Landerl / Vogel / Kaufmann | Dyskalkulie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Landerl / Vogel / Kaufmann Dyskalkulie

Modelle, Diagnostik, Intervention
4. überarbeitete und erweiterte Aufl 2022
ISBN: 978-3-8463-5734-7
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Modelle, Diagnostik, Intervention

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-8463-5734-7
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dyskalkulie zeigt sich in Problemen im Zahlenverständnis, im Einprägen arithmetischer Fakten sowie im genauen und flüssigen Rechnen. Zahlreiche Kinder und Jugendliche sind davon betroffen. Oft leiden sie unter Angst vor Misserfolg und Schulversagen.

Die AutorInnen erklären neurokognitive Modelle des Zahlenverständnisses und des Rechnens und erläutern Methoden der Dyskalkuliediagnostik. Interventionsstrategien und (computerbasierte) Trainingsprogramme werden anschaulich dargestellt und bezüglich ihrer Wirksamkeit kritisch beleuchtet.

Die 4. Auflage wurde zu aktuellen Entwicklungen in Forschung, Diagnostik und Intervention überarbeitet und erweitert.

Landerl / Vogel / Kaufmann Dyskalkulie jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches 8
Vorwort zur 4. Auflage 9
1 Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Erwachsenen 11
1.1 Einleitung 11
1.2 Erste Fallberichte von Personen mit erworbenen Rechenstörungen 13
1.3 Akalkulie aus der Sicht der klinischen Neuropsychologie und der kognitiven (Neuro-)Psychologie 15
1.4 Neurokognitive Modelle der numerischen Kognition bei Erwachsenen 20
1.5 Zentrale Komponenten der arithmetischen Verarbeitung 23
1.5.1 Basisnumerische Verarbeitung 23
1.5.2 Rechenfertigkeiten 35
1.6 Neuronale Grundlagen der Zahlenverarbeitung und des Rechnens 41
2 Allgemeine Entwicklung der Zahlenverarbeitung und der Rechenleistungen 51
2.1 Zahlenverständnis bei Tieren 51
2.2 Präverbales Verständnis von Numerositäten bei Babys 54
2.3 Die Entwicklung des Zählens 64
2.4 Symbolische Repräsentation von Numerositäten: Zahlwörter und arabische Zahlen 67
2.5 Mehrstellige Zahlen 71
2.6 Erwerb der arithmetischen Kompetenzen 76
2.7 Fingerrechnen 80
2.8 Der Übergang vom zählenden Rechnen zum Abruf von arithmetischen Fakten 82
2.9 Auswahl der besten Rechenstrategie 84
2.10 Intuitive und kulturelle Mathematik 86
2.11 Geschlechtsunterschiede 88
2.12 Leistungsmotivation, Selbstbild, Emotion und Rechenleistung 89
2.13 Modelle der Entwicklung der Rechenleistung 94
2.13.1 Ein Vier-Stufen-Entwicklungsmodell der Zahlenverarbeitung nach von Aster 94
2.13.2 Entwicklungsmodell der Zahl-Größen-Verknüpfung nach Krajewski 96
2.13.3 Modell der mathematischen Kompetenzentwicklung nach Fritz und Ricken 99
3 Dyskalkulie 102
3.1 Definition 102
3.2 Epidemiologie 105
3.3 Prognose 106
3.4 Neurobiologische Befunde 108
3.5 Typische Symptomatik 109
3.6 Kognitive Defizite bei Dyskalkulie 115
3.6.1 Kognitive Repräsentation von Numerositäten 116
3.6.2 Langzeitgedächtnis 125
3.6.3 Arbeitsgedächtnis 127
3.6.4 Exekutive Funktionen 130
3.6.5 Visuell-räumliche Verarbeitung 133
3.6.6 Motorische Verarbeitung 134
3.7 Komorbiditäten mit anderen Störungen 137
3.8 Die Frage der Subtypen 143
3.9 Dyskalkulie – ein Kausalmodell 150
4 Diagnostik 155
4.1 Schulleistungstests 158
4.2 Tests, die auf neurokognitiven Theorien der Zahlenverarbeitung und des Rechnens basieren 170
4.3 Verfahren zur Früherkennung 178
4.4 Synopsis der vorgestellten Verfahren 182
5 Instruktion, Förderung und Intervention 184
5.1 Überlegungen zur Mathematikdidaktik 184
5.1.1 Instruktionsmethoden 186
5.1.2 Optimierung des Lernprozesses – Scaffolding 188
5.1.3 Anschauungshilfen 189
5.1.4 Pragmatische Aspekte der Mathematikdidaktik 194
5.2 Frühförderprogramme 199
5.3 Förderung und Intervention bei Dyskalkulie 206
5.3.1 Allgemeine Überlegungen zur Interventionsplanung 206
5.3.2 Differenzielle Interventionseffekte 207
5.3.3 Dyskalkulie-Interventionsprogramme 209
5.3.4 Besser rechnen durch neuronale Stimulation – derzeit noch Zukunftsmusik 216
5.4 Synopsis Intervention 217
Glossar 219
Literatur 228
Sachregister 250


2 Allgemeine Entwicklung der Zahlenverarbeitung und der Rechenleistungen 2.1 Zahlenverständnis bei Tieren Wissenschaftliche Befunde aus dem Tierreich werden häufig herangezogen, wenn die biologische Basis einer Fähigkeit belegt werden soll. Obwohl unbestritten nur der Mensch in der Lage ist, komplexe und abstrakte mathematische Prozesse durchzuführen, so wird sich doch im nachfolgenden Kapitel zeigen, dass vermutlich auch Tiere über ein oft überraschend detailliertes Verständnis von Anzahlen und Mengen verfügen.
abstrakte Repräsentation Einen eindrucksvollen Befund zur Verarbeitung von Anzahlen bei Tieren lieferten Jordan und Brannon (2003) in einer Studie mit Rhesusäffchen. Drei Rhesusäffchen wurden trainiert, visuelle Displays anhand der Anzahl der abgebildeten Elemente zu sortieren: Zuerst wurde ein Display mit entweder 2 oder 8 Elementen präsentiert. Wenn das Äffchen den Bildschirm berührte, verschwand diese Vorlage, und es erschienen zwei neue Displays mit 2 und 8 Elementen. Nun mussten die Tiere dasjenige Display auswählen, das in der Anzahl mit dem zuvor gezeigten Target-Display übereinstimmte. Jede korrekte Antwort wurde unmittelbar belohnt (durch Futter). Die Tiere konnten ihre Entscheidung nicht an visueller Identität orientieren, weil das korrekte Auswahldisplay niemals identisch zur Vorlage war: Vorlage- und korrektes Auswahldisplay unterschieden sich in Größe, Farbe und Dichte und stimmten lediglich in der Anzahl der Elemente überein. Wichtig war es auch, dass die Tiere nicht eine relativ einfache Entscheidung von „mehr“ und „weniger“ treffen konnten. Mehr Punkte verdecken üblicherweise auch eine größere Fläche des Displays. Dies wurde gewährleistet, indem in einem Teil der Aufgaben 2 sehr große Punkte 8 sehr kleinen Punkten gegenübergestellt wurden. Eine Entscheidung auf Basis von „mehr Oberfläche“ würde hier also systematisch zu falschen Entscheidungen führen. Nach einer Lernphase waren die Äffchen gut in der Lage, ihre Entscheidung tatsächlich ausschließlich auf Basis der Anzahl der dargebotenen Elemente zu treffen und dabei gleichzeitig andere Merkmale wie Farbe, Größe oder verdeckte Fläche zu ignorieren. Um zu untersuchen, ob die Äffchen nun in diesem Experiment lediglich die Unterscheidung von „2“ und „8“ gelernt hatten oder ob sie tatsächlich verstanden hatten, dass sie Urteile auf Basis der präsentierten Anzahlen treffen sollten, wurde im Anschluss an die Trainingsphase eine weitere Aufgabe durchgeführt: Jetzt enthielt das erste Display plötzlich eine beliebige Anzahl von 1 bis 9 Elementen, anschließend wurden nach wie vor 2 oder 8 Elemente präsentiert. Die Aufgabe bestand nun darin, zu entscheiden, welches der beiden Auswahldisplays dem ersten Display ähnlicher war. In dieser Testphase ließ sich zeigen, dass die Tiere tatsächlich imstande waren, die Anzahl als zentrales Kriterium ihrer Entscheidung heranzuziehen: Während 7 Punkte eher 8 Punkten zugeordnet wurden, wurden 3 Punkte eher dem Auswahldisplay „2“ zugeordnet. Verständnis der Ordinalität In einem anderen experimentellen Paradigma (Brannon / Terrace 1998; 2000; 2002) lernten Rhesusäffchen, vier parallel dargebotene Displays, die jeweils 1, 2, 3 und 4 Objekte abbildeten, in ansteigender Reihenfolge am Touch-Screen zu berühren. Die vier Displays bildeten zum Teil sehr unterschiedliche Objekte ab (z. B. 1 Kreis, 2 Dreiecke, 3 Blumen und 4 Kreuze). Wiederum wurden nichtnumerische Faktoren wie Größe, Dichte und insgesamt verdeckte Oberfläche experimentell variiert. Auch hier zeigte sich, dass die Äffchen diese perzeptuellen Merkmale tatsächlich ignorieren konnten und rasch lernten, ihre Auswahl auf Basis der Ordinalität, also der ansteigenden Anzahl der vier Displays, zu treffen. Interessanterweise konnten die Äffchen das Prinzip der Ordinalität auch auf die nicht trainierten Ordinalzahlen 5 bis 9 anwenden: Die Tiere sollten nun Displaypaare ansteigend nach ihrer Ordinalität berühren, erst das numerisch kleinere und dann das numerisch größere. Im trainierten Zahlenraum 1 bis 4 konnten die beiden Äffchen diese Anforderung mit hoher Genauigkeit erbringen. Auch der Vergleich einer trainierten mit einer untrainierten Anzahl (z. B. 2 vs. 6) bereitete ihnen wenig Schwierigkeiten. Spannenderweise lag auch die Leistung bei Vergleichen von zwei untrainierten Anzahlen (z. B. 8 vs. 6) signifikant über dem Rateniveau. Die hier beschriebenen nonverbalen Fertigkeiten numerische Anzahlen zu unterscheiden und zu ordnen zeigten sich interessanterweise nicht nur bei Primaten. So gibt es wissenschaftliche Befunde, dass diverse Vogelarten (z. B. Pepperberg 2006; Pepperberg / Carey 2012), Fische (z. B. Agrillo et al. 2009) und Amphibien (z. B. Krusche et al. 2010) über ein rudimentäres Mengenverständnis verfügen. Die meisten Studien wurden allerdings im Labor durchgeführt und die Tiere waren erst nach einer intensiven Trainingsphase in der Lage, die hier beschriebenen Leistungen zu erbringen. Evidenz dafür, dass numerische Information in der freien Wildbahn genutzt wird (z. B McComb et al. 1994) sind eher selten und es ist nicht endgültig geklärt, ob Tierarten auch spontan, ohne spezifisches Training, numerische Fertigkeiten hervorbringen. arabische Zahlenrepräsentation Ebenfalls aus dem Labor stammen die beeindruckenden Befunde, dass nicht-menschliche Primaten in der Lage sind, symbolische Darstellung von Anzahlen in Form von arabischen Zahlen zu erlernen. Washburn und Rumbaugh (1991) boten z. B. zwei Rhesusäffchen arabische Zahlenpaare auf einem Touchscreen dar. Die jeweils berührte Zahl erhielten die Tiere als Futtereinheiten (z. B. 5 Futterkügelchen, wenn sie die Zahl 5 wählten). Die beiden Äffchen lernten schnell, die jeweils größere arabische Zahl zu wählen, d. h. sie hatten verstanden, dass diese Ziffer die größere Futtermenge symbolisierte. Weitere Studien um die Forschungsgruppe von Professor Tetsuro Matsuzawa in Tokio konnten eindrucksvoll belegen, dass Schimpansin AI in der Lage ist, arabische Zahlen zu lernen, diese mit der entsprechenden Mächtigkeit von Punktemengen zu verknüpfen (5 = 5 Punkte) und der Reihe nach aufsteigend anzuordnen (Biro / Matsuzawa 2001; Matsuzawa 1985; Tomonaga / Matsuzawa 1993). Auch hier erlernen Primaten diese symbolischen Repräsentationen von Mengen nie spontan, sondern immer nur im Rahmen von teils sehr aufwändigen Trainingseinheiten. Hier wird ein wesentlicher Unterschied zur Entwicklung der Zählfertigkeiten bei Kindern deutlich. Diese erwerben gewöhnlich bereits im Vorschulalter, eingebettet in Alltagsaktivitäten, anscheinend automatisch numerische Kompetenzen, die Tiere kaum entwickeln können. Zusammenfassend belegen diese Studien eindrucksvoll, dass Sprache keine zentrale Voraussetzung für das Verständnis von Anzahlen und Mengen ist und Tiere in der Lage sind, einfache numerische Fertigkeiten zu erwerben. Wie präzise ist diese nonverbale mentale Repräsentation von Numerositäten bei Tieren? Die derzeitigen Befunde deuten darauf hin, dass Tiere Anzahlen nicht präzise (diskret), sondern vielmehr unpräzise als ungefähre (approximative) Mächtigkeit von Mengen repräsentieren (Brannon 2006; Cantlon et al. 2009) – dies wird häufig als Approximatives Zahlensystem bezeichnet. Platt und Johnson (1971) trainierten etwa Ratten, eine bestimmte Anzahl (4, 8, 16 oder 24) von Hebelbewegungen durchzuführen, um eine Belohnung zu erhalten. Es zeigte sich, dass die Ratten die Anzahl der Hebelbewegungen natürlich nicht präzise abzählen konnten. Vielmehr ergab sich eine Normalverteilung um die geforderte Anzahl. Interessanterweise zeigen Menschen in vielen Fällen ähnliche Antwortmuster wie Tiere. Dies deutet darauf hin, dass die Basis numerischer Verarbeitungsprozesse bei Menschen und Tieren Gemeinsamkeiten aufweist (Cantlon 2012). So zeigten Erwachsene ein ähnliches Verhaltensmuster wie die Ratten im Experiment von Platt und Johnson (1971), wenn sie gebeten wurden, eine Taste so schnell wie möglich und ohne explizit mitzuzählen zwischen 7- und 25-mal zu betätigen (Whalen et al. 1999). Diese und andere Befunde weisen darauf hin, dass die mentale Repräsentation von Numerositäten bei Tieren und Menschen grundsätzlich ähnlich sein dürfte, auch wenn Menschen die ihnen angeborenen numerischen Kompetenzen kulturell weiter ausdifferenzieren können. Eine wesentliche Kompetenz, die Menschen im Unterschied zu Tieren hilft, die kognitive Repräsentation von Numerositäten zu präzisieren, ist die Fähigkeit abstrakte symbolische Repräsentationssysteme wie Sprache und das Arabische Zahlensystem zu erwerben. Wir können 745 Büroklammern präzise zählen und in Form von Zahlensymbolen darstellen – eine Kompetenz, die Tieren nicht zur Verfügung steht. Nichtsdestotrotz ermöglicht uns die Erforschung der mentalen Repräsentation von Numerositäten bei Tieren einen wichtigen Einblick in die evolutionsbiologischen Grundlagen der numerischen Kognition des Menschen. Der letzte Abschnitt sollte deutlich machen, dass Vorläufer der menschlichen Kognition auch bereits im Tierreich zu beobachten sind. Zusammenfassung Etliche Tierarten sind in der Lage, die Anzahl von Elementen unabhängig von kontinuierlichen Merkmalen wie Größe oder Oberfläche zu repräsentieren. Es gibt sogar erste Hinweise, dass diese Repräsentationen intermodal genutzt werden können. Diese abstrakten Repräsentationen von Numerositäten können genutzt werden, um Sets von Elementen nach ansteigender Anzahl zu...


Landerl, Karin
Prof. Dr. Karin Landerl lehrt an der Universität Graz.

Vogel, Stephan
Ass.-Prof. Dr. Stephan Vogel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im ArbeitsbereichBegabungsforschung an der Universität Graz.

Kaufmann, Liane
Prof. Dr. Liane Kaufmann ist Senior Scientist am Institut für Psychologie, Universität Innsbruck,Österreich



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