Kersting | John Rawls zur Einführung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Reihe: zur Einführung

Kersting John Rawls zur Einführung


4. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96060-041-1
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

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Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-041-1
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
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Mit seiner "Theorie der Gerechtigkeit" legte der Amerikaner John Rawls (1921-2002) einen monumentalen Entwurf vor, an dem sich zahlreiche Debatten entzündeten, nicht zuletzt die zwischen Kommunitaristen und Radikalliberalen. Wolfgang Kersting legt in dieser Einführung die gedankliche Substanz von Rawls' Theorie frei. Er macht die Herausforderung deutlich, die in Rawls' Überlegungen steckt, und diskutiert die Differenzierungen und Veränderungen, die Rawls in seinen letzten Lebensjahren an seinem großen Entwurf vorgenommen hat. Durch die Darstellung der Wirkung von Rawls' Gerechtigkeitstheorie entsteht ein nuanciertes Bild der politisch-philosophischen Denkströmungen der Gegenwart.
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Vorwort
Wohl kein philosophisches Werk hat im 20. Jahrhundert so schnell so große Aufmerksamkeit erregt und eine so intensive und weitgespannte Diskussion ausgelöst wie John Rawls’ Theory of Justice von 1971. Dieses schwergewichtige Buch präsentiert auf sechshundert Seiten die argumentativ dichteste und elaborierteste Theorie der Gerechtigkeit, die in der Geschichte der praktischen Philosophie bis heute entwickelt worden ist. Es hält sowohl hinsichtlich seiner gedanklichen Substanz als auch in Hinblick auf seine wirkungsgeschichtliche Bedeutung den Vergleich mit den großen Texten der europäischen Tradition der politischen Philosophie aus und wird seinen Platz neben Platons Politeia, Aristoteles’ Politik, Hobbes’ Leviathan, Lockes Abhandlungen über die Regierung, Rousseaus Gesellschaftsvertrag und Kants Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre finden. Der Gerechtigkeitstheorie des amerikanischen Philosophen ist es gelungen, alle Bereiche der praktischen Philosophie – die politische Philosophie, die Moralphilosophie, die Rechts- und Sozialphilosophie und die ihnen benachbarten Einzelwissenschaften, vor allen Dingen auch die Wirtschaftswissenschaften – in ein großes interdisziplinäres Gespräch zu verwickeln, das bis heute andauert und durch die Ausweitungen und Revisionen, die Rawls an seiner Theorie im Laufe der Jahre vorgenommen hat, immer neue Nahrung bekommen hat. Die Forschungsliteratur ist selbst für Spezialisten kaum noch überschaubar.1 Aber die philosophische Qualität eines Werkes zeigt sich nur mittelbar, und angesichts der Verführbarkeit des modernen Zeitgeistes durch Modisches auf nicht immer verläßliche Weise, daran, daß es in kürzester Zeit eine atemberaubende Betriebsamkeit in den Fabriken der Sekundärliteratur hervorbringt. Ein weitaus zuverlässigerer Gradmesser seines philosophischen Gehalts ist vielmehr sein genuin philosophischer Herausforderungswert, seine Fähigkeit, zugleich philosophisch zu inspirieren und systematisch belangvollen Widerspruch zu provozieren, der sich in Gestalt alternativer Konzeptionen zum Ausdruck bringt. Und gerade diese Fähigkeit hat Rawls’ Theory of Justice von Anfang an in hohem Maße bewiesen. Von ihr angeregt, sind in wenigen Jahren viele eigenständige Werke von großer systematischer Qualität zur politischen Philosophie erschienen, so daß man mit Recht von John Rawls sagen kann, daß er sowohl unmittelbar, durch den Gehalt seines eigenen Werkes, als auch mittelbar, auf dem Wege der von seiner Theorie provozierten produktiven Auseinandersetzung, die politische Philosophie wieder zu neuer Blüte gebracht hat. In der von Rawls ermutigten politischen Philosophie der Gegenwart lassen sich drei Strömungen unterscheiden. Zwei sind aus dezidiert rawlskritischen Motiven entstanden und haben sich dann zusehends mehr einer selbständigen Ausformulierung ihrer alternativen Positionen zugewandt. Das ist zum einen der hauptsächlich von Robert Nozick2, James M. Buchanan3 und Jan Narveson4 entwickelte »libertarianism«5, eine radikale Version des Liberalismus, die in der Nachfolge Lockes die natürlichen Individualrechte der Freiheit und des Eigentums ins Argumentationszentrum stellt und nur solche politischen Formationen als gerecht ansieht, die sich aus vertraglichen Vereinbarungen von Eigentümern ergeben. Konsequenz dieses Property-rights-Absolutismus ist die Ablehnung aller sozialstaatlichen Einschränkungen individualrechtlicher Grundpositionen. Da ist zum anderen der von Michael J. Sandel6, Michael Walzer7, Charles Taylor8, Benjamin Barber9 und anderen vertretene Kommunitarismus, der den Menschenrechtsuniversalismus ablehnt und an die teils aristotelische, teils hegelianische Tradition antiliberalen Denkens anknüpft. Die dritte Strömung der politischen Philosophie der Gegenwart ist der egalitäre Liberalismus, der in produktiver Auseinandersetzung mit der Rawlsschen Theorie das liberale Paradigma der politischen Philosophie ausdifferenziert. Seine Hauptvertreter sind Ronald Dworkin10, Thomas Nagel11 und Brian Barry12. Der egalitäre Liberalismus hat sich im Wettstreit mit Radikalliberalismus und Kommunitarismus als die philosophisch stärkere Theoriekonzeption erwiesen. Anfangs ging es in der durch Rawls ausgelösten politikphilosophischen Diskussion der Gegenwart um Probleme der philosophischen Selbstverständigung, um die richtige Art, Politikphilosophie zu treiben. Man stritt sich über die angemessene Methode und Erkenntnistheorie, über das der politikphilosophischen Argumentation zugrunde zu legende Menschen-, Personen- und Sozialmodell. Denn diese Voraussetzungen prägen die gerechtigkeitstheoretischen Vorstellungen der Theorie; sie entscheiden über den Zuschnitt der Gerechtigkeitsprinzipien, zu deren Beachtung die Philosophie die politische Wirklichkeit verpflichtet. Und solange sich die philosophische Diskussion um diese grundsätzlichen Fragen, gleichsam um die Metaphysik des modernen politischen Zusammenlebens drehte, gab es eine lebhafte Auseinandersetzung zwischen den drei Theoriefamilien des »libertarianism«, des Kommunitarismus und des egalitären Liberalismus. Sobald sich aber in der Folgezeit die Diskussion der immer selbstbewußter auftretenden politischen Philosophie konkreten politischen Problemlagen zuwandte, stellte sich die stärkere philosophische Leistungsfähigkeit des egalitären Liberalismus heraus, verloren Radikalliberalismus und Kommunitarismus an Einfluß. Weder in den Debatten über eine differenzierte gerechtigkeitsethische Vermessung des Sozialstaats noch in der Diskussion der Probleme internationaler Gerechtigkeit oder dem Streit um die Sicherung politischer Gemeinschaftlichkeit unter den Bedingungen von ethischem Pluralismus und Multikulturalismus lieferten Radikalliberalismus und Kommunitarismus substantielle Beiträge ab. Zwar sind die politischen und ökonomischen Mahnungen der libertären Sozialstaatsgegner angesichts wachsender Staatsverschuldung und wuchernder Sozialstaatsbürokratie begrüßenswert, ist auch ihr Plädoyer für eine direkt-demokratische Ausweitung bürgerlicher Mitbestimmung bedenkenswert, doch der systematische Zuschnitt des »libertarianism« erweist sich insgesamt als unzureichend, um den vielfältigen politischen Herausforderungen der Gegenwart philosophisch gerecht zu werden, die im Kielwasser fortschreitender Globalisierung und intensivierter Migration aufgetaucht sind. Auch der Kommunitarismus hat hier keine konstruktiven Lösungen anzubieten. Er ist philosophisch noch dürftiger ausgestattet als der Radikalliberalismus, stützt sich weitgehend auf den Gedanken des Traditionsschutzes, vermag daher bei Problemen wenig auszurichten, die sich gerade darum heute stellen, weil aufgrund der sich beschleunigenden Veränderungen der gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen des Lebens in der Moderne die Integrations- und Sinnressource Tradition sich dramatisch verknappt hat. »Libertarianism« und Kommunitarismus sind ohne philosophisch konstruktive Kraft. Da die ihnen eingeschriebenen Vorstellungen politischen Zusammenlebens nicht realisierbar sind, die Flucht zu hochintegrierten, kulturell homogenen Traditionsmilieus uns genauso verwehrt ist wie eine Abschaffung sozialstaatlicher Leistungssysteme, erschöpft sich die Bedeutung beider darin, den egalitären Liberalismus kritisch zu überprüfen, seinem Hang zum Etatismus entgegenzuwirken und gegenüber seiner universalistischen Überschwenglichkeit das Recht des Partikularen geltend zu machen. In der Entwicklung der politischen Philosophie von John Rawls spiegelt sich dieser Weg von den Aufgaben der Grundlegung zur Bearbeitung spezifischer Problembereiche. Rawls hat nicht nur mit seinem olympischen Werk von 1971 die systematische politische Philosophie wieder ins intellektuelle Leben zurückgerufen. Er hat auch ein Argumentationsszenario skizziert, das für die Entwicklung der Gerechtigkeits- und Sozialstaatsphilosophie des egalitären Liberalismus wegweisend wurde. Mit der Weiterentwicklung seiner Gerechtigkeitskonzeption zu einer Theorie des politischen Liberalismus hat Rawls dann seit den Dewey Lectures von 1980 auch die Diskussion der Probleme einer Sicherung politischer Einheit unter den Bedingungen eines ethischen und kulturellen Pluralismus maßgeblich geprägt. Die Auseinandersetzung mit der Habermasschen Diskursethik und der sich auf sie stützenden Theorie der deliberativen Demokratie hat sich dabei philosophisch als besonders fruchtbar erwiesen. Und auch zum Problem der internationalen Ethik hat sich Rawls geäußert. 1993 hat er eine größere Studie mit dem provokanten Titel Law of Peoples veröffentlicht. Sie greift auf den klassischen Pazifikationsgedanken des Völkerrechts zurück und erteilt damit allen Rawlsianern, die die Gerechtigkeitstheorie der Theory of Justice globalisieren und zu einer Weltgerechtigkeitsethik ausbauen wollen, sich also durch die Theory of Justice zu einem Paradigmenwechsel von der völkerrechtlichen Orientierung zur gerechtigkeitsethischen Orientierung in der politischen Philosophie der internationalen Beziehungen ermuntert sehen,...


Wolfgang Kersting ist emeritierter Professor für Philosophie am Philosophischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.



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