E-Book, Deutsch, 436 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm, Gewicht: 828 g
Jüttner Die Kunst erfolgreicher Compliance
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8005-9482-5
Verlag: Fachmedien Recht und Wirtschaft in Deutscher Fachverlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine realistische Sicht auf wirksames Compliance-Management
E-Book, Deutsch, 436 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm, Gewicht: 828 g
Reihe: CB - Compliance Berater Schriftenreihe
ISBN: 978-3-8005-9482-5
Verlag: Fachmedien Recht und Wirtschaft in Deutscher Fachverlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Suche nach den Erfolgsfaktoren einer wirksamen Compliance kann Manager durchaus überfordern, aber auch mit einer gewissen Ratlosigkeit zurücklassen. Einerseits werden standardisierte Compliance Systeme propagiert, andererseits immer wieder neue „best practice“ Compliance Methoden zur Umsetzung empfohlen.
Der Autor zeigt vor diesem Hintergrund weniger auf, wie man „gute Compliance“ tätigt, sondern wie man „schlechte Compliance“ vermeidet. Unter anderem wird dargelegt, warum eine Compliance-Kultur nicht gestaltbar, aber beeinflussbar ist, warum kompliziert nicht die kleine Schwester von komplex ist und warum Loyalität sowie Vertrauen durchaus Zutaten unternehmenskrimineller Handlungen sein können.
Mit dem Werk erlangen Compliance Officer das Rüstzeug, Compliance beherrschbar und effektiv zu managen.
Zielgruppe
Compliance-Manager, Compliance-Officer, Compliance-Beauftragte, Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Kommunikationsagenturen, Wissenschaftsinstitute, Managementberater
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
I. Anstelle eines Vorworts
A. Ein etwas anderer Compliance-Ratgeber
„Wenn alle das Gleiche denken, denkt keiner richtig.“ (Unbekannt) Die Erwartungen und Anforderungen an die Corporate Compliance nehmen stetig zu, unabhängig davon, ob man diese Entwicklung begrüßt oder bedauert. In ihren Anfängen teilweise als alter Wein in neuen Schläuchen oder als Binsenweisheit belächelt, ist Compliance inzwischen unstreitig eine kritische Managementfunktion. Die Folgen ihres Scheiterns hat enorme negative Konsequenzen, nicht nur für Mitarbeiter und Führungskräfte, sondern auch für Unternehmen, Organisationen und die Gesellschaft. Umso überraschender ist es, dass Phänomene zu beobachten sind, die der herausragenden Managementfunktion der Compliance nicht gerecht werden und sogar zum Misserfolg dieser Disziplin beitragen können. Zum einen ist es die – oft implizite – Gleichsetzung von vorwiegend juristischen und betriebswirtschaftlichen Fachkenntnissen mit Management-Know-how. Dabei besagt die mitunter ausgezeichnete Fach- und Sachkompetenz nicht zwingend etwas aus, wie Compliance in einer Organisation wirksam zu managen ist. Auch wird teilweise von denjenigen, die Compliance-Standards oder den „Faktor Mensch“ in das Zentrum der Compliance-Bemühungen stellen, übersehen, dass es bei der Corporate Compliance nicht um den Menschen als solchen geht, sondern um Organisationen und um Menschen in Organisationen. Doch damit nicht genug, gibt es inzwischen eine fast unüberschaubare Menge an Empfehlungen, wie Regel- und Gesetzestreue sowie Integrität erfolgreich um- und durchgesetzt werden können. All diese Umstände können somit jemanden, der Compliance zu managen hat, durchaus überfordern: Welche der empfohlenen Maßnahmen sind nun tatsächlich Erfolg versprechend? Auf welches der vielen Konzepte ist Verlass? Warum treten Compliance-Skandale auch in Unternehmen auf, die sogenannte Best-Practice-Compliance-Programme vorweisen konnten? Warum scheinen auch Compliance-Standards, Compliance-Zertifizierungen und Compliance-Auszeichnungen keine Erfolgsgaranten zu sein? Ich möchte mit diesem Buch Antworten auf die aufgeworfenen Fragen und anskizzierten Phänomene geben. Dabei ist mein Blickwinkel als Praktiker auf erfolgreiche Compliance im Vergleich zu den anderen – herkömmlich juristischen und betriebswirtschaftlichen – Handlungsempfehlungen in zweifacher Hinsicht ein anderer: Ich werde Ihnen in diesem Buch weniger Anregungen und Empfehlungen geben, wie man gute Compliance managt, sondern vielmehr, wie man schlechtes Compliance-Management vermeidet; denn es gibt mehr Möglichkeiten, etwas falsch zu machen, als es richtig zu tun. Dieser sogenannte negative Ansatz entspricht dem kritischen Rationalismus Karl Poppers und findet Unterstützung in nichts Geringerem als der Wirklichkeit. Im Leben generell und in der Compliance im Besonderen wird Erfolg zunächst dadurch erreicht, indem man „kein Dummkopf ist“.2 Eine der für die Praxis relevantesten Erkenntnisse ist daher, all das zu entfernen, was grundsätzlich falsch ist. „Wir wissen wesentlich besser, was falsch, als was richtig ist, oder – formuliert vor dem Hintergrund der Fragil/Robust-Klassifikation – negatives Wissen (Was ist falsch, was funktioniert nicht?) ist robuster gegen Irrtümer als positives Wissen (Was ist richtig, was funktioniert?). Wissen wächst also wesentlich eher durch Subtraktion als durch Addition: Was wir heute wissen, kann sich morgen als falsch erweisen, aber etwas, von dem wir wissen, dass es falsch ist, kann sich nicht – jedenfalls nicht so ohne Weiteres – als richtig herausstellen.“3 Zum anderen wird Compliance in diesem Buch als inter- oder besser als transdisziplinäre Kompetenz verstanden, die sich keineswegs nur mit juristischem und betriebswirtschaftlichem Wissen erfolgreich managen ließe. Denn die zunehmende Spezialisierung schafft „ein System aus parallel verlaufenden Gräben [...] Alle buddeln immer tiefer in ihrem eigenen Graben, richten sich aber selten auf, um über ihren aufgeworfenen Erdwall in den Nachbargraben zu blicken, selbst wenn die Lösung zu ihrem Problem dort zu finden ist.“4 So ist die Corporate Compliance, wie bereits der Begriff zum Ausdruck bringt, in ein komplexes unternehmerisches Umfeld eingebettet. Unternehmen sind als Organisationen entscheidungsbasierte soziale Systeme5, „complex adaptive systems“6 bzw. „decision machines“7, das heißt, alles, was sich in Organisationen abspielt, geschieht in Form von Entscheidungen. Ob nun ein neues Produkt entwickelt, ein Markteintritt vorbereitet, ein Projekt gestartet, Personal gesucht wird usw. – es handelt sich immer um Entscheidungen. Insofern wäre auch gesetzes-, regelwidriges oder unethisches Unternehmensverhalten eine Entscheidung der Organisation und ihrer Mitglieder.8 Der Nobelpreisträger Kahnemann stellt dann auch fest: „Whatever else it produces, an organization is a factory that manufactures judgements and decisions.“9 Dieser Umstand impliziert für eine wirksame Coporate Compliance nicht nur Wissen, wie Entscheidungen innerhalb von Organisationen zustande kommen und wie man falsche Entscheidungen von deren Mitarbeitern und Führungskräften erkennt, vermeidet und abstellt. Wichtig ist auch ein Verständnis darüber, dass Unternehmen als Organisationen mehr und etwas anderes sind als die Summe ihrer individuellen Mitglieder. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass deviantes Verhalten von Organisationen nicht des Teufels Zeug ist, sondern eine Organisation am Leben hält. Das Buch wird also nicht das zusammenfassen, was bereits andernorts in der klassischen Compliance-Landschaft thematisiert wurde, sondern einen anderen Zugang zur Compliance aufzeigen. Dieser negativ-transdisziplinäre Denkansatz führt dann zu einer anderen Qualität des Wissens, des Verstehens und damit letztlich auch zu einer Erfolg versprechenderen Herangehensweise. B. Annahmen sind die Mutter aller Schlamassel
„Unternehmen und die sie beaufsichtigenden Regulierungsbehörden gehen davon aus, dass Compliance-Verstöße einer Normalverteilung folgen, die auf individuellem Fehlverhalten beruht [...] Das einzige Problem mit dieser Annahme ist, dass sie falsch ist.“ (T. Haugh)10 Corporate Compliance, genauer das, was als Best-Practice- oder Must-have-Compliance-Management-Konzept verkauft wird, beruht insbesondere auf der Überzeugung, dass eine wirksame Compliance und deren effektives Management kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem anerkannter Standards sei. Über das Grundprogramm beziehungsweise die sogenannten Tools des Compliance-Managements bestünden mit einer Risikoanalyse, einem klaren Bekenntnis der Organe, Regelwerken, Kommunikations- und Schulungsmaßnahmen, hinreichenden Kontrollen sowie Dokumentationsprozessen weitgehend Einigkeit.11 Schließlich sei der häufigste Grund, aus dem Mitarbeiter von Unternehmen in Konflikt mit (Straf-)Gesetzen kommen, Unwissenheit.12 Wenn trotz allem Compliance-Methodismus und dem überbordenden Training and Education der erhoffte Erfolg nicht eintritt, muss eine falsche Unternehmens- und Compliance-Kultur als Catch-all-Ursache herhalten, die dann im Rahmen von Mitarbeiterappellen, neuen Leitwerten oder Cultural Change Workshops umzugestalten wäre. „Auffallend oft wird alles, was in einer Organisation schlecht läuft, der Kultur zugesprochen – ‚fehlender‘, ‚schlechter‘ oder ‚falscher‘ Unternehmenskultur. Organisationskultur muss derzeit für alles herhalten, was ‚nicht richtig funktioniert‘. Funktionsmängel in Organisationen können aber viele Ursachen haben. Zum Beispiel schlechte oder falsche Strategien, ungeeignete Strukturen, falsche Personalentscheide oder mangelnde und schlichtweg falsche Managementkenntnisse.“13 Die Ursachen für diese Form des kulturellen Sammelbeckens einerseits und des Methodismus andererseits sind vielfältig. Ein Umstand ragt aber heraus: Die eher zaghafte Auseinandersetzung mit den Grundannahmen wirksamer Compliance, obwohl gerade die Ausgangsprämissen für ein wirksames Management – auch und insbesondere der von Compliance – mitentscheidend sind: „Meine Erfahrung mit sehr klugen und redegewandten [...] Managern ist, dass ihre Fähigkeiten in der Analyse und logischen Extrapolationen sehr gut, oft sogar hervorragend sind, dass aber ihre Brillanz bei der Ausweitung der logischen Extrapolation ihre eigene Aufmerksamkeit weit von den manchmal fehlerhaften Grundannahmen ablenkt, auf denen ihre Pläne beruhen. Schwerwiegende Fehler in der Argumentation und Darstellung sind selten in der logischen Entwicklung dieser Analyse zu finden, sondern liegen in der Prämisse selbst. Das ist es, was Martin Luther beunruhigte [...]. Es ist das, [...] warum der Kaiser tagelang ohne Kleider herumlief; und warum Komiker und Science-Fiction-Autoren so vorsichtig sind, zuerst die ‚Prämisse‘ zu etablieren und dann schnell unsere Aufmerksamkeit von ihr abzulenken, damit sie die überzeugenden Details der Entwicklung der ‚Logik‘ ausarbeiten können.“14 Ellis weist in seinem Aufsatz also darauf hin, dass es häufig an den fehlerhaften Grundannahmen, das heißt Prämissen liegt, woran erfolgreiches Management scheitert. In diesem Sinne möchte ich Sie mit auf eine Reise nehmen, die die vorherrschenden Grundannahmen mit einem kritischen...