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E-Book

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

jr. Wendepunkte

Wie ich Kraft aus der Veränderung geschöpft habe
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8338-8161-9
Verlag: Gräfe und Unzer Autorenverlag ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie ich Kraft aus der Veränderung geschöpft habe

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

ISBN: 978-3-8338-8161-9
Verlag: Gräfe und Unzer Autorenverlag ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hardy Krüger Jr. ist ein Weltenbürger. Geboren in der Schweiz, aufgewachsen in Tansania und am Starnberger See, zog es ihn hinaus in die Welt, von Berlin nach New York, von Sankt-Peter-Ording bis nach Australien. Dass sein Lebensweg nicht nur von überraschenden Abzweigungen, sondern auch von vielen Aufs und Abs geprägt wurde, erzählt er in seinem Buch. Neben vielen unvorhergesehenen Wendungen, kam Krüger Jr. auch dem Tod mehrmals nahe.
Heute weiß er, dass sein »zweites Leben« auf der Fähigkeit fußt, nach vorn zu sehen. Krüger Jr. begegnet den Ambivalenzen des Lebens mit mehr Gelassenheit und sieht jeden Tag als Geschenk. Seinen Leserinnen und Lesern zeigt er wie man Lebensfreude zurückerlangt und Kraft für neue Projekte hat.

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Weitere Infos & Material


Hinweis zur Optimierung
Impressum
Vorwort
Widmung
Kapitel 1 – Lugano, Schweiz
Kapitel 2 – Momella, Tansania
Kapitel 3 – Madrid, Spanien
Kapitel 4 – Starnberg, Deutschland
Kapitel 5 – München, Deutschland
Kapitel 6 – Westberlin, Deutschland
Kapitel 7 – New York, USA
Kapitel 8 – München, Deutschland
Kapitel 9 – St. Peter-Ording, Deutschland
Kapitel 10 – Brisbane, Australien
Kapitel 11 – Cannes, Frankreich
Kapitel 12 – Passau, Deutschland
Kapitel 13 – Bangkok, Thailand
Kapitel 14 – Kitzbühel, Österreich
Kapitel 15 – Stockholm, Schweden
Kapitel 16 – Frankfurt, Deutschland
Kapitel 17 – Na-hi, Myanmar
Kapitel 18 – Linz, Österreich
Kapitel 19 – Hamburg, Deutschland
Nachwort
Danksagung
Endnoten
Der Autor


Kapitel 2


S3°03'32.7" E37°22'27.4"

Momella, Tansania

Ich bin ein Naturmensch. Am liebsten würde ich den ganzen Tag an der frischen Luft und im Freien verbringen, irgendwo da, wo Wiesen, Wälder oder Wüsten sind. Deswegen habe ich mich in Afrika auch immer wohlgefühlt. Bis heute ist es so, dass mich ein beruhigendes Gefühl des Ankommens ergreift, sobald mein Fuß das erste Mal nach langer Zeit wieder afrikanischen Boden berührt.

Afrika lässt einen nicht kalt – man liebt es oder man hasst es. Dazwischen ist nicht viel. Mich fasziniert dieser Kontinent voller Widersprüche. Schön und hässlich, laut und leise, ablehnend und willkommen heißend. Nirgendwo sonst klingt die Stille so wie in Afrika. Es ist niemals wirklich leise, selbst wenn nichts zu hören ist. Irgendwo rollt eben doch ein Mistkäfer seine Kugel zusammen, knackt ein Zweig, ruft ein Vogel, bricht ein Elefant durchs Unterholz oder zerreißt der Ruf einer Wildkatze die Nacht. Afrika spricht alle Sinne an. Es stinkt, blendet, kreischt, aber duftet auch, erfüllt und begeistert.

Sieben Jahre vor meiner Geburt, im Sommer 1961, übernahm mein Vater die männliche Hauptrolle in , einem deutschen Film, der die Geschichte von Karl und Christine erzählt. Der junge Mann aus dem Westen verliebt sich in Berlin in eine Ostdeutsche und hilft ihr, das Land zu verlassen. Mein Vater wollte in diesem Film seiner Heimatstadt ein Denkmal setzen – nur leider kam ihm der Mauerbau dazwischen. Denn mitten in den Dreharbeiten beschloss die sozialistische Führung, das Land abzuriegeln, allen »Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten«-Dementis zum Trotz.

Aber wie heißt es so schön? Ein Dementi ist der verzweifelte Versuch, die Zahnpasta zurück in die Tube zu bekommen. Es begann mit einem Stacheldrahtzaun, nur wenige Tage später folgten die ersten Mauersteine. Für meinen Vater war dies ein einschneidendes Erlebnis und derart traumatisierend, dass er Berlin nach Ende der Dreharbeiten für Jahrzehnte nicht mehr besuchte. Er verließ jedoch nicht nur die Stadt – er verließ auch Deutschland. Stattdessen ließ er sich in der Schweiz nieder, reiste durch die Welt, stürzte sich in die Arbeit und drehte in den Vereinigten Staaten, in Frankreich und in Afrika.

Im selben Jahr, in dem gefilmt wurde, übernahm mein Vater eine Rolle in einer internationalen Produktion mit Stars wie John Wayne und Elsa Martinelli im ostafrikanischen Tanganjika, dem heutigen Tansania. Mein Vater verliebte sich Knall auf Fall in die Region Momella am Rande des Arusha-Nationalparks. Dicht bewaldete, sanft geschwungene Hügel erheben sich dort über die weitläufige Ebene. Alle Schattierungen von Grün und Blau sind in diesem Bild wie in einem Ölgemälde da Vincis komponiert: Im Hintergrund, kaffeebohnenbraun, fast schwarz, erheben sich die Konturen der Hochebene, davor breitet sich ein fruchtbarer, satter Teppich aus unterschiedlichsten Blattwerken aus. Wenn die in Ostafrika allgegenwärtige Wolkendecke am Himmel wie ein Bühnenvorhang aufreißt, verwandeln sich die Sonnenstrahlen in riesige Filmscheinwerfer und bringen die Farben im Tal zum Leuchten. Auftritt für den eigentlichen Hauptdarsteller: Gegenüber den Hängen ragt das Kilimandscharo-Massiv in den Himmel, gekrönt vom höchsten Gipfel Afrikas, dem Kibo, auf dem das ganze Jahr über Schnee liegt.

Das Momella-Tal hat schon viele in seinen Bann gezogen. 1906 entdeckte die deutsch-britische Margarete Trappe aus Schlesien das Gebiet östlich des Kilimandscharo für sich und beschloss, hier eine neue Heimat zu finden. Sie gründete eine Farm und wechselte nach dem Ersten Weltkrieg sogar die Staatsbürgerschaft, um in Tansania bleiben zu dürfen. Weil sie sich, im Gegensatz zu den meisten anderen Weißen, die Afrika kolonisierten, der einheimischen Bevölkerung gegenüber sehr gerecht verhielt, wurde sie im Land bekannt. Bald nannte man sie die »Mutter der Massai«.4

Ihre Farm war es, die Paramount Pictures 1961 für die Produktion von kaufte. Hier spielt sich im Film das Leben der harten Männer ab, die tagsüber auf der Jagd nach Elefanten, Nashörnern, Löwen und Giraffen sind, um sie in amerikanische Zoos zu bringen, und sich nach Feierabend vorrangig von Whiskey und filterlosen Zigaretten ernähren und über junge Damen philosophieren, die langsam zur Frau heranwachsen. Das Rangerleben, das der Film proklamierte, war hart, es roch nach Schweiß, Draufgängertum und Gefahr. eben, was auf Suaheli nichts anderes als »Achtung, Gefahr!« heißt (wobei ich mich zeit meines Lebens gefragt habe, ob die Gefahr von der Wildnis, dem Whiskey oder den harten Kerlen ausging).

Noch während der Dreharbeiten erwarb mein Vater die Momella Game Lodge. Er wollte sichergehen, immer wieder an diesen bezaubernden Flecken Erde zurückkehren zu können. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Briten Jim Mallory, baute er die Lodge zu einem Hotel um, indem sie acht weiße Rundhütten mit Bananenblattdächern rund um das große Farmhaus errichten ließen. Auch für das leibliche Wohl war dank Hühner- und Schweineställen sowie eigener Schlachterei gesorgt. Da kurze Zeit später ein Flughafen in unmittelbarer Nähe eröffnete, kamen die Urlauber aus Deutschland in Scharen. Die Lodge war berühmt, denn war Kult geworden, und jeder, der es sich leisten konnte, flog nach Afrika. Die fremde Kultur lockte, noch dazu hoffte ein mancher, den Eigentümer der Lodge nach einem aufregenden Tag voller Safari, Staub und Sonnenschein an der Bar anzutreffen und seine Trinkfestigkeit herauszufordern.

Oberhalb der Momella Lodge lagen die Privathäuser von Mallory, seiner Frau Ulla und Tochter Tanja sowie der Familie Krüger. Wir waren in meiner frühesten Kindheit häufig in Tansania, meist für mehrere Wochen oder gar Monate. Ich erinnere mich an vieles, obwohl ich noch so jung war, gebe jedoch zu, dass es auch der Bildberichterstattung der damaligen Zeit und den Erzählungen meiner Eltern geschuldet sein kann, die sich mit meinen tatsächlichen Erinnerungen vermischen.

Vieles aus meiner Kindheit wurde dokumentiert, gefilmt und in Wort, Bild und Ton in die weite Welt hinausgetragen. Das meiste aus meinem Leben war bekannt, bevor ich es selbst verstehen konnte – ein tragisch-komischer Nebeneffekt des Berühmtseins, in das ein junger Mensch erst hineinwachsen muss. Man begegnet nicht nur Leuten, die einen schon kennen, seitdem man laufen kann, sondern kommt auch an Orte, die dich nie vergessen. An manchen Tagen fühlte es sich für mich an, als wenn ich in mein eigenes Leben hineingestolpert wäre, das ein anderer bereits für mich gelebt hatte. Ein verwirrendes Spiel, besonders wenn man jung ist und die eigene Identität sucht. Andauernd feiert man ein Wiedersehen mit Menschen oder Orten, die sich schon mit dir verbunden fühlen und als Teil deines Lebens betrachten, bevor dein Verstand begreifen kann, was gerade passiert. Jeder meint, dich zu kennen, doch in Wahrheit kennt dich kaum jemand.

Was ich noch ganz genau weiß: Wenn wir in Afrika waren, hatten wir stets Spielkameraden aus dem Volk der Massai. Wir vergnügten uns, unabhängig von Sprachbarrieren oder kulturellen Unterschieden, stunden-, ja tagelang an einem großen Baum auf dem Gelände nahe den Gemüse- und Kräutergärten, kletterten auf ihm herum, fesselten uns an seinen Stamm beim Räuber-und-Gendarm-Spiel und dösten im Schatten seiner ausladenden Äste. Zwei weißblonde Kinder unter vielen dunklen mit krausem Haar. Wir waren den ganzen Tag an der frischen Luft, jedoch stets in Rufweite zum Farmhaus, denn Afrika ist gefährlich. Überall lauern wilde Tiere, giftige Insekten, angriffslustige Schlangen, Gefahren eben, ! Auch um den Geparden Sonya, der nach Beendigung der Dreharbeiten auf der Lodge geblieben war, machten wir immer einen großen Bogen. So zahm Sonya auch war und sosehr ihr geflecktes Fell in der Sonne glänzte: Unsere Eltern hatten uns eingeimpft, dass der Gepard immer noch ein Raubtier war und kleine Kinder in seiner Nähe nichts zu suchen hatten. Immerhin eine Sache, an die wir uns hielten – wohl auch aus Furcht und dem unbestimmten Gefühl, dass Mutter und Vater mit ihrer Warnung ausnahmsweise einmal recht haben könnten.

Ein einheimischer Junge wuchs mir in Momella besonders ans Herz. Er hieß Saidu, was so viel wie »der Glückliche« heißt. Und tatsächlich, ich habe nie einen glücklicheren Menschen als Saidu gesehen. Eines Tages nahmen wir ihn für ein paar Wochen mit nach Brixen in Südtirol. Dort hatte mein Vater ein paar Jahre zuvor eine kleine Skihütte gebaut, in der wir häufig mehrere Wochen im Winter verbrachten. In den norditalienischen Alpen gab es oft so viel Schnee, dass nur noch das Dach und der Schornstein unter den zentnerschweren Massen hervorragten.

In Brixen hatten wir Skifahren gelernt. Zuerst zwischen den Beinen meines Vaters, später im Kurs. Jeder Kurs endete mit einem kleinen Rennen, und natürlich gab es bereits unter den Kindern Konkurrenz. Alle wollten den ersten Platz belegen. Das gefiel meinem Vater, denn ich glaube, er hatte vor, einen Siegertypen aus mir zu machen. Doch ich war eher ein Schöngeist – und vermutlich das einzige Kind im Skikurs, das sich nicht für das Rennen interessierte. So kam es, dass ich bei einem Wettbewerb zwar von der Starthütte oben auf dem Berg vielversprechend startete, unten aber nie ankam. Die Sorge meiner Eltern war groß. War ihrem kleinen Jungen etwas passiert? Hatte er einen Unfall gehabt? Man machte sich auf die Suche nach mir und fand mich schließlich unter einem Baum liegend. Die Skier hatte ich abgeschnallt und in den Boden gesteckt, das Gesicht in Richtung Himmel gerichtet. Die...



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