Kögel / Grünewald Tatort Hanau
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-86314-641-2
Verlag: CoCon-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 250 Seiten
ISBN: 978-3-86314-641-2
Verlag: CoCon-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Spionage, Mord, Mafiabanden, Schieberringe, ein Banküberfall und Intrigen. Mit einem Wort: Großes Verbrechen. Der Ort des Geschehens Hanau und seine Stadtteile, Klein-Auheim, Großauheim, Wolfgang und Steinheim. Zwei Männer kämpfen dagegen an. Kommissar Herbert Schönfelder von der Polizeidirektion Hanau und sein Großauheimer Kollege Mario Weinrich.
Mario Weinrich ist Polizeiinspektor. Jung und voller Tatendrang. Frisch von der Polizeiakademie. Mit der Vision für höhere Ermittlungsarbeit erkoren zu sein. Doch seine erste Dienststelle liegt in Großauheim, einem kleinen Stadtteil am Rande von Hanau. Doch anstatt in der Provinz zu versauern, wie er befürchtete, wird er noch vor seinem ersten Arbeitstag in ein Kapitalverbrechen verwickelt. Ein Toter liegt im Beichtstuhl der Jakobuskirche. Mord? Weinrich nimmt sich des Falles an und kollidiert dabei mit den alteingesessenen Kollegen. Diese vermuten die Täter im Dunstkreis albanischer Banden und jugoslawischer Messerstecher. Doch Weinrichs Ermittlungen führen ihn mitten hinein in die "gute Gesellschaft".
Der junge Weinrich und sein älterer Kollege Schönfelder bilden ein Ermittlungsteam, das unterschiedlicher kaum sein kann. Während Weinrich am liebsten mit gezogener Pistole auf Ganovenjagd gehen würde, versteht sich Schönfelder aufs Beobachten. Weinrichs Aktionismus und Schönfelders abwartendes Betrachten der Dinge machen sie zu einem spannungsreichen Duo zweier Generationen. Ihre Ermittlungen sind zugleich eine Reise durch die Begebenheiten und Örtlichkeiten der Region und vor allem eines: eine Liebeserklärung an Hanau und seine Stadtteile.
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Der Tote im Beichtstuhl von St. Jakobus Es war April. Die ersten Sonnenstrahlen kündigten vom nahenden Frühling. Das vergangene Jahr hatte sich Mario Weinrich durch den »Lehrgang für angehende Kommissare« gequält. Und heute war der Tag des großen Finales. Der hessische Innenminister Klaus Zimmer hatte alle Absolventen der Schulung ins Präsidium nach Wiesbaden geladen. Ehrungen und Auszeichnungen waren für den Politiker immer eine gute Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit als »starker Mann, der für Ordnung sorgt« zu präsentieren. Die Presse, der die Aufgabe zufiel, die markigen Worte zu verbreiten, durfte deshalb nicht fehlen. Der Hessische Rundfunk postierte sein Mikrofon auf dem Rednerpult und auch die »Schreiberlinge«, wie sie in Polizeikreisen spöttisch hießen, saßen mit Block und Stift am Rand des Saales. »... eine starke Polizei ist der Garant unserer zivilisatorischen Errungenschaften. Die Feinde unserer Zivilgesellschaft sitzen auch dort, wo man mit dem Rotstift versucht, Personal abzubauen und mit dem Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit spielt!« Dafür bekam der Minister Applaus, den er wohlwollend entgegennahm. »Ich werde nicht zulassen, dass man auf dem Rücken der Polizei einen rücksichtslosen Sparkurs fährt!« Dafür bekam er noch größeren Applaus. Kurz danach war er am Ende seiner Rede und verabschiedete sich mit erhobener Hand zum Gruß. Auch die Presse räumte das Feld. Was jetzt noch folgte, waren Beförderungen, ohne Nachrichtenwert. »Ich darf nun Mario Weinrich nach vorne bitten«, eröffnete der Leiter der Akademie, Horst Machow, ein drahtiger Mittfünfziger, den festlichen Teil. Mario Weinrich schälte sich aus seinem Sitz und ging zur Bühne, die Finger lässig zu einem Siegeszeichen in den Himmel gestreckt, das die Kollegen mit Gejohle begleiteten. »Von Ihnen hab’ ich schon gehört«, begrüßte ihn der Ausbildungsleiter säuerlich. Weinrichs Eskapaden waren Gesprächsstoff. Seine nächtliche Geburtstagsparty, auf der er heißen Hip-Hop über die Außenlautsprecher des Streifenwagens übertrug und dazu das Blaulicht als Lichtorgel einsetzte, hätte ihn fast die Polizeimarke gekostet. »Trotz allem, herzlichen Glückwunsch, Sie haben die Prüfung zum Polizeikommissar mit Erfolg bestanden.« Die Versammelten im Saal der Wiesbadener Polizeiakademie klatschten höflich, und Machow übergab mit einem kräftigen Händedruck die Ernennungsurkunde. »Jetzt kannste den Streifendienst vergessen«, sagte sein Nachbar und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Mario ließ sich zufrieden auf seinen Stuhl fallen und nickte. Keine Verkehrsunfälle mehr aufnehmen. Vorbei die Zeit der nächtlichen Patrouillenfahrten. Und erst recht keine Betrunkenen mehr in Arrestzellen verwahren, die einem auf die Uniform kotzen. Der Aufstieg war geschafft. Mario streckte genüsslich die Beine unter den Stuhl seines Vordermannes und zog eine Flasche Sekt aus der Lederjacke. »Das muss gefeiert werden.« »Biste verrückt?«, raunzte ihn sein Nachbar an, der zur Würdigung der Feier mit Krawatte und Anzug erschienen war. Doch zu spät. Mit einem lauten Plopp flog der Korken durch die Luft und landete im Mittelgang. »Meine Damen und Herren, ich sehe, einige von Ihnen können es kaum abwarten, bis sie wieder in den Streifendienst zurückversetzt werden«, kommentierte der Ausbildungsleiter die Aktion missbilligend. Ein kurzer Blick in die leere Stuhlreihe der Pressevertreter stimmte ihn versöhnlich. »Allerdings, wenn Sie ein Glas für mich übrig haben, will ich das Auge des Gesetzes wohlwollend verschließen.« Die angehenden Kommissare klatschten, und Mario reichte die Flasche weiter. Dann wurde der nächste Aspirant für den höheren Polizeidienst nach vorn gerufen. Mario Weinrich schloss die Augen. Er war 26 Jahre alt. Jetzt ging das Leben erst richtig los. Deswegen hatte er sich von der Bereitschaftspolizei weg bei der Kripo in Frankfurt beworben. Dafür hatte er ein Jahr geschwitzt. Zwei Tage später lag ein Brief des Polizeipräsidenten aus Frankfurt im Postkasten. »Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir bei der Zuteilung der neuen Reviere nicht immer Ihre Wünsche erfüllen konnten. Bitte melden Sie sich daher zum 1.5. auf dem Polizeiposten Großauheim, den wir Ihnen hiermit in Leitungsfunktion übertragen.« Mario fühlte, wie sein Blut in den Beinen versackte und die Schwerkraft zunahm. Traum geplatzt, das Leben verpfuscht von einem Bürokraten. Wutentbrannt schnappte er sich den Telefonhörer und wählte die Nummer, die auf dem Briefkopf angegeben war. »Holzapfel, Personalreferat, was kann ich für Sie tun?«, meldete sich eine näselnde Männerstimme »Weinrich hier, Sie haben mich nach Kleinkleckersdorf versetzt, obwohl ich mich für Frankfurt beworben habe!« Holzapfel faselte etwas von »Personaldecke in Frankfurt ausgeschöpft« und dass da »vorerst nichts zu machen sei«. Weinrich legte entnervt den Hörer auf. Den Anruf hätte er sich schenken können. Gegen den Verwaltungsapparat anzurennen war das Gleiche, wie gegen eine Betonmauer zu fahren. Vier Wochen später lenkte Mario Weinrich den LKW, den er bei einem Verleih organisiert hatte, über die A 66. Ein älteres Modell, das er zu einem Sonderpreis mieten konnte. Nach einer halben Stunde Fahrt wusste er, weshalb der Verleiher nicht auf dem regulären Preis bestanden hatte. Der Motor war so laut, dass er sich in der Turbine eines Jumbo-Jets wähnte. Mario setzte den Kopfhörer seines Walkmans auf, legte die Kassette von Bruce Springsteen ein und drehte den Lautstärkeregler auf Maximum. Der LKW überquerte die Mainbrücke. Unter ihm Wiesen mit frischem Grün. Der Fluss schlängelte sich in Richtung Würzburg. Marios Blick blieb an einem Angler hängen, den der Lärm der Autobahn nicht zu stören schien. Unvermittelt kam die Ausfahrt Großauheim. Mario trat hart auf die Bremse. Zu »Born in the USA« schlugen die Umzugskisten im Laderaum gegen die Bordwand. Ein Spiegel ging zu Bruch. Weinrich setzte den Blinker und verließ mit quietschenden Reifen die Autobahn. Der Laster rumpelte über die Straße in Richtung Ortsmitte. Mario pflückte einen Zettel mit der Adresse seiner neuen Wohnung von der Ablage und klemmte ihn zwischen die Zähne. Hubertusstraße 14. Mühsam kurvte er durch das Gewirr der kleinen Gassen. Vor einem mehrstöckigen Wohnhaus der Nachkriegsära blieb er stehen. Mario nahm den Kopfhörer von den Ohren und blickte sich um. Die Hubertusstraße war eine ruhige Wohnstraße. Ein Gemüseladen, ein Kiosk, eine Kneipe, eine Telefonzelle, das war’s. Sein neues Leben lag vor ihm. Die Reste des alten in Kisten verpackt im LKW. Als er den ersten Karton in den zweiten Stock schleppte, sah er einige seiner Nachbarn neugierig hinter den Vorhängen lauern. »Ich bin der neue Mieter im zweiten Stock. Ich heiße Mario Weinrich, bin 26 Jahre alt, unverheiratet, habe keine Katzen und Hunde, aber beim Sex stöhne ich wie ein Zuchtbulle«, brüllte er für alle gut hörbar. »So, das wäre gesagt.« Nachdem alle Kisten im Flur der Wohnung abgestellt waren, schlenderte Weinrich durch die Straßen. Es war eine Expedition mit dem Ziel, die Eingeborenen zu erkunden. »Hier werde ich also auf die Jagd nach Hühnerdieben gehen«, sinnierte er abfällig, während er am Rochusplatz stand. Mario zückte eine imaginäre Pistole, zielte auf die Mitte des Platzes und zog den Zeigefinger durch: »Paff!« Dann blies er den Rauch nach Djangoart von seinem Colt. Eine schnelle Drehung: »Paff!« Volltreffer. Der Dieb, auf dessen Konto schon mehrere schwere Hühnerdiebstähle gingen und den alle nur Hühnercapone nannten, brach zusammen. Mario steckte seine Pistole, geformt aus den Fingern seiner Hand, weg, richtete sich auf und wollte gerade die Auszeichnung des Polizeipräsidenten entgegennehmen, als ihn die Stimme eines älteren Herren, der gerade aus der gegenüberliegenden Bäckerei kam, in die Realität zurückholte: »Ist bei Ihnen der Fasching noch nicht vorbei?« Mario überlegte kurz, ob er seine Polizeimarke zücken und sich als der Rächer der entführten Hühner vorstellen oder klein beigeben sollte. Er entschied sich für Letzteres. Immerhin stand sein erstes eigenes Revier auf dem Spiel. »Ich übe für eine Fernsehrolle in ‘Ein Fall für zwei’ mit Matula«, antwortete er trocken, machte auf den Hacken kehrt und verschwand in der Haaggasse. Sein Gegenüber blieb mit einem großen Fragezeichen im Gesicht zurück. Die Weißbrotstange, die sich eben noch drohend gegen Mario gerichtet hatte, senkte sich Richtung Asphalt. Mario schlenderte durch die alten Großauheimer Gassen. Vorbei an ehemaligen Bauernhäusern und beschaulichen Fischerhütten. Bis zum Main waren es nur ein paar Meter. Am Ufer lag ein Kahn, der auf »Schweinefraß«, wie die Leuten hier sagten, aus den großen Silos des Futtermittelwerkes wartete. Mario zog die frische Luft kräftig in seine Lungen. Morgen stand ein schwerer Tag für ihn an. Besuch bei den Vereinen. Er wollte sich vorstellen. Schützenclub, Fußballverein, Männerquartett, Ruderclub, Volkschor, Turnerschaft, Obstbauverein und sogar einen Alpenclub, wiederholte Mario kopfschüttelnd sein morgiges Tagewerk. »Fehlt nur noch ein Weltkriegsveteranenverein«, spöttelte er. Mario hasste Vereinsmeierei, und wieder haderte er mit seinem Schicksal, das ihn nach Großauheim verschlagen hatte. »Wenigstens gibt’s ein Sonnenstudio«, stellte er befriedigt fest. Denn auf sein Äußeres ließ er nichts kommen. Gerade war er auf Höhe der alten St. Jakobus-Kirche angelangt, als eine aufgeregte Menschenmenge die Treppenstufen hinabstürmte. »Da ist wohl die Braut stiften gegangen«, überlegte Mario schmunzelnd. Die Leute blieben stehen und schienen zu überlegen, was zu tun sein. Wild gestikulierten sie durcheinander. Mario hörte die...