E-Book, Deutsch, 247 Seiten
Kröber Mord im Rückfall
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95466-479-5
Verlag: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
45 Fallgeschichten über das Töten
E-Book, Deutsch, 247 Seiten
ISBN: 978-3-95466-479-5
Verlag: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Töten eines Menschen ist der Inbegriff von Gewalt. Männliche Gewalt ist seit Jahrtausenden das Mittel, um sich in den Besitz von Gütern zu bringen oder sich anderer Menschen, insbesondere Frauen, zu bemächtigen. Wer mit eigenen Händen tötet, weiß, dass er eine letzte Grenze überschreitet –unwiderruflich und nicht wieder gutzumachen. Ein Totschläger, ein Mörder, ist einer, der nie mehr zu uns gehört. Was sind das für Menschen, die so etwas tun? Was sind das für Männer, die sogar nach einer Bestrafung wegen Totschlags oder Mordes erneut töten?
In kurzen, spannenden Fallgeschichten, unterbrochen von Pausen des Nachdenkens, wird das prägnante Bild von 45 Männern gezeichnet, die sich durch Strafe nicht vom erneuten Töten abhalten ließen. Dies ist ein Buch über die Lust am Töten und den Ekel beim Töten, die Leichtigkeit und das Gewicht des Tötens. Es wird die enorme Vielfalt der Persönlichkeiten, der Verläufe und der Tatmotivationen demonstriert. Das Buch betrachtet unterschiedliche Motivgruppen: Raub und Bereicherung, sexuelles Begehren und Unterwerfung, Kampf mit Frauen und ihre Abstrafung und schließlich Gewaltlust und chronische Verrohung. Hinzu kommt eine Gruppe psychosekranker Täter. Auch innerhalb der einzelnen Gruppen sind die Verläufe verblüffend vielfältig. Das Geschehen entwickelt sich stets im Dreieck von Motivation, Selbstkonzept und sozialer Situation, welche die Tat nahelegt und möglich macht.
Es werden besondere Menschen sichtbar, die mehr mit uns gemein haben, als uns lieb sein mag.
Zielgruppe
Alle an Tötungsdelikten interessierte Laien und Experten: (Forensisch tätige) Psychiater; Psychologenr; Juristen (Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Richter); Pädagogen und Sozialarbeiter; Bewährungshilfe; Kriminologen; Ermittlungsbehörden
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Die Motivgruppen
Warum töten Menschen? Warum töten sie trotz Straferfahrung ein zweites Mal? Die erste Antwort auf diese Frage erfordert eine Klärung des Motivs: Was wollten sie erreichen? Die nächste Frage wäre dann: Warum wollten sie es ausgerechnet auf diesem Weg erreichen und nicht auf einem anderen, erlaubten oder doch zumindest nicht so verwerflichen Weg? Die dritte Frage wäre, was waren die Rahmenbedingungen, unter denen die Tat so und nicht anders begangen wurde; was hat die Entscheidung für eine Tötung mit innerpsychischen Faktoren der Täter zu tun und was mit der aktuellen Lebenssituation? Dass wäre dann die „durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit“, wie es in § 454 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) heißt. Wir haben im Kapitel über Gewalt und Macht gesehen: Menschliche Gewalt dient seit Jahrtausenden dem Zweck, sich die Verfügung über bestimmte materielle Güter, Land und Menschen, insbesondere Frauen zu verschaffen: Besitz. Besitz bedeutet Macht, Potenz, Sex, Zukunft. Betrachtet man nicht Staaten, nicht soziale Großgruppen und Organisationen, sondern Einzeltäter in Friedenszeiten in einem Land mit stabiler Rechtsordnung, so ist Gewalt sehr häufig ein Mittel, um sich in den Besitz von Geld und Waren zu bringen. Das wäre die erste Hauptgruppe. Eine weitere Hauptgruppe der sozusagen „privaten“ Täter begeht Gewalt- und Tötungsdelikte aufgrund sexuellen Begehrens und aufgrund des schwierigen Verhältnisses, das manche Männer aus unterschiedlichen Gründen zu Frauen haben. Dazu gehören Vergewaltiger, die sich gewaltsam nehmen, was sie haben wollen; einige Vergewaltiger töten. Eine – seltene – Sonderform der Vergewaltiger sind die Sadisten, bei denen das Töten zu dem von ihnen gewünschten Ritual gehört. Zum anderen waren es Männer, die ihre Konflikte mit den Frauen gewaltsam austragen, zumal wenn diese sich trennen wollen oder bereits gegangen sind. Manchmal werden auch Rivalen, der tatsächliche oder vermeintliche neue Partner angegriffen. Eine kleine, inzwischen vielleicht historisch überlebte Gruppe der Wiederholungstäter ist die der schwulen Männer, die aus Angst vor Bloßstellung ihren Intimpartner töten. Schließlich gibt es Männer, die zwar auch vordergründig ein „normales“ Motiv hatten, Abstrafung eines Verräters, Rache, Schutz vor Entdeckung, Raub, Vergewaltigung – und doch hat man gerade bei ihnen den Eindruck, dass es ihnen vor allem um eines geht: um das Töten. Um den Adrenalinstoß, das Erleben von Allmacht, um das handgreifliche Erlebnis des Tötens. Sie täten es gern öfters, wäre da nicht das Risiko des Gefasstwerdens und der demütigenden Strafe. Das zugehörige juristische Merkmal heißt „Mordlust“. Die Gerichte erkennen selten auf Mordlust und nehmen lieber ein anderes, objektivierbares Mordmerkmal wie „Heimtücke“ oder „zur Ermöglichung einer anderen Straftat“. Denn kaum ein Angeklagter, schon gar nicht sein Verteidiger räumt ein, aus Freude am Töten gehandelt zu haben. Es ist eine Zuschreibung, die sich nur anhand der Delinquenzgeschichte aufweisen lässt; selten einmal gestehen Verurteilte, die nichts zu verlieren haben, einem Gesprächspartner ein, dass sie sich bei der Tat als grandios erlebten. Oft genügt bereits die Androhung von Gewalt, um z.B. Schutzgeld zu erpressen. Es genügt, dass die manifeste Gewaltausübung – falls man sich nicht fügt – ausgesprochen wahrscheinlich ist. Oft wird durch eine initiale, sehr intensive, ja überschießende Gewaltanwendung demonstriert, was einem blüht, wenn man nicht gefügig ist. Das wäre dann die Herstellung eines „Gewaltraumes“ (Baberowski 2012, 2015); solche Gewalträume gibt es in allen Bereichen, die der organisierten Kriminalität unterliegen, gleichermaßen aber auch in den Familien eines gewalttätigen Mannes. Für die Herstellung eines Gewaltraumes – aus dem man Schutzgelder, Drogenprofite, Prostitutionseinnahmen herausholen will – ist es sinnvoll, einen Mord an einem beliebigen Mitglied der Gegenseite zu begehen, der keinen anderen Zeck hat als zu demonstrieren: Wir sind mächtig. Wir schrecken vor nichts zurück. Wir töten, das macht uns nichts aus. Wir werden dafür nicht bestraft. Selbst wenn: Ihr werdet davon nicht wieder lebendig. James Bond war der Super-Agent, weil er „die Lizenz zum Töten“ hatte. Die vermeintliche Größe, die in jedem Mann sichtbar wird, der sich selbst die Lizenz zum Töten erteilt, findet sich mal untergründig, mal unübersehbar, bei allen Motivlagen. Und wenn nachfolgend der Ordnung und der besseren Orientierung halber Motivgruppen aus den 45 Fällen gebildet werden, dann soll das nicht heißen, dass sich die Gruppen trennscharf unterscheiden. Es sind eher „Motivationsschwerpunkte“, nach denen geordnet wurde – oft gab es ein Motivbündel, und beim Wiederholungdelikt eine veränderte motivationale Konstellation. Manche Herren könnte man in mehreren Gruppen führen, weil sie z.B. stehlen und rauben und vergewaltigen und töten. Der Leser wird es merken, wenn er die Einzelfälle studiert. Er wird aber auch merken, wie unterschiedlich die Tatbilder und die Lebensverläufe innerhalb einer Motivgruppe sind. Ein wesentlicher Zweck dieses Buches ist es zu verdeutlichen, wie varianten- und zufallsreich diese Leben nach fast durchgängig miserablen Startbedingungen verlaufen sind. Und: Es gibt Fälle, an denen unsere Empathie-Möglichkeiten scheitern. Andere werden bei dem einen oder anderen eine Spur Mitgefühl erwecken. Dies gilt auch für die letzte Gruppe, die nicht durch das Tatmotiv vereint ist, sondern durch die schwerste psychische Krankheit, durch eine schizophrene Psychose. Es sind immerhin 7 Männer in dieser Gruppe, von denen 3 allerdings erst nach ihren jung begangenen Taten manifest erkrankt sind. Man nimmt aber an, dass dem Krankheitsausbruch vorangehende psychische Defekte, vor allem Defekte der Affektivität und der Empathie, eine wesentliche Rolle bei den Tötungen gespielt haben. Nur drei der sieben Männer sind „echte“ Mehrfachtäter in dem Sinne, dass nach zwischenzeitlicher Ahndung zwei vollendete Tötungen begangen wurden. Einen ähnlich hohen Anteil von Mehrfachtätern, bei der es bei einer der beiden Taten beim Versuch blieb, waren jene mit Beziehungsstörungen gegenüber Frauen: 6 von 9 Verurteilten hatten – zumeist bei der ersten Tat – nicht den Tod des Opfers erreicht. Es könnte dies neben anderen Faktoren – mangelnde Übung, Störung von außen – auch Ausdruck einer noch nicht völlig überwundenen Ambivalenz gegenüber der Tötung sein. Insgesamt waren es ja 13 Männer, bei denen eine Tat als Versuch abgeurteilt wurde, 6 plus 4 = 10 Männer fallen in diese beiden Gruppen (Beziehungsgestörte und Schizophrene). Vor allem war es aber Zufall und Glück, dass die Opfer der Versuchstaten überlebten. Man muss schon ein gestandener Heizer sein, wenn man es überlebt, dass einem ein glühender Schürstab in den Bauch gerammt wird. Derartiges Vorgehen lässt keine Ambivalenz erkennen. Es werden nun also die 45 Männer mit ihren Geschichten jeweils knapp in den wesentlichen Aspekten dargestellt, gegliedert nach Motivgruppen. Vor jeder Gruppe kommt ein kurzer erläuternder Text mit den Gedanken eines forensischen Psychiaters über diese Tätergruppen. Dem folgen die „Stories“ jedes Einzelnen. Raubmord
Raubmord scheint die einfachste und klarste Sache zu sein, die man sich vorstellen kann. Das Motiv Raub ist stark, nachvollziehbar, rational: Man will etwas, das der andere besitzt. Man nimmt es ihm weg. Weil der das nicht will, macht man es mit Gewalt. Schon kleine Kinder tun das, und es braucht Jahre der Erziehung, dass sie das lassen und zumindest nur noch stehlen (Kröber u. Paar 2009). Raub setzt voraus, dass es etwas gibt, das man haben möchte; solange das nicht der Fall ist, kann man friedlich zusammenleben. Der Wert des Geraubten muss nicht hoch sein, es ist mehr als ein Raubmord begangen worden, nur um in den Besitz von 5 Euro zu kommen. Raubmord für 800.000 Euro oder für 10 Euro sind ethisch nicht unterschiedlich zu bewerten. Dass es sich im ersten Fall „wenigstens gelohnt hat“, macht die Tat nicht besser. Wir ertappen uns immer wieder dabei, dass wir den Wert eines Menschenlebens für einen Rechenwert halten; er ist aber inkommensurabel. Das Rauben und der Mord sind aber eine Sache der Kosten-Nutzen-Rechnung – nicht immer, aber gerade im professionellen kriminellen Milieu durchaus. Es findet ein Abgleich mit Risiken statt, vor allem dem Strafrisiko. Selten gibt es den Abgleich mit möglichen Nebenwirkungen – nämlich was alles schiefgehen könnte, und wie man sich mit einem Plan B absichern könnte – um möglichst „unnötige“ Schäden und nicht zuletzt eine „unnötige“ Tötung eines Menschen zu verhindern. Die Fallsammlung beginnt mit einem Serienmörder, nicht weil er zwei Mordserien hingelegt hat, sondern weil er „Mehrfachtöter“ ist: Er hat getötet, wurde dafür verurteilt und lange Jahre inhaftiert, und nach der Haftentlassung macht er bald weiter, weil er es nicht schafft, auf konventionelle Weise Geld zu verdienen und den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Wer wie Kristian A. nie in einem freien Arbeitsverhältnis gearbeitet hat, weil er lebenslang gar nicht lang genug in Freiheit war, schafft es nach langer Haft oft auch dann nicht, wenn er in Haft einen qualifizierten Berufsabschluss geschafft hat. Schon gar nicht schafft es der, der in Haft die Arbeit hartnäckig gemieden hat, weil er nicht die Absicht hat, dies zukünftig zu tun, oder gar aus Statusgründen: Weil ein Chef wie er nicht arbeitet, für ihn arbeiten andere. Der hat dann, damit er schuldlos ohne Arbeit ist, Rücken oder so etwas. Bei Räubern finden wir häufig eine kriminelle...