E-Book, Deutsch, Band 3, 390 Seiten
Reihe: Kurpfalz-Trilogie
Klaus Das Herz der Verräterin
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-941408-55-5
Verlag: Dryas Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Roman aus der Gründungszeit Mannheims
E-Book, Deutsch, Band 3, 390 Seiten
Reihe: Kurpfalz-Trilogie
ISBN: 978-3-941408-55-5
Verlag: Dryas Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Für den Musketier Cornelius ist es Liebe auf den ersten Blick: Beim Festakt zur Grundsteinlegung für die neue Festung Mannheim begegnet er der schönen Clara. Doch ist Clara die, die sie vorgibt zu sein?
Als auf der Baustelle Pulverfässer in die Luft fliegen und ein Pfälzer Regierungsmitglied nur knapp einem Mordanschlag entgeht, beginnt auch Cornelius um sein Leben zu fürchten. Und wohin ist Clara plötzlich verschwunden?
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Elf Es konnte nicht mehr weit sein bis Seckenheim. Auf der sogenannten Heerstraße, auf der sie seit dem frühen Morgen entlangruckelten, nahm die Betriebsamkeit zu. Kleinhändler zerrten Karren hinter sich her, Mägde trugen Körbe. Weinbauern mit Gesichtern, so zerfurcht wie ihre Rebwurzeln, stapften mit hartem Tritt Richtung Dorf, dessen Dächer in der Ferne hinter hellgrünen Baumwipfeln auszumachen waren. Clara, die neben Cornelius auf der Ladefläche von Ada Moors Fuhrwerk saß, drehte den Kopf nach einem Sackpfeifer, der schillernd bunt aufgemacht war wie vor Hunderten von Jahren und dessen Schellen um seine Fußknöchel bei jedem Schritt bimmelten. „Wie gesagt“, nahm Cornelius den Faden ihrer Unterhaltung wieder auf. „Der entscheidende Punkt am Exerzieren ist, es fördert die Disziplin. Auch wenn es zuweilen mühselig ist und viele Ältere es für überflüssig und lächerlich halten. Aber Moritz von Oranien, der die Exerzierkunst erneuert hat, sagt, es sei außerdem gut für den Zusammenhalt einer Truppe. Wichtig ist, dass jeder an seinem Platz bleibt. Zu den Übungen gehört auch, dass die Truppe sich auflöst und sich auf ein Trommelsignal aufs Schnellste wieder formiert. Das geht nur, wenn jeder Mann seinen Platz kennt. Seht, seit geraumer Zeit gibt es eine neue, flache Aufstellung. Das fördert die Beweglichkeit jedes einzelnen kleinen taktischen Körpers. Ich zum Beispiel gehöre zu den Musketieren. Wir stehen gleich rechts und links neben den Pikenieren. An den Außenflanken sind die Arkebusiere postiert. Wir feuern von diesen Plätzen neben den Pikenieren aus, schwenken links oder rechts ab und schließen von hinten wieder an die Einheit an. Sollten die Umstände es erfordern, können wir uns auch vor der Front der Pikeniere ausbreiten. Greifen uns die feindlichen Reiter geradewegs an, so ziehen wir uns hinter die Pikenierhaufen zurück, damit jene der zweiten oder dritten Reihe nachrücken, die Lücken schließen und den Feind abwehren können. Versteht Ihr? Somit ist die neue, flache Aufstellung anstelle der alten Gevierthaufen viel besser, denn sie kann nicht so leicht durchbrochen werden. Aber ich langweile Euch sicher mit meinen Ausführungen?“, endete er mit einem fragenden Blick auf Clara. „Nein“, wehrte sie ab und sah ihn an. Ein rasches Augenrollen nach oben, sie hob die Arme und ließ sie wieder in den Schoß fallen. „Ein wenig“, gab sie schließlich zu und lächelte entschuldigend. „Was bin ich für ein Dummkopf!“, schalt Cornelius sich selbst. „Da rede ich von all diesen militärischen Dingen! Erzählt mir von Euch.“ „Was wollt Ihr wissen?“ „Alles!“, hätte er am liebsten gesagt. „Wie sieht dein Haar aus, wenn du am Morgen aufstehst? Überzieht eine Gänsehaut deinen Leib, wenn du dich wäschst? Woran denkst du, wenn du dich ankleidest?“ Stattdessen sagte er: „Nun, Ihr arbeitet im Handelshaus. Erzählt mir davon.“ „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, sagte sie und schlug mit der Hand nach einer aufdringlichen Mücke, die sie schon geraume Zeit umsummte. „Führt Ihr die Bücher? Jedes Mal, wenn ich kam, wart Ihr im Kontor beschäftigt.“ „Frau Moor führt die Bücher. Ich mache zuweilen Abschriften von Verträgen. Oder stelle eine Kostenliste zusammen. Solche Dinge.“ „Und Ihr kümmert Euch um die Kunden.“ „Und ich kümmere mich um die Kunden.“ „Sie können sich glücklich schätzen, von einer so schönen Verkäuferin wie Euch bedient zu werden.“ Sie lächelte geschmeichelt. So lieblich. Gott, er wollte ihr ins Haar raunen, ins Ohr flüstern und ihr auf die roten Lippen küssen, dass sie ihm teuer war, vom ersten Augenblick an, da er sie gesehen hatte. Dass etwas an ihrem Wesen eine Zärtlichkeit in ihm weckte, von dessen Existenz er bislang nichts gewusst hatte. Dass er sie halten und schützen mochte bis ans Ende aller Tage. Er vergaß, dass Ada Moor vorn auf dem Fuhrwerk neben ihrem Gehilfen Raupenstein saß, der die Zügel führte. Er nahm nur am Rande wahr, dass vor ihnen im Osten die Strahlen der Maisonne den grauen Morgenhimmel durchbrochen hatten und die Büsche und Hecken am Wegrand mit gelbem Schein überzogen. Er achtete nicht auf das Rütteln und Schaukeln des Fuhrwerks, nicht auf den Holunderblütenduft in der Luft, nicht auf das muntere Gezwitscher der Amseln. Alles, was zählte, war, hier mit Clara wie unter einer silberhellen Glocke zu sitzen und ihren Veilchenduft zu riechen. Er fragte: „Was bereitet Euch Freude?“ Die Art, wie sie ihn nun ansah, berührte etwas in seinem Innern eigentümlich weich und weckte einmal mehr das Gefühl in ihm, schützend die Arme um sie zu legen. Ein leises Erstaunen lag in ihren hellen Augen, etwas wie Verwunderung darüber, dass er Interesse für sie zeigte. Sie sah auf ihre im Schoß liegenden Hände und ließ ein Lachen hören, das andeutete, dass sie weder sicher war, ob sie ihm dies enthüllen, noch, ob er es wirklich hören wollte. Und so sagte er: „Ja?“ Zögernd erwiderte sie: „Kürzlich habe ich Federn, Muscheln und Glasperlen zu einer Kette aufgezogen. Das machte mir Freude. Wir haben sie im Laden angeboten und alle verkauft! Die Leute mochten sie.“ „Hätte ich das nur gewusst! Ich hätte eine Kette statt der Glasperlen für meine Schwester gekauft.“ „Es ist Wochen her, sie waren schon verkauft, als Ihr kamt“, sagte Clara. „Macht neue. Ich erstehe sie alle“, sagte Cornelius überschwänglich. „Für wen?“, neckte Clara. „Alle für Eure Schwester?“ „Mutter, Tante, Schwägerin, Base, Nichte – da kommt was zusammen.“ Sie lachte ihr glockenhelles Lachen. „Ihr habt eine große Verwandtschaft.“ Es war als belustigte Feststellung gemeint, doch er glaubte, auch einen bewundernden Unterton herauszuhören. „Da sind die Liebchen meiner Vettern und Freunde noch nicht mitgerechnet“, scherzte er weiter. „Und auch nicht die unübersichtliche angeheiratete Sippe meines Bruders.“ Wieder lachte sie. „Ihr seid unterhaltsam.“ „Puh, das freut mich zu hören. So langweile ich Euch nicht mehr mit ödem Gerede über Kriegskunst, flache Haufen und Musketen. Ich werde nie mehr ein Wort davon sagen!“ „Nein, das ist durchaus hörenswert. Ihr sollt nicht darauf verzichten.“ „Das sagt Ihr nur, um freundlich zu sein.“ „Treffen wir eine Vereinbarung: Ihr könnt nach Herzenslust erzählen, wenn ich Euch frage.“ „So wollen wir es halten.“ Sie legte die Zungenspitze an die Oberlippe und erwiderte sein Lächeln, keck und selbstsicher wie eine Händlerin, die soeben einen einträglichen Kontrakt abgeschlossen hatte. „Eins will ich Euch aber doch noch sagen.“ Sie nickte zustimmend. „Ihr habt sicher schon vom kurpfälzischen Marschall Graf Otto von Solms gehört?“ Er wusste durchaus, dass er sie damit beeindrucken wollte, wenn er so lässig von Solms’ Namen erwähnte, wenn er auch bisher nicht mehr als zehn Worte mit ihm gesprochen hatte. Sie nickte bestätigend. „Er ist ein Mann von ritterlichen Tugenden, ein großes Vorbild. Ich bin ihm mehrfach begegnet, wenn er die Übungen beaufsichtigte. Sicher ist er bald wieder in Mannheim, er ist ja auch der Leiter des Festungsbaus. Wollt Ihr mir die Freude machen und kommen, wenn er nach den Soldaten schaut?“ Frau Moor drehte sich um, sandte ihnen ein schmales Lächeln, und Clara antwortete: „Sicher. Gern.“ „Was gebt ihr für ein liebliches Bild ab, wie ihr da sitzt und plaudert, ihr beiden“, rief Frau Moor. „Ich hoffe, es stört Euch nicht allzu sehr, Herr Kühn, dass Ihr im Karren durchgerüttelt werdet. Es dauert nicht mehr lange, bis Ihr Euch die Beine vertreten könnt.“ Ein gewisser Unterton war nicht zu überhören. Eine Mischung aus Belustigung und Geheiß. Cornelius schmunzelte innerlich. Frau Moor war offenbar angetan von ihm und befürwortete, dass er Clara den Hof machte. Er fühlte sich geschmeichelt. Sie ließen das Fuhrwerk am Rande Seckenheims stehen, wo ein großer Grasplatz eigens dafür vorgesehen war, und gingen den Weg entlang Richtung Wörthel. Das Gewühl war beeindruckend! Links des Pfads stand ein Schragentisch, beladen mit irdenen Krügen und Schalen, deren Rotton in der Sonne leuchtete. Gleich daneben dampfte es wohlriechend aus einem Kessel, der an einer Vorrichtung aus drei Eisenstangen an einer Kette über offenem Feuer hing. Zwei Frauen saßen auf Schemeln, Kinder auf der Erde, und löffelten Suppe aus Tonschalen. In einem flachen Karren lag ein barfüßiger Halbwüchsiger und schlief. Ein Knecht rollte ein Bierfass durch den Matsch. Weiter vorn hatte sein Herr eine kleine Bude aufgebaut und auf ein schmales Holzbrett „Elsen Taverne“ aufgemalt. So sicherte sich der Bauer ein Zubrot, denn auf selbst gebrautem Bier lag kein Ungeld. Kinder tollten umher, jagten Hunde, zertrampelten Vergissmeinnicht. Mücken surrten durch die Luft. Es roch nach Fisch und aufgewühltem Wasser. Überall lagen Haufen von Fischernetzen und Reusen. Sie näherten sich den aufgeschlagenen Hütten der Fischer. Jungen schleppten Körbe voller Maifisch herbei. Frauen nahmen die silbrig glänzenden Fische aus, salzten sie und warfen sie in große tönerne Schalen. Bierfässer voller Fische türmten sich vor den Hütten zu Bergen. „Im Neckar gibt es kaum Lachse“, erklärte Frau Moor über die Schulter. Sie ging neben ihrem Gehilfen vor Cornelius und Clara her, ihre Haltung verdeutlichte unzweifelhaft die erfolgreiche Geschäftsfrau. Am Gürtel ihres wespenartigen Wamses hing der lederne Geldbeutel und, zu...