Lerch | Der Tritt auf das Antlitz Christi | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 115 Seiten

Lerch Der Tritt auf das Antlitz Christi

Die e-fumi-Zeremonie in Japan
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-945058-21-3
Verlag: Hibarios Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die e-fumi-Zeremonie in Japan

E-Book, Deutsch, 115 Seiten

ISBN: 978-3-945058-21-3
Verlag: Hibarios Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die europäischen Versuche, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Japan Fuß zu fassen, begannen mit missionarischem Eifer und der Hoffnung auf ertragreiche Handelsgeschäfte. Sie führten nur wenige Jahrzehnte später zur fast vollständigen Isolation Japans und zu einer der brutalsten Christenverfolgungen der Geschichte. Studien zur Politik der Shogunatsregierung in der Edo-Zeit haben gezeigt, dass das Bild vom "abgeschlossenen Japan", insbesondere im Hinblick auf den Waren- und Wissensaustausch, revidiert werden muss. Dagegen wird von der Forschung nicht in Frage gestellt, dass der Zugang des katholischen Europa nach Japan verhindert und alle vorhandenen christlichen Einflüsse im Land ausgemerzt werden sollten. Die Werkzeuge der japanischen Inquisition waren vielfältig. Die Glaubensüberprüfung der japanischen Bevölkerung, bei der eine Reihe speziell entwickelter Foltermethoden zum Einsatz kam, war eingebettet in ein ausgeklügeltes System zur Untertanenkontrolle. In dem Repertoire der inquisitorischen Maßnahmen nahm die e-fumi-Zeremonie, das Treten christlicher Symbole mit den Füßen, eine besondere Rolle ein, da bei dieser Methode zunächst auf physische Gewaltanwendung verzichtet und stattdessen psychischer Druck auf mögliche Anhänger des christlichen Glaubens ausgeübt wurde. Doch wer den Tritt verweigerte, den erwartete der Tod. War die Christenverfolgung und speziell die e-fumi-Zeremonie wirklich eine rein innerjapanische Angelegenheit? War es nicht gerade die erfolgreiche Arbeit der Missionare in den Jahrzehnten vor der Landesabschließung, die die Effektivität dieser Inquisitionsmaßnahme erhöhte? Welche Rolle spielten die wenigen Europäer, die sich nach der Landesabschließung in Japan aufhielten und wie wirkten ihre Berichte über die e-fumi-Zeremonie in Europa? Die Analyse der e-fumi-Zeremonie anhand japanischer, jesuitischer und niederländischer Quellen zeigt, dass neben dem Austausch von Waren und Wissen auch religiösen Aspekten eine wesentliche Bedeutung für die Wechselwirkung zwischen Japan und Europa in der Zeit der vermeintlichen Landesabschließung zukam.

Klaus Lerch ist ein deutscher Autor, Übersetzer und Herausgeber von Büchern mit Bezug zu Japan.

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3 Die e-fumi-Zeremonie als Werkzeug zur systematischen Verfolgung japanischer Christen
3.1 Historische Entwicklung
3.1.1 Entstehung am Höhepunkt der Christenverfolgung
Schon bald nach seiner Ankunft in Japan im Jahre 1549 realisierte Francisco Xavier, dass bildlichen Darstellungen aufgrund der hohen Sprachbarriere eine besondere Bedeutung für die Propagierung der christlichen Religion zukamen.1 Auch in den Abschlussdokumenten zum Konzil von Trient wurde 1563 auf die didaktische Wirkung von Devotionalien hingewiesen und ihre intensive Nutzung bei der Missionsarbeit gefordert.2 Unter Alessandro Valignano errichteten die Jesuiten im Jahre 1583 in Arima eine Kunstakademie, die fortan den zunehmenden Bedarf an christlichen Objekten durch lokale Produktion decken sollte.3 Japanische Christen entwickelten eine tiefe Verehrung für Devotionalien, die für sie den christlichen Gott symbolisierten und denen sie heilende und Wunder bewirkende Eigenschaften zusprachen.4 So konnten in den ersten Jahrzehnten der Missionierung unter Verwendung geweihter Kreuze, Amulette und Bilder beachtliche Erfolge erzielt werden.5 Die christliche Missionierung wurde in den letzten Jahrzehnten der sengoku-Periode6 von vielen daimyo7 und später auch von Oda Nobunaga, dem ersten der drei Reichseiniger, unterstützt.8 Die Rahmenbedingungen änderten sich nach der Machtübernahme durch Toyotomi Hideyoshi, der im Jahre 1587 ein Edikt zur Ausweisung der Missionare erließ und damit den Prozess der Unterdrückung der christlichen Religion in Japan einleitete.9 Die Verordnung wurde zunächst nur zögerlich umgesetzt, da auch Hideyoshi nicht auf die attraktiven Handelsgeschäfte mit den Spaniern und Portugiesen verzichten wollte, die die Missionierung begleiteten.10 Erst nach dem San-Felipe-Zwischenfall im Jahre 1596 zog Hideyoshi die breit angelegte Verfolgung der japanischen Christen in Erwägung. Zu dieser Zeit soll Mayeda Gen-i, der bugyo11 von Kyoto, vorgeschlagen haben, die Wirkkraft von Devotionalien zur Identifizierung japanischer Christen zu nutzen.12 Sein Vorschlag, das Treten auf christliche Objekte als Glaubenstest einzuführen, soll jedoch nicht umgesetzt worden sein, da Hideyoshi schließlich doch von einer organisierten Verfolgung absah und sich mit der Hinrichtung von 26 Christen in Nagasaki als abschreckende Maßnahme sowie lokal begrenzten Verfolgungsmaßnahmen in der Provinz Bungo und auf der Insel Hirado begnügte.13 Zu einer breiter angelegten Verfolgung kam es erst unter Tokugawa Ieyasu, der 1614 ein umfassendes Edikt zur Ausweisung aller Missionare, zur Zerstörung der christlichen Kirchen und zur Rekonversion aller japanischen Christen erließ, nachdem er mit den Niederländern und Engländern nichtkatholische Alternativen für den Handel mit europäischen Waren gefunden hatte.14 Unter Tokugawa Iemitsu erreichte die Christenverfolgung in den Jahren 1627 bis 1634 ihren Höhepunkt an Brutalität.15 Der niederländische Protestant Reyer Gysbertszoon stand von 1622 bis 1629 in Diensten der VOC in Japan und war dort Augenzeuge der Verfolgungsmaßnahmen gegen die Christen.16 Sein Bericht enthält eine detaillierte Beschreibung der Folter- und Hinrichtungsmethoden, die von den japanischen Inquisitoren praktiziert wurden.17 Die Ausführungen des Niederländers bestätigen frühere Schilderungen in Jesuitenbriefen.18 An keiner Stelle in Gysbertszoons Bericht findet sich ein Hinweis auf die Anwendung der e-fumi-Zeremonie, die in dieser Zeit wohl noch nicht zum Repertoire der Verfolgungsbeamten gehörte. Zumindest war sie noch nicht sichtbar für westliche Beobachter wie Gysbertszoon. Dieser wies aber bereits auf einen Strategiewechsel der Inquisitoren hin.19 Stand in den ersten Jahren der Verfolgung die Tötung identifizierter Christen im Vordergrund, war seit 1627 auf Veranlassung des bugyo von Nagasaki, Mizuno Kawachi-no-kami, deren öffentliches Abschwören vorrangiges Ziel. Durch das Beispiel der Apostaten wollte man andere Christen, die bislang die Märtyrer für ihre Tapferkeit und Glaubensfestigkeit bewundert und verehrt hatten, demoralisieren und dazu bringen, ebenfalls dem christlichen Glauben abzuschwören.20 Um dieses Ziel zu erreichen, wurden neue Foltermethoden entwickelt, unter denen sich der Ritt auf dem Holzpferd (mokuba) und das Kopfüberhängen in der Grube (ana-tsurushi) als am wirkungsvollsten erwiesen.21 Zum Beweis des Abfalls vom christlichen Glauben mussten die Apostaten öffentlich japanische Gottheiten anbeten,22 schriftlich einen doppelten Eid ablegen23 und mit den Füßen auf christliche Objekte treten.24 Wann genau und durch wen die e-fumi-Zeremonie eingeführt wurde, ist umstritten. Ich folge Voss und Cieslik, die die Einführung auf das Jahr 1629 datierten und sich dabei auf japanische Quellen beriefen.25 Initiator war wohl Takenaka Uneme-no-sho, der für die Entwicklung und Durchführung der inquisitorischen Maßnahmen verantwortlich war, nachdem er 1629 das Amt des bugyo von Nagasaki übernommen hatte.26 3.1.2 Systematisierung der Christenverfolgung und Untertanenkontrolle
Bis zum Ende der 1630er Jahre war die Anwendung der e-fumi-Zeremonie auf Christen im Raum Nagasaki und somit auf einen engen Personenkreis beschränkt. In den zwei Jahrzehnten von 1640 bis 1660 erfolgte eine schrittweise Ausdehnung auf andere Regionen Japans und auf alle Personen, auch auf Nichtchristen.27 Damit wurde die e-fumi-Zeremonie zum integralen Bestandteil eines Systems zur Untertanenkontrolle, dessen Aufbau Tokugawa Iemitsu vorangetrieben und mit den sakoku-Edikten der Jahre 1633 bis 1639 begleitet hatte, um die Festigung des Staates im Inneren und die Abschottung von äußeren Einflüssen zu erreichen.28 Wichtigste Maßnahme zur Systematisierung der Christenverfolgung war im Jahre 1640 die Einrichtung des kirishitan-shumon-aratame-yaku, eines zentralen Inquisitionsamts in Edo.29 Dessen erster Leiter, Inoue Masashige Chikugo-no-kami, war selbst bis 1625 ein Anhänger des christlichen Glaubens.30 Nach seiner Apostasie und dem Eintritt in die Inquisitionsorganisation qualifizierte er sich durch besonderes Geschick bei der Identifizierung japanischer Christen und große Erfolge bei der Eliminierung europäischer Missionare für diese Aufgabe.31 Nach fast zwanzig Jahren erfolgreichen Wirkens hinterließ Inoue im Jahre 1658 seinem Nachfolger Hojo Ujinaga Awa-no-kami mit dem Kirishito-ki ein schriftliches Vermächtnis, das detaillierte Erläuterungen zu Ziel und Methodik der systematischen Christenverfolgung enthielt.32 Das System der Untertanenkontrolle stützte sich auf drei Pfeiler: die Tempelregistrierung (shumon-aratame-cho), das Fünferschaftssystem zur Nachbarschaftsüberwachung (gonin-gumi) und die e-fumi-Zeremonie.33 Die Tempelregistrierung wurde bereits seit 1614 von ehemaligen Christen als Beleg für ihren Übertritt zum Buddhismus verlangt. In der zweiten Hälfte der 1630er Jahre wurde die Regelung auf die gesamte Bevölkerung ausgeweitet.34 Sämtliche Haushalte wurden einem Familientempel (danna-dera) zugeordnet und verpflichtet, jede Veränderung im Personenstand mitzuteilen. Alle persönlichen Daten, einschließlich der Zugehörigkeit zu einer buddhistischen Schule, wurden dort registriert und in einem Zertifikat (tera-uke) bestätigt.35 Die buddhistischen Priester waren aufgefordert, antichristliche Schriften zu verfassen und die religiöse Gesinnung der Gemeindemitglieder zu überprüfen, um Verdächtige zu identifizieren. Sie waren somit von Anfang an in die Überwachung der Rechtgläubigkeit und die Bekämpfung des Christentums eingebunden.36 Das Fünferschaftssystem war bereits von Toyotomi Hideyoshi im Jahre 1597 per Gesetz eingeführt worden.37 Ursprünglich war das Ziel, die Sicherheit im nachbarschaftlichen Raum durch Einbindung jedes Einzelnen zu gewährleisten. Hierzu wurden Stadtbezirke und Dörfer in Gruppen von jeweils fünf Haushalten aufgeteilt, die gemeinsam für das rechtmäßige Verhalten ihrer Mitglieder verantwortlich waren. Nach der Niederschlagung des Shimabara-Aufstandes im Jahre 1638 wurde die gonin-gumi-Struktur in allen Provinzen des Landes fest etabliert. Fortan gehörte die Überwachung der Rechtgläubigkeit zu den wichtigsten Aufgaben der Nachbarschaftsgruppen.38 Die Methode war effektiv, da die Bestrafung im Falle der Entdeckung eines Christen, der nicht durch gruppeninterne Denunziation angezeigt worden war, alle Mitglieder des Kollektivs gleichermaßen traf.39 Die Motivation, einen Nachbarn anzuzeigen, wurde durch das Aussetzen von Kopfprämien gesteigert.40 1659 wurde die Teilnahme an der nun jährlich ein- bis zweimal öffentlich durchgeführten e-fumi-Zeremonie in manchen Regionen, insbesondere auf Kyushu, für alle obligatorisch.41 Durch die regelmäßige Wiederholung der Zeremonie sollte die Abneigung gegen das Christentum aufrechterhalten werden.42 Die Prozedur bekam mit der Ausdehnung des betroffenen Personenkreises auf Nichtchristen neue Funktionen. Der Tritt auf die christlichen Symbole galt nun als Nachweis der...



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