrschen, ganz egal, ob nun online oder offline. Soweit erst einmal und grob verkürzt die Theorie. Aber auch in der Praxis lässt sich diese Theorie nur schwerlich behaupten und belegen – schlichtweg deswegen, weil ein tragfähiger Beweis dafür noch nicht erbracht worden ist. Textlastige Angebote wie zeit.de oder perlentaucher.de haben über Jahre hinweg ihr Publikum gefunden. Vermutlich eines, dass auch in der Offline-Welt in der Lage und auch willens ist, längere und durchaus komplexe Textstrecken zu lesen und zu verstehen. Wenn man den Gedanken von Medienmarken und crossmedialen Verzahnungen wirklich ernst nimmt, dann wäre es ziemlich abenteuerlich zu glauben, dass der in Sachen Textlänge einiges gewohnte Zeit-Leser plötzlich nur noch in Häppchen lesen und denken kann, nur weil er plötzlich an einem Bildschirm sitzt. Was übrigens, nebenbei bemerkt, auch für andere Darstellungsformen gilt; die »Zeit« bietet online auch manchmal Audio- und Videofiles von ganz beachtlicher [47]Länge an. Ein Kausal-Zusammenhang zwischen der Länge von Texten und deren Erfolg besteht also so pauschal erst einmal nicht und kann vermutlich auch nicht hergestellt werden. Es ist also eher sinnvoll, in Zielgruppen zu denken und an diesen Zielgruppen die Länge und die Art der Texte zu orientieren als an der Überlegung, dass man möglicherweise am Schirm etwas langsamer und vielleicht auch ein bisschen weniger gerne liest als auf Papier. Eine grundsätzliche Anmerkung zum Texten: Man kann vermutlich mühelos eine wissenschaftliche Theorie entwerfen, wonach Sätze mit mehr als einer bestimmten Zahl von Wörtern schlechter zu lesen sind als Sätze mit weniger Wörtern. Vermutlich lässt sich auch noch halbwegs wissenschaftlich begründen, warum mehr als zwei Kommata pro Satz dem Lesevergnügen eher abträglich sind. Letztendlich lässt sich aber die Qualität von guten Texten, von sauberer, les- und genießbarer Sprache kaum in wissenschaftliche Formeln packen. Der Versuch, einen Text zu komponieren und dabei gleichzeitig immer auf die vermeintlichen zehn goldenen Regeln des guten Textens zu schielen, wird ziemlich schnell auffliegen als ein theoretisches, lebloses und schließlich uninteressantes Konstrukt. Ein guter Text zeichnet sich auch dadurch aus, dass er lebt. Wer lebt, hat Ecken, Fehler, Kanten. Was also letztendlich als kleines Plädoyer dafür zu verstehen ist, eigenen Stil zu entwickeln, gegebenenfalls auch gerne auf Kosten der vermeintlich reinen Lehre. Heißt also zusammengefasst: Auch im Netz entscheidet zunächst einmal die Qualität eines Textes über seine Akzeptanz. Und übrigens: Ein heillos verschachtelter Satz liest sich auch gedruckt nicht so schön, als dass man ihn kritiklos stehenlassen könnte. Ganz egal, ob im Netz oder auf Papier. Gute Sprache ist nicht von ihrem Trägermedium abhängig. Wenn also nachfolgend nicht die Rede von einem expliziten »Texten fürs Web« die Rede ist, dann mit voller Absicht und aus gutem Grund. 2.1  Texten fürs Lesen Texten fürs Lesen trifft es da schon besser. Man muss in diesem Zusammenhang sicher nicht alles wiederholen, was Journalisten, Germanisten, Sprachkritiker und Wissenschaftler über dieses Thema schon alles verfasst haben, aber ein paar [48]Dinge darf man ruhig noch mal in Erinnerung rufen und sich vor Augen halten: Beispielsweise, dass lange Sätze nicht automatisch gute Sätze sind. Dass man mit Fremdwörtern sehr behutsam umgehen sollte (und neuerdings muss man als eiserne Regel hinzufügen: dass »Denglisch« unbedingt zu vermeiden ist). Dass Adjektive sparsam einzusetzen sind und dass es für Sätze, die mit mehreren Kommata voneinander abgetrennt sind, eine wunderbar einfache Regelung gibt: Was nicht in einen Satz passt, passt eben in zwei. Punkt. Einfachheit spielt beim Texten übrigens ebenfalls eine erhebliche Rolle. Einfachheit, die nicht mit Banalität zu verwechseln ist. Das Prinzip der Einfachheit verlangt lediglich, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Schnörkel und Sprachgirlanden strikt zu verbannen, ebenso wie lange, gewundene und letztlich nicht zielführende Schwurbeleien. Nicht ist einzuwenden gegen gesunden Wortwitz, gegen sprachliche Finessen, gegen eigene stilistische Entwicklungen. Weitverbreitetes Missverständnis übrigens: Menschen, die einen Text lesen, könnten ja noch einmal zurücklesen, wenn sie etwas nicht verstünden. Theoretisch könnten sie das, stimmt. Allerdings: Achtzig Prozent machen das nicht. Was sie stattdessen tun? Aussteigen. Für immer und ewig. Von dem her: Schreiben Sie bitte so, dass man Sie auch versteht. 2.2  Texten fürs Hören Texten fürs Hören ist eine ganz andere Sache. Wenn man einen Text für einen Podcast oder einen konventionellen Radiobeitrag schreibt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Hörer eine Möglichkeit nicht hat: Er kann nicht »zurückhören«. Der Hörer ist demnach zwingend darauf angewiesen, jeden Satz auf Anhieb zu verstehen. Tut er das nicht, wird ihm irgendwann während des Beitrags die Lust fehlen, noch weiterzuhören. Kleine Einschränkung: Nachdem mit Podcasting eine Art »Radio zum Mitnehmen« entstanden ist, können zumindest Podcast-Nutzer theoretisch zurückspulen und noch mal nachhören. Dass sie es auch tun, darauf sollte man sich aber nicht verlassen. Es gibt zwar noch keine derart belastbaren Studien wie beispielsweise bei den...


Christian Jakubetz lebt als Autor, Dozent und Berater in Zürich. Seine journalistische Laufbahn führte von Tageszeitungen über das ZDF und N24 bis zu SevenOne Intermedia.



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