E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Kiesele / Schlösser Herausfordernde Situationen im Coaching
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7495-0090-1
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Toolbox Best Practice
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-7495-0090-1
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Wirtschaft: Sachbuch, Ratgeber
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Allgemeines
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Sozialpsychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologische Theorie, Psychoanalyse Humanistische Psychologie
Weitere Infos & Material
2. Was uns als Coaches ausmacht: Wer sind wir, und wer sind unsere Klientinnen und Klienten?
2.1 Unsere Aufgabe und Rolle als Coach
Man kann es nicht oft genug sagen: Als Coaches versorgen wir unsere Klienten nicht mit Ratschlägen oder sagen ihnen, was sie machen sollen und was nicht. Unsere Aufgabe ist vielmehr, sie beim Entwickeln eigener Lösungen zu unterstützen. Wir begleiten sie auf ihrem Weg und stehen ihnen währenddessen u. a. als Vertrauter, Sparringspartner und Impulsgeber zur Seite. Manchmal schlüpfen wir auch in andere Rollen und sind punktuell als Berater oder Trainer tätig. Alles in allem kümmern wir uns darum, die Lösungskompetenz unserer Klienten zu unterstützen. Wir unterstützen die Klienten dabei, sich selbst zu reflektieren und ihr Tun und Handeln immer wieder infrage zu stellen. Im Verlauf des Prozesses sollen sie befähigt werden, ihr Handlungsrepertoire nachhaltig zu entwickeln. Doch was müssen wir als Coaches eigentlich mitbringen, um diesen Aufgaben gerecht zu werden? Die Berufsverbände nennen als gewünschte Kompetenzen u. a. Selbstkompetenz, Selbstkenntnis, Rollenflexibilität sowie Ambiguitätstoleranz. Generell sind gut entwickelte soziale Fähigkeiten die Basis eines erfolgreichen Coachings. Hinzu kommt eine Bandbreite an Methoden, die wir kennen, aber auch beherrschen sollten. Das Wissen, wieso wir tun, was wir tun, ist für die Prozessführung unabdingbar. Und da unsere Klienten fast immer mit Einflüssen von Organisations- und Beziehungsdynamiken zu tun haben, benötigen wir zudem auch systemische Kompetenzen. Aus unserer Sicht ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion eine der wichtigsten Kompetenzen für Coaches. Suchen wir nämlich die Gründe für schwierige Situationen in unseren Coachingprozessen ausschließlich bei unseren Klienten, macht uns das schnell handlungsunfähig. Wir landen in der Sackgasse, weil wir in diesem Moment allein den Klienten die Verantwortung übertragen und dabei nicht im Blick haben, dass auch wir maßgeblich am Prozess beteiligt sind. 2.1.1 Mein Mindset als Coach – Selbstreflexion
Jan Scharlau Unser Mindset ist maßgeblich entscheidend dafür, wie wir mit den im Coaching entstehenden Herausforderungen umgehen. Selbstreflexion ist für jeden Coach ein Muss. Wir brauchen die Fähigkeit und die Bereitschaft, unser Verhalten und unsere Vorgehensweisen infrage stellen zu können. Tauchen in Coachingprozessen Hindernisse und Schwierigkeiten auf, hat dies meistens auch etwas mit uns zu tun (im Anhang finden Sie einen Selbstreflexionsbogen, der auch als Download zur Verfügung steht). Auf dem Hintergrund unserer Prägungen arbeitet unser Mindset wie ein Filter, der nur bestimmte Wahrnehmungen durchlässt. Der Filter bestimmt also, wie wir unsere Umgebung, aber vor allem unsere eigenen Möglichkeiten in der jeweiligen Situation wahrnehmen. Hier können uns Reflexionsprozesse Aufschluss darüber geben, wie wir handeln, empfinden und reagieren. Gleichzeitig wird uns klarer, welche Dinge für uns herausfordernder sind als andere. Wenn wir merken, dass unsere Erinnerungen und Erfahrungen derart prägend wirken, dass sie uns im Coaching ausbremsen, müssen wir dringend etwas ändern, um den Coachingprozess nicht zu gefährden. Uns muss bewusst werden, was in uns zum Schwingen gebracht wird. So kann es uns gelingen, unser Mindset zu steuern, alte Hemmnisse im Blick zu behalten und sie zu überwinden. „Fixed Mindset“ und „Growth Mindset“ Die Motivationspsychologin Carol Dweck forscht seit Langem dazu, wie Menschen mit Niederlagen umgehen. Besonders interessiert sie, warum manche Menschen ganz gelassen mit Herausforderungen umgehen oder sie sogar suchen, während andere ihnen aus dem Weg gehen, an Herausforderungen scheitern. Ihrer Theorie zufolge gibt es zwei Arten von Mindset. Das Growth Mindset ist wachstumsorientiert und das Fixed Mindset ist starr und unflexibel. Dweck machte dazu folgende Beobachtung: Menschen, deren Mindset eher in die Kategorie „Fixed“ gehört, neigen dazu, bestimmte Fähigkeiten als angeborenes Talent anzusehen. Scheitern sie an einer Aufgabe, liegt es ihrer Meinung nach daran, dass ihnen die nötige Begabung fehlt. Die Menschen jedoch, deren Mindset in die Kategorie „Growth“ gehört, sind davon überzeugt, dass sie alles erreichen können. Ihrer Ansicht nach lässt sich alles trainieren oder lernen. Jeder Coach tut gut daran, sich hier selbst einschätzen und verorten zu können: Welches Mindset haben Sie? Unsere Tipps für ein positives Mindset: Unser Mindset ist kein Schicksal. Es kann durch Interaktionen verändert und entwickelt werden. Auch positives Denken ist hier hilfreich. Machen Sie sich Ihre Stärken und Ressourcen als Coach bewusst. Überlegen Sie, welche Situationen im Coaching Sie immer wieder an Ihre Grenzen bringen, und reflektieren Sie Ihren bisherigen Umgang damit. Stellen Sie für sich fest, dass Ihre früher genutzten Strategien nur bedingt hilfreich waren, können Sie daran arbeiten, neue zu entwickeln. Fragen Sie sich, welche Situationen Sie schon eine Weile mit sich rumtragen und welche Sie loslassen können. Ganz nach dem Motto: „Wenn wir etwas loslassen, haben wir beide Hände frei.“ 2.1.2 Die Kunst, sich selbst auszuhalten und nicht perfekt zu sein
In unserer Arbeit als Coaches unterstützen wir die Selbstreflexion unserer Klienten und stoßen somit Erkenntnis- und Veränderungsprozesse an. Dabei liegt unser Fokus in der Regel darauf, unsere Arbeit möglichst gut zu machen. Viele von uns haben sehr hohe Ansprüche an sich selbst und die verantwortungsvolle Arbeit, die sie leisten. In aller Regel wollen wir den Erwartungen, die Klienten und Auftraggeber an uns stellen, gerecht werden. Nicht nur in der Arbeit mit unseren Klienten ist Reflexion ein zentrales Thema. Es ist absolut notwendig, dass wir selbst unser eigenes Handeln und Tun in unserer Rolle als Coaches laufend überprüfen und hinterfragen. Das gelingt meist gut und manchmal auch weniger gut. Mitunter handeln wir auf eine Art und Weise, die uns an uns selbst nicht gefällt. Vielleicht „verrutschen“ wir zeitweise in unseren Coachingprozessen: Wir erkennen dann nicht, was gerade wichtig ist; wir handeln impulsiv, wo wir gern bedacht agieren würden; wir sagen etwas, das sich bei genauer Betrachtung als wertend oder moralisierend erweist. All das sind Dinge, die ein Coach vermeiden sollte. Und passieren sie uns trotzdem, ärgern wir uns vermutlich und stellen manchmal sogar unsere Kompetenz infrage. Auch Coaches sind Menschen und – glücklicherweise – sind wir nicht unfehlbar. 2.2 Wer bin ich selbst als Coach?
2.2.1 Das individuelle Selbstkonzept
Um trotzdem in unserer Rolle als Coach handlungsfähig zu bleiben, macht es Sinn, sich einige innere Vorgänge und damit zusammenhängende Begriffe etwas genauer anzuschauen. Hier gibt es jedoch ein größeres Spektrum an Definitionen und Deutungsmöglichkeiten. Das merkt man, wenn man sich z. B. in der einschlägigen Literatur auf die Suche nach einer Definition des Begriffs „Selbstreflexion“ macht. Ziemlich schnell wird einem bewusst, wie komplex das Thema ist, und man erkennt, dass verschiedene Wissenschaftler hier ganz unterschiedliche Ansätze vertreten. Eine Betrachtungsweise, die uns in unserer täglichen Arbeit Halt und Orientierung gibt, möchten wir im Folgenden etwas genauer vorstellen. Der Arbeits- und Organisationspsychologe Siegfried Greif (2008) hat sich ausführlich mit dem Begriff „Selbstreflexion“ beschäftigt und unserer Meinung nach eine sehr einleuchtende Theorie entwickelt, die auf zwei Ideen basiert: dem „individuellen Selbstkonzept“ und dem „Zustand der Selbstaufmerksamkeit“. In seinen Ausführungen bezieht sich Greif zwar stets auf die Arbeit mit Klienten. Wir denken aber, dass seine Gedanken ebenfalls als Grundpfeiler einer Reflexion unseres eigenen Vorgehens dienen können. Das individuelle Selbstkonzept umfasst laut Greif die Wahrnehmung der eigenen Person und das Wissen um die eigene Person. Dazu gehören für ihn das Wissen über persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten, Vorlieben, Gefühle und über das eigene Verhalten. Er geht weiter davon aus, dass das Selbstkonzept sich aus genetischen, umweltbedingten und sozialen Faktoren generiert. Welchen Anteil und welche Bedeutung genetisch bedingte Faktoren haben, z. B. Temperament oder andere Persönlichkeitsdispositionen, darüber streitet man sich in der Wissenschaft. Unstrittig ist jedoch, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen. Bei den sozialen Faktoren unterscheidet Greif zwischen einer „sozialen Identität“ (man fühlt sich bestimmten Gruppen zugehörig, z. B. als Arbeiter, Gewerkschaftsmitglied oder Golfspieler) und „sozialen Rollen“ (wie Klassensprecherin, Eltern oder Vorgesetzter), die Menschen – mehr oder weniger freiwillig – übertragen werden. Die Anforderungen und Erwartungen, die mit beidem verbunden sind (Identität und Rollen), konstituieren und modellieren unser Selbstkonzept. Auch die Erfahrungen, die wir im sozialen Vergleich mit anderen machen, haben Einfluss auf das Selbstkonzept. War ich z. B. die beste Schülerin in einer eher leistungsschwachen Klasse, werde ich dazu neigen, meine Leistung höher einzuschätzen. Auch die positiven oder negativen Folgen unseres Verhaltens tragen zur Ausprägung unseres Selbstkonzepts bei: Ernte ich wenig Erfolg mit meinen Bemühungen, werde ich meine Leistung schlechter einschätzen als andere, die mit gleichartigen Bemühungen mehr Erfolge verzeichnen. Auch die...