E-Book, Deutsch, 402 Seiten
Krombach Schriftliche Sprachmittlung im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-8233-0456-2
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine qualitativ-empirische Studie
E-Book, Deutsch, 402 Seiten
Reihe: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
ISBN: 978-3-8233-0456-2
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vorliegende qualitativ-explorative Grundlagenstudie bietet anhand mehrerer Fallstudien erstmals detaillierte Einblicke in die unterrichtliche Arbeit mit schriftlicher Sprachmittlungskompetenz (engl. mediation) im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe. Untersucht werden Lehr- und Lernprozesse in Auseinandersetzung mit schriftlichen Sprachmittlungsaufgaben. Eingebettet sind die Analysen in eine kritische Bestandsaufnahme der fachdidaktischen Diskussion und der bildungspolitischen Rahmenvorgaben. Das entwickelte qualitativ-empirische Design umfasst eine Triangulation aus Videoaufzeichnungen, schriftlichen Lernendenprodukten und Lehrkraft- und Lernendeninterviews. Die Studie leistet damit einen Beitrag zur Erforschung der schriftlichen Sprachmittlungskompetenz im Fremdsprachenunterricht und liefert Erkenntnisse über die Lehr-/Lernprozesse, die für die weitere Forschung und die Lehrerprofessionalisierung bedeutsam sind.
Dr. Leonhard Krombach lehrt Englischdidaktik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er ist als Lehrkraft für besondere Aufgaben für die Durchführung von Lehrveranstaltungen im Bereich der Sprach-, Literatur-, Kultur- und Mediendidaktik für angehende Lehrkräfte aller Schulstufen zuständig.
Autoren/Hrsg.
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2Konzepte von Sprachmittlung in fachdidaktischen und bildungspolitischen Dokumenten
Im Themenfeld Sprachmittlung existiert ein Konglomerat von Begriffen in fremdsprachendidaktischen, translationswissenschaftlichen und bildungspolitischen Veröffentlichungen. Dazu zählen Sprachmittlung(skompetenz), Mediation (dt.), mediation (engl.), médiation linquistique (et culturelle) (franz.), (kein) Dolmetschen/Übersetzen, sinngemäßes Übertragen, mediatorische oder translatorische Kompetenz, 5. und 6. (Teil-)Fertigkeit sowie Sprachmediation (u. a. de Florio-Hansen/Klein 2015; Kolb 2016). All diese Begriffe beschreiben verschiedene, identische oder der schulischen Sprachmittlung inhärente Konzepte. Sie verweisen darauf, dass die Auslegung von Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht heute auf drei wesentliche Entwicklungen zurückzuführen ist. Erstens auf die Tradition des ‚Übersetzens‘; zweitens auf die Veröffentlichung des GeR und der Auslegung von Sprachmittlung in den Bildungsstandards; drittens auf die Translationswissenschaft als Bezugsdisziplin. Folgend wird die Entwicklung von Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht in Deutschland nachgezeichnet, die mit der Rolle der Übersetzung und der Muttersprache verbunden ist, wobei auch die internationale Situation um translation und mediation behandelt wird. 2.1Historische Entwicklung von Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht
Historisch betrachtet ist die ‚Übertragung‘ von Wörtern/Texten von einer Ausgangs- in eine Zielsprache kein neues Thema in Fremdsprachenunterricht und -didaktik. Allerdings haben sich die mit ihr verbundenen Unterrichtsprinzipien und Lernziele verändert, denn jede Zeitepoche setzt bestimmte Erwartungen an die kognitiven, affektiven, sozialen und politischen Eigenschaften der Lernenden, wobei neue Methodenkonzeptionen nicht in deutlich abgrenzbaren Epochen umgesetzt werden, sondern es mannigfaltige Mischformen gibt (vgl. Gnutzmann/Salden 2010: 117). Als Ausgangspunkt für die Übersetzung im Fremdsprachenunterricht gilt die Grammatik-Übersetzungs-Methode des 19. Jahrhunderts.4 Leitendes kognitiv-ausgerichtetes Lernziel ist die Grammatikbeherrschung und die ‚Hin- und Herübersetzung’ (Mutter- in die Fremdsprache) ist die Methode des Unterrichts, wobei die Ausgangs- und Unterrichtssprache ausschließlich die Erstsprache ist und nur die Schriftsprache eingeübt wird (vgl. Neuner/Hunfeld 1993: 19; Grünewald 2017: 117). Fremdsprachenkompetenz bemisst sich an der Beherrschung von „Übersetzungskompetenz“ (Gnutzmann/Salden 2010: 119) bzw. als „translation as a skill“ (McLelland 2020: 24). Dagegen wendet sich die neusprachliche Reformbewegung Ende des 19. Jahrhunderts, wobei Viëtors Manifest „Der Sprachunterricht muß umkehren!“ als deren Motor fungiert: Er plädiert für die Förderung mündlicher Sprachkompetenz sowie den Verzicht auf die Übersetzung in die Fremdsprache als Übungs- und Prüfungsform, da dadurch nicht das Sprachkönnen der Lernenden zu garantieren sei (vgl. Schröder 2017b: 295). Abendroth-Timmer nimmt an, dass „bewusst bereits zwischen der Übersetzung mit dem Ziel des Grammatikerwerbs und der Übersetzung im Sinne von Sprachmittlung und kommunikativer Fertigkeit unterschieden wurde“ (2017: 495). Eine Differenzierung ist zu erkennen; allerdings stellt Viëtor die Übersetzung zum Zweck des Grammatikerwerbs der Übersetzung als Ziel der ästhetischen Funktion (‚Kunst‘) gegenüber, die mit heutiger Sprachmittlung wenig gemein hat. Durch die Reformbewegung entstehen die direkte Methode im späten 19. Jahrhundert (vgl. Gnutzmann/Salden 2010: 120) und unter Einfluss der linguistischen und lernpsychologischen Forschung treten ab den 1960er Jahren die behavioristische audiolinguale und audiovisuelle Methode in Erscheinung (vgl. Klippel 2016: 317). Den drei Ansätzen ist gemein, dass sie die Mündlichkeit und den alltäglichen Sprachgebrauch favorisieren. Es soll strikte Einsprachigkeit herrschen, sodass die Muttersprache und das Übersetzen ausgeschlossen werden (vgl. Neuner 2003: 228). Diese Abkehr ist zu hinterfragen: im Unterricht und Lehrwerken werden weiterhin Übersetzungsübungen eingesetzt, meist als Hinübersetzung von Einzelsätzen, wie die empirische Studie von Grotjahn und Klevinghaus (1975) zeigt.5 Im Spiegel der Kommunikativen Wende, die die grundsätzliche Auffassung von Fremdsprachenunterricht verändert, entbrennt in den 1970/1980er Jahren eine Debatte über Pro und Contra des Übersetzens im Fremdsprachenunterricht (vgl. Königs 2010: 97). In diese Diskussion spielt die 1973 postulierte These Butzkamms hinein, die Zuhilfenahme der Muttersprache behindere den Fremdsprachenerwerb nicht, sondern sei unverzichtbar und erleichtere diesen (vgl. Butzkamm 2002: 39). Damit wird die dogmatische Schärfe der Einsprachigkeit aufgehoben (vgl. Klippel 2016: 317). Der Gewinn aus dieser Debatte ist, dass die Rolle der Übersetzung in den 1970-90er Jahren überdacht wird (vgl. Königs 2010: 97 f.): Erstmals werden Schnittstellen von Übersetzungswissenschaft und Fremdsprachendidaktik fokussiert und Begründungen für die Übersetzung als eigenständiges Lernziel im Fremdsprachenunterricht geliefert (u. a. Meyer 1975; Königs 1989). Deutlich wird dies in der Forderung nach „translatorischer Kompetenz“ (Weller 1981: 269), die Übersetzen aus der Fremd- in die Muttersprache, aber auch Dolmetschen umfasst.6 Verstärkt wird die alltagsweltliche und berufliche Relevanz zweisprachigen Vermittelns betont (vgl. Bausch 1977: 486). Gleichermaßen wird die schulische Übersetzung, vor allem die Übersetzung kontextloser Einzelsätze, kritisiert (u. a. Wilss 1981), da es sich nicht um ‚richtiges‘ Übersetzen im Sinne der Übersetzungswissenschaft handele (vgl. Weller 1991). Eine schulische Übersetzungsdidaktik wird als nicht vorhanden angesehen, empirische Untersuchungen zur Übersetzung im Fremdsprachenunterricht gibt es keine (vgl. Weller 1994; s. aber Krings 1989 zur Übersetzung als Fertigkeit). Hallet plädiert deshalb mit Rückgriff auf die Skopostheorie (s. Kap. 2.7) und den kommunikativen Zielsituationen Meyers (1986), das schulische Übersetzen „mit Sprachmittlung oder translatorischem Handeln gleichzusetzen“ (1995: 297). Die Lernenden müssten anhand der Kommunikationssituationen entscheiden, wie sie den Kommunikationszweck erfüllen; wörtliche Übersetzungen sieht er Professionellen vorbehalten. Allerdings stößt dieses Plädoyer auf wenig Resonanz (vgl. Siepmann 2013: 190 f.). Durch die vorherigen Ausführungen wird deutlich, dass der Übersetzung eine neue Rolle zugeschrieben wird, die über die tradierte Sichtweise als Übungs- und Prüfungsform hinausgeht. Daher ist es zu vereinfacht anzunehmen, dass die Übersetzung mit Einführung der kommunikativen Ansätze in den 1980er Jahren ihre Bedeutung verlor, wie Abendroth-Timmer darstellt (vgl. 2017: 497). Vielmehr scheint es berechtigt, die proklamierte „Wende“ (Hallet 1995: 277) der vollständigen Ablehnung des Übersetzens im Fremdsprachenunterricht anzunehmen, verdeutlicht auch durch die Aufnahme übersetzerischer Aktivitäten seit dem Jahr 1990 in fremdsprachliche Richtlinien und Lehrwerke (vgl. Königs 2010: 98). Die geschilderte Neuorientierung der Übersetzung fällt nicht zufällig zusammen mit dem als Kommunikative Wende bezeichneten Paradigmenwechsel der 1980er Jahre von der Lehrerzentrierung hin zur Lernerorientierung (vgl. Doff 2016: 324). Unter dem Dach des Kommunikativen Ansatzes entwickeln sich methodische Ausprägungen, die das Verständnis von Aufgaben revolutionieren, die in Deutschland besonders durch Legutke (1988) und Piepho (1974), international durch communicative language teaching und task-based language learning vertreten sind (u. a. Canale/Swain 1980; Willis 1996; Ellis 2003; Nunan 2004). Den Ansätzen ist gemein, dass das Leitziel die kommunikative Kompetenz darstellt und sie den Prozesscharakter des Unterrichts betonen. Der Unterricht soll sich an authentischen Kommunikationssituationen orientieren und anstelle des Einübens sprachlicher Strukturen stehen die Lernenden als kommunikativ Handelnde im Zentrum (vgl. Krashen 1985; Swain 1995). Demnach ist die Muttersprache der Lernenden wichtig, da auf dieser die Zielsprache aufgebaut werden kann, und so wird das Übersetzen als Form des Wissenserwerbs mittels sprachkontrastiver Vorgehensweise eingesetzt (vgl. Kautz 2002: 440; Gnutzmann/Bohnensteffen 2012).7 Der pragmatisch-funktionale kommunikative Ansatz wird gegen Ende des 20. Jahrhunderts durch die interkulturelle Didaktik erweitert (vgl. Gnutzmann/Salden 2010: 125). Die soziokulturellen Dispositionen der Lernenden finden Berücksichtigung, anstelle des Modells des native speaker tritt der intercultural speaker, der fähig ist, zwischen seinen eigenen kulturellen Erfahrungen und denen seiner Gesprächspartner zu vermitteln (vgl. Byram 1997: 31 f.). Auffällig ist, dass weder Kolb noch Abendroth-Timmer auf die interkulturelle Didaktik...