Kopp | Auf Kosten Anderer? | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Kopp Auf Kosten Anderer?

Wie die imperiale Lebensweise ein gutes Leben für alle verhindert

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

ISBN: 978-3-96238-574-3
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Alle reden von Missständen und Krisen: Hier die Klima- und Rohstoffkrise, dort die sozial-politische Dauerkrise Griechenlands oder die menschenverachtende Ausbeutung in der Textilindustrie. Die Probleme sind vielen bewusst – dennoch scheint sich wenig zu ändern. Warum? Das Konzept der »Imperialen Lebensweise« erklärt, warum sich angesichts zunehmender Ungerechtigkeiten keine zukunftsweisenden Alternativen durchsetzen und ein sozial-ökologischer Wandel daher weiter auf sich warten lässt.

Dieses Dossier stellt das Konzept der imperialen Lebensweise vor und erläutert, wie unsere derzeitige Produktions- und Lebensweise Mensch und Natur belasten. Dabei werden verschiedene Bereiche unseres alltäglichen Lebens beleuchtet, unter anderem Ernährung, Gesundheit, Mobilität und Digitalisierung. Schließlich werden sozial-ökologische Alternativen und Ansatzpunkte vorgestellt, wie wir ein gutes Leben für alle erreichen – anstatt ein besseres Leben für wenige.
Kopp Auf Kosten Anderer? jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Materielle Grundlagen der Digitalisierung: Das Beispiel Smartphone
Der Markt für Smartphones boomt. Im Jahr 2010 wurden weltweit 300 Millionen Stück verkauft, nur fünf Jahre später bereits 1,4 Milliarden. Der jährliche Umsatz der Verkäufe beläuft sich inzwischen auf circa 380 Milliarden Euro.11 Eine Handvoll großer Konzerne dominiert dabei das profitable Geschäft – allen voran Apple und Samsung, die zusammen 40 % aller Smartphones verkaufen.12 Anfang 2015 konnte Apple sogar über 90 % aller Branchengewinne für sich behaupten, da es sein Image mittels Marketing perfektioniert hat.i) Dadurch kann es hohe Verkaufspreise bei relativ niedrigen Produktionskosten erzielen.13 Von den mehreren hundert Euro, die ein iPhone kostet, gibt Apple weniger als ein Drittel für Produktion und Löhne aus. Fast 60 % landen hingegen als Rohgewinn bei Apple, weitere 10 % bei Zulieferfirmen in Asien, Europa und den USA (siehe Abb. 3.3).14 Möglich ist das, weil Apple & Co keine eigenen Fabriken betreiben. Sie lassen das eigentliche Produkt stattdessen in einem komplexen Netz globaler Wertschöpfungsketten fertigen, das mit den Versprechungen der High-Tech-Industrie auf Wohlstand und Fortschritt nur wenig zu tun hat. Die wirtschaftliche Dynamik des Smartphone-Booms speist sich nämlich nicht allein aus den klugen Ideen einiger geschäftstüchtiger Persönlichkeiten wie Steve Jobs. Sie folgt vielmehr aus den, relativ zum Verkaufspreis gesehen, billigen Rohstoffen und niedrigen Löhnen in der Produktion. Nirgendwo zeigt sich der imperiale Charakter der digitalen Lebensweise mehr als bei einem Blick auf die materiellen Grundlagen der Smartphone-Produktion. Rohstoffe für die smarte Welt… Jedes Smartphone besteht aus rund 60 verschiedenen Rohstoffen. Neben Plastik, Glas und Keramik werden etwa 30 Metalle verarbeitet. Auch wenn viele davon nur in sehr kleinen Mengen im Touchscreen, dem Akku, den Leiterplatten oder Kameras verarbeitet werden: Eine Produktion von aktuell rund 1,4 Milliarden Geräten jährlich erzeugt Druck auf die Förderung von Rohstoffen.15 Mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets wirken aufgrund ihres relativ geringen Gewichts nicht wie große Rohstoffverbraucher. Doch ist zum Beispiel für die Produktion von 14 iPads so viel Zinn nötig wie für die Herstellung eines gesamten Autos.16 Insgesamt verbraucht die Produktion mobiler Endgeräte deshalb bereits heute deutlich mehr Zinn als die globale Autoindustrie. Und sie wächst deutlich schneller. Das Beispiel Zinn lässt bereits erkennen, wie massiv sich unsere digitale Normalität auch auf jene Teile der Weltbevölkerung auswirkt, die scheinbar unbeteiligt sind am Prozess der Digitalisierung: Ein Drittel des auf dem Weltmarkt verkauften Zinns kommt von den indonesischen Inseln Bangka und Belitung. Dort zerstört die Rohstoffförderung die Lebensgrundlage der ansässigen Bevölkerung, weil Wälder gerodet, die Meeresflora und -fauna mit Klärschlamm verschmutzt und Böden unfruchtbar gemacht werden.17 Steigende Nachfrage und damit wachsende soziale und ökologische Probleme im Bergbau sind jedoch kein Spezifikum von Zinn.ii), 18 In den vergangenen 40 Jahren hat sich der Abbau von Primärrohstoffen laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen verdreifacht – und das, obwohl längst bekannt ist, dass eine solche Verbrauchsentwicklung die Grenzen unseres Planeten weit übersteigt.19 1  207 Milliarden Emails
2  8,8 Milliarden YouTube Videos
3  4,2 Milliarden Suchanfragen bei Google Abb. 3.2.2: Ein Tag im Internet
Quelle: Weltbank, 2016 … und ihr neo-kolonialer Charakter Doch wer profitiert von diesem Raubbau? Beim Abbau von und beim Handel mit Rohstoffen setzen sich auf globaler Ebene Ausbeutungsstrukturen fort, die durch 500 Jahre europäischen Kolonialismus geprägt sind (siehe Historischer Abriss).20 Während einige Regionen, vor allem im Globalen Süden, auf den Export von Primärrohstoffen für den Weltmarkt angewiesen sind, findet der Konsum der höherwertigen Produkte vor allem im Globalen Norden statt. In reicheren Ländern Europas und in Nordamerika ist der durchschnittliche Ressourcenverbrauch pro Kopf zehnmal höher als in Ländern mit deutlich niedrigerem Einkommen.21 Länder wie die Demokratische Republik Kongo, Bolivien oder Südafrika haben in der derzeitigen internationalen Arbeitsteilung die Rolle der günstigen Rohstofflieferanten für die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT).22 Dafür ist gerade auch die EU verantwortlich, die als weltweit größter Importeur von Rohstoffen auf internationaler Ebene aktiv für das Interesse ihrer Industrien eintritt, möglichst günstig Rohstoffe aus den Ländern des Globalen Südens zu erhalten.23 In ihren Rohstoffstrategien setzen die EU und die deutsche Bundesregierung auf Handelsabkommen und politisch-ökonomischen Druck, um dieses Ziel zu erreichen.24 Kritische Stimmen sprechen in diesem Kontext von Neo-Kolonialismus, weil die reichen Staaten ungleiche Machtverhältnisse bewusst ausnutzen und fortschreiben.25 Es geht dabei nicht nur um den Bezug von günstigen Rohstoffen für digitale Technologie oder Maschinenbau. »Neue Technologien und Produkte mit völlig neuer Rohstoff zusammensetzung führen [...] zu einem drastischen Anstieg der Nachfrage nach bestimmten wirtschaftsstrategischen Rohstoff en, die für die Hightech-Industrie unverzichtbar sind, sei es Indium für Flachbildschirme, Lithium für Akkus oder Germanium für Glasfaserkabel.« (Johanna Wanka, Bildungs- und Forschungsministerin, 2016) In der bestehenden internationalen Arbeitsteilung wälzen rohstoffintensive Industrien und ihre Staaten massiv Kosten sowie soziale und ökologische Probleme auf andere Regionen und Bevölkerungsgruppen ab. Weltweit gibt es tausende sozial-ökologische Konflikte zwischen transnationalen Konzernen und lokalen Gemeinschaften, vor allem in den Ländern des Globalen Südens.26 Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen steht meist, dass die Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung dem industriellen Rohstoffhunger der transnationalen Unternehmen (siehe Glossar) und globalen Mittel- und Oberschichten (das heißt auch lokalen Eliten) weichen muss. Oftmals geschieht dies unter gewaltsamem Vorgehen von staatlichen ›Sicherheitskräften‹ oder para-militärischen Milizen gegen die Proteste vor Ort.27 Effizient, aber noch lange nicht nachhaltig Die modernen IKT, die Politik und Wirtschaft gerne als Mittel zur Lösung von Umweltproblemen präsentieren, befeuern aktuell also sogar noch die rücksichtlose Rohstoffnutzung und die damit einhergehenden sozialen und ökologischen Probleme. Beim Energieverbrauch und bei den CO2-Emissionen sieht es nicht anders aus. Auch hier kommt es zu vergleichbaren Reboundeffekten (siehe Glossar): Der Energieverbrauch des Internets steigt rasant an und wird in den nächsten Jahren weiter wachsen, weil die größere Energieeffizienz nicht mit dem noch viel schneller wachsenden Datenhunger mithalten kann.28 Schon heute ist allein das Internet für gut 5 % des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich – obwohl mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung noch gar keinen Zugang dazu hat. Dieser enorme Stromverbrauch speist sich nicht nur aus der Herstellung und Nutzung von Endgeräten, sondern auch aus dem Betrieb der notwendigen Daten- und Rechenzentren. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Apple und Samsung schon 2012 zusammen so viele Treibhausgase wie die Slowakei emittierten.29 Die ökologischen Kosten dafür müssen sie nicht tragen, denn transnationale Konzerne sind von den ohnehin zaghaften staatlichen internationalen Klimaschutzabkommen ausgenommen. Zudem subventioniert der Staat die Energiepreise massiv (siehe Mobilität). Schätzungen zufolge ist die wachsende IKT-Industrie bereits heute für 3 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Und die Zeichen stehen weiter auf kräftiges Wachstum – auf Kosten der Umwelt.30 iSlaves in unsichtbaren Fabriken Dass die Digitalisierung in vielen Bereichen zu einer Beschleunigung führt, spiegelt sich auch in der Herstellung der Smartphones wider: Die Liefer- und Herstellungszeiten der Geräte sind in den vergangenen Jahren rapide gesunken (siehe Mobilität). Während 2007 die Produktion eines iPhones noch circa sechs Monate dauerte, waren es fünf Jahre später bereits weniger als zwei Wochen.31 Dieses Beispiel lässt erahnen, welcher Druck in den Produktionsketten herrscht – ein Druck, der zu Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen führt. Der wohl bekannteste Fall ist eine Reihe von Suiziden, die den Apple-Zulieferer Foxconn ab 2010 zu zweifelhaftem Ruhm brachten. Foxconn ist der mit Abstand größte Elektronikhersteller weltweit, mit mehr als einer Million Angestellten. Zusammen mit den wenig bekannten Herstellern Pegatron, Flextronics, Jabil Circuit, Sanmina und Celestina kontrolliert der Konzern ungefähr 80 % der Markenprodukte im Elektronikbereich.32 Obwohl diese Unternehmen die Elektrogeräte herstellen, bleiben sie im Normalfall weitgehend unsichtbar hinter den Markennamen, unter denen sie ihre Produkte verkaufen. Erst durch die öffentliche Berichterstattung über die Zustände bei Foxconn sowie die zunehmende zivilgesellschaftliche Kritik daran wurden sie etwas bekannter und die Arbeitsbedingungen in ihren Fabriken teilweise ›verbessert‹....


Der gemeinnützige Verein Common Future e.V. aus Göttingen arbeitet in verschiedenen Projekten zu globaler Gerechtigkeit und sozial-ökologischem Wirtschaften. Vom April 2016 bis zum Mai 2017 veranstaltete er die »I.L.A. Werkstatt«. Dabei hat sich unter dem Titel »Imperiale Lebensweisen – Ausbeutungsstrukturen im 21. Jahrhundert (I.L.A.)« ein interdisziplinäres Kollektiv, bestehend aus 15 jungen Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen, zusammengefunden. Das erklärte Ziel: ein Jahr gemeinsam zum wissenschaftlichen Konzept der imperialen Lebensweise zu arbeiten und dieses für eine breite Öffentlichkeit aufzubereiten.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.