Linnepe | Wenn das Patriarchat in Therapie geht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Linnepe Wenn das Patriarchat in Therapie geht

Sitzungen mit unserem kranken Gesellschaftssystem
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-407-86890-9
Verlag: Julius Beltz GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Sitzungen mit unserem kranken Gesellschaftssystem

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-407-86890-9
Verlag: Julius Beltz GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Stell dir vor, das Patriarchat macht eine Psychotherapie. Klingt verrückt? Vielleicht. Es würde uns allen aber viele Therapiestunden ersparen. Die Soziologin und Comedienne Katharina Linnepe entlarvt die absurdesten Verhaltensstörungen, Glaubenssätze und Denkmuster unseres Gesellschaftssystems. Kritisch, lehrreich und urkomisch - dieses Buch legt die wahren Ursachen unserer mentalen Probleme offen und zeigt, wie wir einem in der Krise erstarkenden Patriarchat entgegenwirken können. Was unserer Psyche z.B. erspart bliebe, wenn das Patriarchat in Therapie ginge: •Weiblicher Perfektionswahn und männlicher Performancedruck •Gewaltstrukturen, Health Gaps und transgenerationale Traumata •Die Umkehr der Gleichberechtigung, Kriege, Klimakrise und Diskriminierung

Katharina Linnepe studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie. Als Moderatorin, Sprecherin und Podcasterin referiert und spricht sie über Demokratie, Feminismus und Diversität. Sie absolvierte eine Ausbildung zur feministischen Coachin. Ihre satirische Instagram-Serie »Wenn das Patriarchat in Therapie geht« machte sie einem breiten Publikum als Content Creatorin und Comedienne bekannt. Sie lebt in Berlin. katharinalinnepe.com

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Vorab
Was kann der Behandlungsansatz? Ich mag Kinder, allerdings erst ab drei Jahren. Dann beginnen sie nämlich, aus einem anarchistischen Bedürfnis heraus die Welt mit Warum-Fragen zu zerlegen, und sie werden anstrengend. Wahrscheinlich ist mir dieser nervige Wesenszug so sympathisch, weil ich es selbst nie über diese frühkindliche Entwicklungsphase hinausgeschafft habe. Aus »Warum muss ich die blöden Schuhe anziehen?« wurde bei mir mit der Zeit zwar eher so etwas wie »Warum gibt es den Gender Care Gap?«, aber dem Prinzip bin ich treu geblieben. Die passenden Studienfächer für Warum-Fragen suchte ich mir auch aus – Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie, damals noch auf Magister (er möge in Frieden ruhen). Das Fragespiel kann man in dieser Fächerkombination richtig groß aufziehen. Man kann von politischen Prozessen sowie sozialen Strukturen über Moral bis hin zu Wahrheit und Erkenntnis so ziemlich alles sezieren. Heute verdiene ich mein Geld hauptsächlich damit, diese Fragen weiterzugeben. An Expert*innen, die in Podiumsdiskussionen sitzen und nicht weglaufen können, wenn ich als Moderatorin von ihnen Antworten haben möchte. Antworten darauf, wie es denn jetzt mit unserer Welt weitergehen soll. Mit der Frage, wie es denn mit mir weitergehen soll, bin ich bisher zweimal in Therapie gegangen: während meines ersten Burnouts im Studium und als meine Mutter mit Brustkrebs diagnostiziert wurde. Ganz recht, ich habe Therapieerfahrung gesammelt. Ich bin froh darüber, dass wir in einer Zeit leben, in der nicht mehr so viele Menschen das Buch an genau dieser Stelle beiseitelegen, sondern es vielleicht sogar noch ernster nehmen. Allzu ernst solltest du es aber auch nicht nehmen, denn es darf gelacht werden. Das Lachen könnte dir allerdings manchmal im Hals stecken bleiben, wegen der schwerwiegenden Probleme unseres baldigen Patienten. Aber beginnen wir von vorne: Worum geht es hier überhaupt, und wie kam es zu diesem Buch? Die kurze Antwort: über einen Instagram-Beitrag, der viral ging. Die Langversion: Vor einiger Zeit spielte ich ein Gedankenexperiment in meinem frühkindlich-anarchistischen Oberstübchen durch. Ich fragte mich: Was wäre, wenn nicht wir in Psychotherapie gingen, sondern das Patriarchat? Eine Gesellschaftsordnung, die uns tagtäglich Probleme einbrockt. Ein System, dessen Spuren wir versuchen, an unseren geschundenen Seelen wieder abzuarbeiten, auf Kasse oder privat. Der Ursprung von Herrschaftsverhältnissen, die uns in kolossale globale Krisen stürzen, aber glauben machen, dass wir Einzelne einfach nicht resilient genug sind, um den ganzen Wahnsinn durchzustehen. Ich wollte mal den Spieß umdrehen und unsere Gesellschaftsordnung fragen: Momentchen mal, wer von uns beiden hat hier eigentlich den Knacks? Manchmal erscheinen mir meine Einfälle so gut, dass ich die Kamera draufhalte. So geschah es auch bei diesem Gedankenspiel. Ich zog mir einen schwarzen Rollkragenpullover an, hängte mir die Bernsteinkette meiner Oma um und setzte mir ein markantes Brillengestell auf die Nase. Als der Look perfekt war, stellte ich mein Ringlicht auf, setzte mich auf einen Stuhl, lehnte mich in der Rolle der Therapeutin zurück und stellte meinem »Patienten« Fragen. Aus dem knapp dreiminütigen Instagram-Video mit dem Titel »Wenn das Patriarchat in Therapie geht« wurde eine Serie. Das Patriarchat, manchmal gesichtslos und nicht im Bild zu sehen, manchmal ein austauschbarer Ausschnitt aus einem Alpha-Male-Video, erzählt mir, was ihm aktuell auf dem Herzen liegt. Es hat Beziehungsprobleme. Es ist schockiert von weiblich gelesenen Personen ohne BH. Es definiert, was eine wahre Frau darf und was ein echter Mann muss. Es wird mit völlig neuen Begriffen wie Vulva konfrontiert. Und es stellt sich seinen starken Emotionen in Bezug auf Gendersternchen. Die komödiantischen Skripte über die absurde Innenwelt eines Herrschaftssystems zu schreiben und als Therapeutin zwischen Contenance und entgleisenden Gesichtszügen zu schwanken, hat eine therapeutische Wirkung auf mich. Anscheinend geht es auch meinen Follower*innen so, und nach ein paar Monaten wollten sogar Verlage ein Buch von mir. Ich erkläre mir diesen Turbo-Instagram-Erfolg so: Therapie-Sprech ist Trend, nicht nur in Social Media. Wir sind in der Beschäftigung mit und der Arbeit an unseren Seelen zu Semi-Profis geworden. Wir beherrschen Therapie-Terminologie, lesen Selbsthilfe-Bücher, üben uns in Achtsamkeit und heilen unsere inneren Kinder – und trotzdem kommen wir mit unserem soliden Halbwissen über Trigger, toxische Beziehungen und Gaslighting beim Lösen unserer Probleme nicht immer weiter. Wir ahnen, dass es da noch mehr Hürden gibt als die in uns und unseren persönlichen Beziehungen, nämlich strukturelle, gesellschaftliche, politische. Und bei denen greift kein Selbsthilfe-Ratgeber. Manch pochender Zahn lässt sich nicht mehr betäuben, indem du auf einer getrockneten Nelke herumkaust. Dann ist es Zeit für eine Wurzelbehandlung. Wir sind Teile eines weltweit verbreiteten Gesellschaftssystems, das sich seit rund 10?000 Jahren ziemlich wacker hält, und dieses System – das Patriarchat – ist der Wurzelkanal unseres seelischen Pochens. Es lässt uns, das wirst du in diesem Buch noch einmal im Schnelldurchlauf erfahren, Lügen über uns selbst glauben, die uns als Individuum wehtun und unter Leistungsdruck setzen. Es hat Ungleichheiten geschürt, die bei den Geschlechtern anfangen und für jede Menge weitere Diskriminierungsdimensionen Pate standen. Es hat Gewaltexzesse, Kriege und die Zerstörung unserer (Um-)Welt ermöglicht. Es hat die Infektion schädlicher Rollenmuster über Generationen weiterverschleppt. Und es gaukelt uns trickreich vor, dass wir ganz alleine oder mit einer Psychotherapie hier und einem Coaching da an alldem herumdoktern können. Maßnahmen, die nicht an die Wurzel des Problems gehen, lassen die Schmerzen aber meist noch schlimmer pochen. Klar, es kann sinnvoll sein, am Selbstbewusstsein zu arbeiten, und es kann einem beim Verhandlungsgeschick für eine Gehaltserhöhung helfen. Strukturelle Lohnungleichheiten und Verdienstlücken sind damit aber noch lange nicht gelöst. Ein Gender Pay Gap von 18 Prozent1 lässt sich nun einmal nicht mit einer Achtsamkeitsübung wegatmen. Denn die Probleme des Patriarchats sind nicht unsere Privatprobleme. Strukturelle Ungleichheiten verschwinden nicht dadurch, dass wir sie zum Selbstmakel erklären, im Gegenteil: Das macht sie oft noch schlimmer. In diesem Buch verordnen wir deshalb zur Entlastung unserer Seelen nicht uns, sondern dem Patriarchat eine ausgiebige Psychotherapie – einem äußerst speziellen und (das wirst du sehr schnell erkennen) ziemlich kaputten System. Wir arbeiten uns vom Erstgespräch bis zur finalen Sitzung und der Entscheidung, ob und wie es mit uns und dem Patriarchat weitergeht, vor. Dabei spielst du zusammen mit mir und allen anderen Leser*innen Therapeut*in. Du greifst dabei auf dein bestehendes psychologisches Halbwissen zurück, lernst Neues aus Soziologie und Psychologie dazu, und witzig wird es auch noch. Gemeinsam fühlen wir uns ein in die jahrtausendelange Biografie des Patriarchats, hören zu, wo es herkommt, wo es hinwill, was es für Gefühle, Gedanken und Einstellungen zu sich selbst, uns und der Welt hat. Dabei halten wir alle schockierenden Bekenntnisse des problembehafteten Patriarchats duldsam aus. Wir versuchen zu analysieren, warum es so geworden ist, wie es ist – und damit zu der Gesellschaftsordnung, in der wir leben und leiden. Genauso betrachten wir aber auch Familiendynamiken – sozusagen. Wir sehen uns nämlich an, was der Patient Patriarchat mit uns macht: seinen Ziehkindern. Wir schauen auf den Umgang mit uns selbst, darauf, wie Rollenerwartungen unser Selbstverständnis beeinflussen, welche Geschichten das Patriarchat uns über uns erzählt und wie es uns von uns selbst und anderen entfernt. Wir schauen aber nicht nur, wir arbeiten – an uns selbst und unserem Miteinander. Was hilft unseren Seelen aus dem Rollenerwartungsdruck, den das Patriarchat an uns stellt, heraus? Was steht in unserem krisen- und katastrophengeschüttelten Weltgeschehen auf dem Therapieplan für einen heilsamen Umgang mit dir selbst und anderen? Wie kannst du dich vom fiesen Leistungsdruck entlasten, ein krankes Gesellschaftssystem als persönliches Scheitern misszuverstehen? Wie kannst du in einem System, das spaltet, ...



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