Kühl | Die Internationale der Rassisten | Buch | 978-3-593-39986-7 | www.sack.de

Buch, Deutsch, 401 Seiten, Format (B × H): 143 mm x 214 mm, Gewicht: 492 g

Kühl

Die Internationale der Rassisten

Aufstieg und Niedergang der internationalen eugenischen Bewegung im 20. Jahrhundert
1. 2., aktualisierte Auflage 2014
ISBN: 978-3-593-39986-7
Verlag: Campus

Aufstieg und Niedergang der internationalen eugenischen Bewegung im 20. Jahrhundert

Buch, Deutsch, 401 Seiten, Format (B × H): 143 mm x 214 mm, Gewicht: 492 g

ISBN: 978-3-593-39986-7
Verlag: Campus


In seinem Standardwerk - jetzt in 2., überarbeiteter und erweiterter Auflage - zeichnet Stefan Kühl die Entwicklung der internationalen wissenschaftlichen Bewegung von Eugenikern und Rassenhygienikern Anfang des 20. Jahrhunderts nach. Zudem beleuchtet er ihren Einfluss über 1945 hinaus auf die Etablierung der Humangenetik und der Bevölkerungswissenschaft. Noch heute - wie bei Thilo Sarrazin - lassen sich Spuren des Diskurses auffinden.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Inhalt
Einleitung 9
Zur Revision des dominierenden Bildes der Eugenik 12
Das Zusammenspiel von Rassismus, Internationalismus

und Szientismus 16
Zur Darstellung der internationalen Eugenik

im 20. Jahrhundert 22
Kapitel 1
Der Traum von der genetischen Verbesserung des Menschen:

Die Entstehung der internationalen eugenischen Bewegung 25
Zwischen rassischem Internationalismus und 'ritterlichem

Wettstreit' der Nationen in der Kunst der 'Rassenaufartung' 27
Der erste internationale eugenische Kongress als Spiegelbild

der Vererbungsforschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts 37
Internationale Zusammenarbeit als Instrument zur

Verwissenschaftlichung der Eugenik: Das Permanent

International Eugenics Committee 45
Kapitel 2
Der Erste Weltkrieg und seine Auswirkung auf die

internationale Eugenik 55
Von sozialdarwinistischer Kriegstreiberei zu eugenischer

Friedenspolitik 56
Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Entwicklung

der Eugenik 66
Das Wiedererstarken der internationalen eugenischen Bewegung

und der zweite internationale eugenische Kongress 72
Die Reintegration Deutschlands in die internationale Bewegung 81
Kapitel 3
Rassismus, Internationalismus und Eugenik 87
Von der 'blonden Internationalen' bis zum 'Rassenbund

europäischer Völker' 89
Rassenforschung und Verwissenschaftlichung der Eugenik:

Die International Federation of Eugenic Organizations 95
Die Ausgrenzung lamarckistischer, sozialistischer

und feministischer Eugeniker 116
Kapitel 4
Die Krise der orthodoxen Eugenik und die Entstehung

der Humangenetik und Bevölkerungswissenschaft 128
Misere und Modernisierung der eugenischen Gesellschaften 130
Eugenik und die internationale Kooperation

in der menschlichen Vererbungslehre 138
Die Loslösung der Bevölkerungswissenschaft

von der orthodoxen Eugenik 145
Kapitel 5
Das nationalsozialistische Deutschland und die internationale

eugenische Bewegung 163
Das besondere Verhältnis von Nationalsozialismus und Eugenik 165
Die internationale eugenische Bewegung im Dienst

des Nationalsozialismus 169
Die weitere Zersplitterung der internationalen eugenischen

Bewegung 196
Internationale Kritik an der nationalsozialistischen

Rassenpolitik 198
Kapitel 6
Der Zweite Weltkrieg und der Massenmord an Kranken und

Behinderten 215
Nationalsozialistische 'Friedenspolitik' und die Ermordung

geistig Behinderter und psychisch Kranker 217
Deutsche Rassenhygiene im Zweiten Weltkrieg 227
Neuausrichtung der Eugenik außerhalb Deutschlands 231
Kapitel 7
Von der 'guten' und 'schlechten' Eugenik:

Die Neuorientierung auf humangenetische Beratung

und der Kampf gegen die 'Überbevölkerung' 236
Ein Neuanfang, der keiner war:

Rassenhygieniker im Nachkriegsdeutschland 239
Die UNESCO-Stellungnahme zur Rassenfrage:

Das vorläufige Ende der orthodoxen Eugenik 245
Die 'Entwissenschaftlichung' der Eugenik und die Ausbildung

verschiedener spezialisierter wissenschaftlicher Disziplinen 257
'Freiwilligkeit' und 'Beratung': Die Neuorientierung

der eugenischen Bewegung 263
Die eugenische Bewegung und die Diskussion

über die 'Überbevölkerung' 268
Kapitel 8
Die Renaissance der rassistischen Eugenik 279
Die Abspaltung der rassistischen Eugenik von der eugenischen

Hauptrichtung 282
Der Aufbau eines internationalen Netzwerkes von rassistischen

Eugenikern: Die International Association for the Advancement

of Ethnology and Eugenics 287
Der vergebliche Anschluss der Rassenforschung an die etablierte

Wissenschaft: Spagat zwischen Rechtsextremismus und akzeptierter Wissenschaft 303
Die kontroverse Diskussion einer rassistischen Eugenik

in den Massenmedien 319
Kapitel 9
Die Auflösung der eugenischen Bewegung: Kommt es zu einer

Eugenik ohne Eugeniker? 323

Nachwort 330

Abkürzungen 334

Quellen und Literatur 336

Register der Organisationen, Institutionen und Zeitungen 390

Personenregister 395


Einleitung
Der Versuch, die Qualität der Erbanlagen einer bestimmten Menschengruppe zu verbessern, wurde über lange Zeit unmittelbar mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Die Begriffe 'Eugenik' und 'Rassenhygiene', die auf die genetische 'Verbesserung' der Rasse zielen, rufen unweigerlich Erinnerungen an das Deutschland von 1933 bis 1945 hervor, da die Nationalsozialisten mithilfe dieser Konzepte die Zwangssterilisation von geistig Behinderten und psychisch Kranken, das Verbot der Heirat zwischen Behinderten und Nichtbehinderten und die Massenmorde an Behinderten und Kranken legitimiert hatten. Dies führte nach dem Zweiten Weltkrieg dazu, dass Rassenhygiene und Eugenik häufig auf die reaktionären, pseudowissenschaftlichen und menschenverachtenden Praktiken des Nationalsozialismus reduziert wurden.
In der kontroversen Diskussion über die möglichen Risiken von Maßnahmen wie vorgeburtliche Diagnostik, Befruchtung außerhalb des Mutterleibes, genetische Keimbahntherapie und Erzeugung genetisch identischer menschlicher Lebewesen, die durch die immensen Fortschritte der Gentechnologie in den 1970er und 1980er Jahren ausgelöst wurde, war diese Reduzierung der Eugenik auf die Rolle einer Vorreiterin für die nationalsozialistische Rassenpolitik ein zentraler Aspekt. Der Verweis auf die systematische Anwendung von Eugenik und Rassenhygiene im Nationalsozialismus diente Kritikern humangenetischer Maßnahmen als bequemes Totschlagargument gegenüber allen Versuchen, das Thema Eugenik wieder auf die politische und wissenschaftliche Tagesordnung zu setzen.
In der Zwischenzeit ist jedoch das noch Anfang der 1980er Jahre dominierende Bild von Eugenik und Rassenhygiene als reaktionär-konservativen Wegbereitern des Nationalsozialismus weitgehend zerbröckelt. Studien über verschiedene nationale eugenische Bewegungen haben gezeigt, dass die Eugenik keineswegs auf Deutschland, einige andere europäische Staaten und die USA begrenzt war, sondern in Brasilien genauso wie in China, in der Sowjetunion genauso wie in Japan propagiert wurde. Es ist dabei deutlich geworden, dass eine Politik zur Verbesserung des Erbgutes keinesfalls ein Monopol der Nationalsozialisten war. Vertreter fast aller politischen Richtungen haben die Eugenik als ein Konzept zur genetischen Aufbesserung der menschlichen Rasse propagiert. Weder Sozialisten noch Anarchisten, weder Konservative noch Liberale waren gegen die Verlockungen der wissenschaftlich begründeten Sozialtechnologie der Eugenik immun. Auch religiöse Verankerungen beispielsweise im Katholizismus, Protestantismus oder Judentum verhinderten in keiner Form die Propagierung einer eugenischen Politik. Im Gegenteil: Es entwickelten sich sowohl katholische und protestantische als auch jüdische Spielarten der Eugenik, die teilweise die Gesetzgebung in einzelnen Ländern beeinflussen konnten. Ferner hat sich in historischen Fallstudien über einzelne Eugeniker gezeigt, dass Eugenik nicht per se auf eine pseudowissenschaftliche Ideologie reduziert werden kann. Einige Eugeniker des 20. Jahrhunderts zählten zweifellos zu den führenden Wissenschaftlern ihrer Zeit.
Das neue, von Eugenikforschern und zunehmend auch von Journalisten umrissene Bild der Eugenik ist gekennzeichnet durch die Hervorhebung der Vielfältigkeit dieser Bewegung. Immer neue nationale, politische oder wissenschaftliche Sonderwege der Eugenik werden entdeckt, sodass ein Netz von solchen Sonderwegen in der Zwischenzeit schon fast das Normalbild der Eugenik konstituiert. Die ursprüngliche orthodox-rassistische, an den mendelschen Vererbungsgesetzen orientierte Eugenik wird in der Zwischenzeit lediglich als eine der vielen Varianten der Eugenik betrachtet.
Mit diesem Bild von der Verschiedenartigkeit der Eugenik kann jedoch nicht das letzte Wort in Sachen Eugenik und Rassenhygiene gesprochen sein. Die lobenswerten Studien über die sozialistische Eugenik in Deutschland und in der Sowjetunion, über wissenschaftlich brillante Eugeniker in den USA und Großbritannien, über die stark sozialhygienisch orientierte Eugenik in Frankreich, über die Eugenik in Südamerika und über deutsche Eugeniker, die sich entschieden gegen die Ermordung von geistig Behinderten und psychisch Kranken aussprachen, haben teilweise mehr neue Fragen aufgeworfen als alte beantwortet: Wenn die Eugenik ein weltweites Phänomen gewesen ist, wie waren die Beziehungen zwischen den einzelnen nationalen Bewegungen? Welche Konflikte gab es zwischen den verschiedenen Bewegungen? Wenn es wissenschaftlich herausragende Eugeniker gegeben hat, welche Verbindungen gab es dann zwischen der Eugenik als wissenschaftlicher Konzeption und der Eugenik als politischer Bewegung? Mit welchen Mitteln wurde versucht, die Eugenik zu verwissenschaftlichen, und welche Überlegungen führten dazu, dass diese Strategie später aufgegeben wurde? Wenn die Eugenik kein Spezifikum des Nationalsozialismus war, welche Beziehungen hatten die verschiedenen Richtungen der Eugenik dann zur nationalsozialistischen Rassenpolitik? Wenn wir die Diskussionen über Eugenik und Euthanasie als zwei unabhängig voneinander existierende Bereiche verstehen, wie können wir dann erklären, dass deutsche Eugeniker die Mordaktionen an Behinderten und Kranken geduldet bzw. unterstützt haben?


Kühl, Stefan
Stefan Kühl ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld.

Stefan Kühl ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld.



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