E-Book, Deutsch, 216 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Lausch Trust me. Warum Vertrauen die Zukunft der Arbeit ist
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-648-17236-0
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie wir eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Unternehmen fördern, Mitarbeiter stärken und New Leadership umsetzen
E-Book, Deutsch, 216 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-17236-0
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Karin Lausch ist Leadership-Expertin und Executive Coach. Sie begleitet seit 13 Jahren Führungskräfte in ihrer Entwicklung und zu allen Fragen der Führung. Mit ihrer Arbeit und ihrer Reichweite setzt sich die Keynote Speakerin für New Work und mehr Menschlichkeit im Arbeitsleben ein und unterstützt Teams in ihrer Entwicklung und Potenzialentfaltung.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Organisationstheorie, Organisationssoziologie, Organisationspsychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologische Disziplinen Wirtschafts-, Arbeits- und Organisationspsychologie
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Management
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Unternehmensorganisation, Corporate Responsibility Unternehmenskultur, Corporate Governance
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Warum sich beim Thema psychologische Sicherheit ein zweiter Blick lohnt
Dr. Michael Trautmann
Es war eine der größten Lektionen, die ich als Co-Founder und Vorstand der Werbeagenturgruppe thjnk von unserem damaligen Leiter Sport-Marketing bekam. Der ehemalige Hockeynationalspieler Moritz Fürste hatte zwischen 2007 und 2010 sein Duales Studium in der Vorgängeragentur kempertrautmann absolviert und wurde im Anschluss unter anderem zweimal Olympiasieger und Welthockeyspieler. 2015 kam er zurück, als Leiter Sport-Marketing. Das Übernahmegespräch, das seine Probezeit beenden sollte, verlief ganz anders, als ich es erwartet hatte. Ich war nach 10 Minuten fertig, denn ich war mehr als zufrieden und war der Überzeugung, dass wir gemeinsam auf dem richtigen Weg waren. Moritz bedankte sich für das positive Feedback und das Vertrauen, das wir in ihn setzten.
Doch für Moritz war das Gespräch keineswegs beendet. Er fragte mich, ob ich auch an einem Feedback interessiert sei, was ich bejahte. In den folgenden 50 Minuten gab mir Moritz einen Blick auf unsere Agentur, den ich so noch nie hatte und der sich gleichzeitig doch so richtig und so schmerzhaft anfühlte. Seiner Beobachtung nach mangelte es uns an einer ausgewogenen Feedbackkultur. Die offizielle Kommunikation fokussiere nur auf die Erfolge und die positiven Dinge und in der Agentur hätte sich ein Kommunikationsstil eingeschlichen, der die Dinge immer nur von der positiven Seite beleuchtete. Das hätte zur Folge, dass sich nur wenige Mitarbeitende trauten, unangenehme Dinge offen anzusprechen. In meiner bisherigen Einschätzung hatte die Agentur eine angstfreie Kultur, denn wir waren doch immer nett zueinander. Ich wusste damals nicht, ob ich heulen oder lachen sollte, aber ich konnte sofort fühlen, dass er recht hatte. Das Konzept der psychologischen Sicherheit kannte ich damals noch nicht.
Es kommt immer wieder zu Missverständnissen über psychologische Sicherheit
Amy C. Edmondson spricht in diesem Zusammenhang von vier typischen Missverständnissen, die uns im Weg stehen können, wenn wir das Thema psychologische Sicherheit im Unternehmenskontext als Konzept einsetzen wollen:
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Psychologische Sicherheit bedeutet, dass wir immer nett zueinander sind.
Das Gegenteil ist oft der Fall. Unternehmen, in denen die Menschen in Meetings besonders höflich zueinander sind, haben oft ein Problem mit dem offenen Austausch von kritischen Themen und Problemen. Wenn die unangenehmen Themen dann auf dem Flur besprochen werden, wird es besonders schlimm. »Kurz gesagt, Nettigkeit ist nicht das Gleiche wie psychologische Sicherheit.«
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Psychologische Sicherheit ist ein Synonym für Extrovertiertheit.
»Psychologische Sicherheit ist kein Persönlichkeitsmerkmal.« Die Forschung beweist, dass Menschen sich nicht deshalb unsicher fühlen, weil sie introvertiert sind. Wenn Menschen sich sicher fühlen, werden sie sich engagieren und zwischenmenschliche Risiken eingehen, egal ob sie extrovertiert oder introvertiert sind.
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Psychologische Sicherheit ist nur ein anderes Wort für Vertrauen.
Die beiden Themen sind miteinander verwandt, aber sie sind »keine austauschbaren Konzepte«. Vertrauen entwickelt sich in der Regel zwischen Individuen. Das Gefühl der psychologischen Sicherheit entsteht im Team.
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Psychologische Sicherheit senkt die Leistungsbereitschaft und die Leistungsstandards.
Das Konzept der psychologischen Sicherheit bedeutet nicht, die Leistungsstandards zu senken. Es ist daher mit dem Setzen ehrgeiziger Ziele vereinbar. Psychologische Sicherheit fördert sogar Bestleistungen. Nur wenn beide Dimensionen erfüllt sind, kann ein Team in eine »Lernzone« gelangen.27
Insbesondere dem ersten und dem vierten Missverständnis gilt es, unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Auf der einen Seite liegen hier die Argumente vieler älterer Führungskräfte, die das Thema psychologische Sicherheit oft mit dem Hinweis, dass so keine Leistungsbereitschaft erzielt werden könne, ablehnen. Auf der anderen Seite springen insbesondere diejenigen »New Worker« zu kurz, die sich in vordergründigen Harmoniediskussionen oder der grundsätzlichen Ablehnung von Konflikten und Leistungsanforderungen verheddern. Ein Unternehmen, das in der heutigen Zeit überleben will, braucht beides, Leistungsbereitschaft und psychologische Sicherheit und ein gesunder Umgang mit Konflikten gehört ebenfalls dazu.
Ein Mangel an psychologischer Sicherheit ist häufig die Ursache von Katastrophen und Unfällen
Es führt nicht immer zu Katstrophen, wenn in Arbeitsumfeldern Teams keine psychologische Sicherheit empfinden. Aber es ist wichtig festzuhalten, dass viele Unfälle genau hier ihren Ursprung haben. Amy Edmondson beschreibt einige Tragödien und führt sie auf einen Mangel an psychologischer Sicherheit zurück.
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Der Flugzeugabsturz auf Teneriffa
Am 27. März 1977 kommt es auf dem Flughafen Los Rodeos auf Teneriffa zwischen zwei Flugzeugen vom Typ Boeing 747 zu einem der schlimmsten Flugzeugunfälle der Geschichte. Der Pilot der beteiligten KLM-Maschine galt als sehr erfahrener Kapitän. Obwohl sein erster Offizier irritiert war, als er die Boeing trotz fehlender Freigabe durch den Tower startete, erhob er keine weiteren Einwände. Er fragte zwar noch einmal nach, ob der Pilot sich sicher sei, dass die Landebahn frei war, aber als dieser mit »natürlich« antwortete und den Start fortsetzte, fehlte dem Ersten Offizier offensichtlich der Mut, einzugreifen. Die KLM-Maschine stieß mit einer Maschine der Pan Am zusammen. Beide Flugzeuge gingen in Flammen auf und 583 Menschen starben.
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Raumfähre Columbia
Der Unfall der Raumfähre Columbia, die am 1. Februar 2003 beim Wiedereintritt aus dem All auseinanderbrach, hätte wahrscheinlich ebenfalls verhindert werden können. Einer der Ingenieure hatte zuvor etwas Verdächtiges bemerkt, aber sein Vorgesetzter sagte, es sei nichts. Der Ingenieur schwieg und kommentierte hinterher sinngemäß: »Ich konnte einfach nichts sagen, ich war in der Hierarchie zu weit unten.«
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Fukushima
Wiederholte Warnungen von Katsushiko Ishibashi, einem Professor am Forschungszentrum für urbane Sicherheit an der Universität Kobe, wurden ebenfalls überhört. Er wies darauf hin, dass es sehr gefährlich sei, das Atomkraftwerk Fukushima »in Gebieten mit dem Potenzial für hohe seismische Aktivität« zu bauen und forderte wiederholt bessere Sicherheitsvorkehrungen. Die Kraftwerksbetreiber lehnten seine Vorschläge ab. Eine Kraftwerksinspektorin sagte der japanischen Regierung, sie solle sich »keine Sorgen machen«, denn der Professor sei ein »Niemand«. Schätzungsweise 15.000 Menschen starben bei dem Reaktorunfall vom 11. März. 2011, der durch ein starkes Erdbeben und den darauffolgenden Tsunami ausgelöst wurde.28
Diverse Teams haben die Chance, bessere Ergebnisse zu erzielen, aber nur, wenn sie psychologisch sicher sind
Diversität wird oft als ein wichtiger Faktor für erfolgreiche Teams genannt. Zahlreiche Studien zeigen, dass Teams, die in ihrer Zusammensetzung vielfältig sind, klüger sind und bessere Leistungen erbringen. Das liegt oft daran, dass sie mehr Alternativen in Betracht ziehen und weniger schnell das Bedürfnis haben, eine Einheit zu bilden. Auch wenn sich Gemeinsamkeiten anziehen und Teams mit Mitgliedern, die viele Gemeinsamkeiten haben, sich zunächst besser verstehen, sind Teams mit mehr Vielfalt auf lange Sicht die erfolgreicheren – sie achten auf unterschiedliche Dinge, reiben sich konstruktiv aneinander und bringen die besseren Ideen hervor. Die ehemalige Lufthansa-Chefin Simone Menne, die als erste Frau Finanzvorstand eines DAX-Unternehmens in Deutschland wurde, bestätigt das: »Vielfältige Teams können mehr Perspektiven einnehmen und deshalb bessere Entscheidungen treffen.«29
Katherine Phillips schreibt in ihrem 2014 erschienenen Artikel »How Diversity Makes Us Smarter«, dass Vielfalt uns auch fleißiger macht: »Der Umgang mit Menschen, die anders sind als wir, macht uns kreativer, fleißiger und lässt uns härter arbeiten.«30 Jüngste Studien zeigen jedoch, dass gerade vielfältige Teams ein besonders hohes Maß an psychologischer Sicherheit brauchen. Wenn es daran fehlt, erzielen sie unterdurchschnittliche Ergebnisse. Zu diesem Ergebnis kommen Amy Edmondson und Henrik Bresman in einer Studie aus dem Jahr 2022.31
Insgesamt trägt psychologische Sicherheit dazu bei, ein positives Arbeitsklima zu schaffen, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten können. Sie fördert die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, erhöht die Leistungsbereitschaft und trägt langfristig zum Erfolg des Unternehmens bei. Die Herausforderung: Es hört sich leichter an als es ist, sie dauerhaft in Teams und Organisationen zu verankern.
27 Edmondson, Amy C., Die angstfreie Organisation, Wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen, Verlag Franz Vahlen GmbH, München, 2020, S. 14-16.
28 Edmondson, Amy C., Die angstfreie Organisation, Wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen, Verlag Franz Vahlen GmbH, München, 2020, S. 68-77.
29 Trautmann, Michael; Magnussen, Christoph, On the Way...