Wie Mann ab 40 die Weichen neu stellt
Buch, Deutsch, 252 Seiten, Format (B × H): 139 mm x 221 mm, Gewicht: 422 g
ISBN: 978-3-593-51266-2
Verlag: Campus Verlag GmbH
Männer um die 40 beschleicht oft ein diffuses Gefühl der Unzufriedenheit, das sich meist im Job manifestiert: Es fehlt an Herausforderungen oder an Wertschätzung, Jüngere ziehen mühelos an ihnen vorbei. Wenn dann noch der Verlust der jugendlichen Leichtigkeit und die Sorgen um den eigenen Körper dazukommen, ist die Midlife-Crisis perfekt. Soll das schon alles gewesen sein?
Absolut nicht, sagt Karrierecoach Susanne Lübben, die seit vielen Jahren Männer in dieser Lebensphase begleitet. Ihr Ratgeber liefert eine praktische Anleitung, der Krise weniger emotional als systematisch zu begegnen. Am Ende steht ein besseres Lebensgefühl mit mehr Klarheit, Lebensfreude und Substanz. Da geht noch was!
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Weitere Infos & Material
INHALT
Einleitung 7
Ursachen der Krise 11
Sind das die Hormone …? 11
… oder was? 11
Wann ist der Mann ein Mann? – Gendering 12
Ein Indianer kennt keinen Schmerz – der blinde Spiegel 15
Wie aus Jungs echte Männer werden – Umwegidentifikation 16
Projekt Klarheit 19
Was prägte den Mann 40 plus? 21
Die Folgen – Wie tickt die Generation X? 30
Der Mann steckt in der Klemme 49
Ihre Stärken 54
Gefühlsabwehr versus Abgrenzung 54
Selbstdarstellung versus Selbstbehauptung 54
Rationalisierung versus Rationalität 55
Blinder Aktionismus versus Handlungsorientierung 57
Bedingungsloser Erfolg versus Ergebnisorientierung 58
Leistungsdruck versus Leistungsmotivation 59
Gefühlsabwehr versus Emotionsregulation 60
Männer verfahren sich nicht, sie kreisen ihr Ziel ein 75
Heldenreise 77
Was macht einen Helden aus? 79
Wechselwirkungen 81
Ihr Projekt:
Stellen Sie jetzt die Weichen neu 84
Butter bei die Fische, Karten auf den Tisch 87
Basisemotionen und Gefühle 87
Die somatischen Marker 94
Was ist eigentlich los? 97
Wie lautet Ihr Ruf? 101
42 – oder doch nicht? 118
Hindernisse und Stolpersteine 180
Ich glaube, also bin ich 180
Ihre inneren Teammitglieder wissen, was los ist 212
Eine gute Entscheidung fühlt sich auch gut an 222
Das innere Team als Entscheidungshilfe 226
Pro und Contra einmal anders – das Entscheidungsquadrat 227
A, B, alle beide oder keines von beidem? – Das Tetralemma 230
Sie zögern noch? 238
Ich schau dir in die Augen, Kleines 239
Was können Sie noch tun? 240
Schlusswort 243
Danksagung 244
Literatur 245
Anmerkungen 247
EINLEITUNG
Wenn Sie dieses Buch lesen, haben Sie vermutlich ein mehr oder weniger diffuses Gefühl der Unzufriedenheit. Vielleicht ist vorder-gründig sogar alles in Ordnung. Sie haben einen guten Job und eine nette Familie. Aber irgendetwas in Ihrem Leben läuft nicht rund, im Job oder im Privatleben oder in beidem. Vielleicht merken Sie auch, dass sich eine handfestere Krise anbahnt oder Sie bereits mittendrin stecken. Doch Sie wissen nicht genau, wie Sie sie abwenden oder wieder aus ihr herauskommen können. Möglicherweise reichen Ihre bisherigen Lösungsideen zum ersten Mal in Ihrem Leben nicht aus.Die gute Nachricht ist: Sie sind nicht allein. Mit Ende 30, Anfang 40 beginnt bei Männern häufig eine allgemeine Identitätskrise. Das Le-bensalter zwischen 40 und 55 ist eine Zeit, in der viele einen Zustand erleben, der mit 'Midlife-Crisis' gar nicht so schlecht beschrieben ist. Oft fängt die Midlife-Crisis ganz allmählich an. Sie entdecken erste graue Haare, oder die Haare in Ihrem Kamm werden auf einmal mehr. Erste Falten zeigen sich, Sie müssen ab und zu kleine Pausen machen, Ihr Hosenbund spannt ein wenig. Diese leisen Verfallssymptome er-schrecken viele. Sie erkennen nun, dass sie in ihrem Leben nicht mehr unendlich viele Möglichkeiten haben, dass ihr Körper etwas älter ge-worden ist – und etwas älter aussieht – und ihr Leben nicht unendlich ist. Die Eltern machen es vor: Sie sind schon alt und vielleicht sogar hilfsbedürftig. Sterben sie, fühlt man sich als Nächster an der Reihe. Jenseits des 40. Lebensjahrs können sich Verlustängste einschlei-chen. Der Verlust der Jugend, der Unbekümmertheit, der Gesundheit macht Sorgen. Und Sie denken: Von nun ab geht’s bergab. Ihr Selbst-vertrauen und Ihre Zuversicht leiden. Möglicherweise nehmen Sie auch wahr, dass es Ihnen zunehmend schwerfällt, sich in Ihrem Job zu motivieren. Vielleicht fehlt es Ihnen an neuen, passenden Herausforderungen oder es mangelt an Wert-schätzung. Oder Ihr Job ist sogar in Gefahr.
Vielleicht hakt es dann auch noch manchmal in Ihrer Beziehung. Wenn Sie Kinder haben, brauchen diese Sie immer weniger. Sie sind kaum noch zu Hause und gehen ihre eigenen Wege. Überall in Ihrem Privatleben fehlt es Ihnen an Freude und Leidenschaft.
Angesichts des Verlusts dieses lange vertrauten Lebensgefühls be-ginnen Sie sich nun möglicherweise zu fragen: War das jetzt alles? Weit und breit sehen Sie keine wirklich attraktiven Alternativen. Diese Perspektivlosigkeit frustriert Sie. Wo ist eigentlich so plötzlich das schöne, aufregende Leben geblieben? Diese Lebenskrise hat oft eine Sinnkrise im Schlepptau. Fragen tun sich auf wie: Habe ich bisher alles richtig gemacht? Habe ich zu ange-passt und zu wenig selbstbestimmt gelebt? Kommt da noch etwas? Ist es jetzt zu spät? Und vielleicht auch: Was möchte ich hinterlassen?
Befinden Sie sich vielleicht noch in der Integrationsphase oder schon im Übergang von der Integrationsphase zur Sinnphase?
'Entscheidend für eine fruchtbare Sinnphase ist die vorherige Integration. Ich erlebe Verzweiflung vor allem bei Menschen, die in ihrem Leben den zentralen Themen aus dem Weg gegangen sind. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und Familie und den Prägungen genauso wie mit Le-bensentscheidungen, etwa zugunsten der Karriere. Reflexion ist also auch wieder wichtig, Verdrängen erweist sich typischerweise nur vorübergehend als gesunde Strategie.'1
Aber keine Sorge, es ist nicht zu spät für Reflexion und Weiterent-wicklung. Ihre berufliche und persönliche Schatzkiste ist prall gefüllt mit Erfahrung und fachlichem Know-how. Und Sie haben eine Fähig-keit, die jetzt viel wert ist: Sie übernehmen Verantwortung für sich selbst. Das ist ein Zeichen von menschlicher Reife.
Apropos Reife: Essen Sie gern ein gutes Stück Rindfleisch oder sind Sie vielleicht sogar Hobbykoch? Dann kennen Sie sicher die Methode des Dry Aging. Erst diese besondere Art des Reifeprozesses nutzt das ganze Potenzial und macht aus gutem Rindfleisch das exzellente Stück.
Dry Aging ist die herausragende Art, gutes Rindfleisch zu veredeln. Mit seinem deutlich intensiveren, interessanteren und vor allem indi-viduelleren Geschmack ist Dry Aged Beef in der Spitzen- und Sterne- Gastronomie in aller Welt zu finden.
Erst die Reife macht aus dem jungen Mann den interessanten Mann – und erst die Erfahrung macht die Exzellenz aus.
Also worum geht es jetzt? Es geht um Sie! Um Ihre Wünsche und Bedürfnisse und um Ihre Zeit. Und es geht um Ihre ganz persönliche Veredelung. Erst wenn Sie Ihr ganzes Potenzial kennen, können Sie aus dem Vollen schöpfen.
Ein Punkt ist mir dabei besonders wichtig: Es geht hier nicht darum, dem zeitgenössischen Selbstoptimierungswahn mehr Nahrung zu ge-ben. Unser Leben ist kein optimierbares Produkt, und wir bemessen uns nicht nach unserem 'Marktwert'. Wenn dem so wäre, entfiele schließlich alles von uns, was sich nicht quantifizieren, abbilden oder vergleichen lässt. Der Sinn, den wir unserem Leben geben, gründet in unserem Inneren, dort, wo nichts messbar ist, aber wo Sinn, Bedeu-tung und auch Qualität wohnen. Dieser innere Reichtum wird durch die (Selbst-)Ökonomisierung bedroht.
Mit diesem Buch möchte ich Sie dabei unterstützen, mit einfachen Mitteln nicht nur die eine Hälfte Ihres inneren Reichtums, Ihren Ver-stand, wahrzunehmen und zu nutzen, sondern auch die zweite Hälfte, Ihre Gefühle, Ihre Intuition, Ihre Stärken und Ihre Bedürfnisse – und damit die Chance auf ein glücklicheres und widerspruchsfreieres Le-ben zu ergreifen. Wenn Sie sich mit sich selbst auseinandersetzen und nach neuen, anderen Lösungen als bisher suchen, können Sie aktiv die Weichen Ihres Lebens neu stellen. Am Ende werden Sie viel glückli-cher und zufriedener sein, als wenn Sie sich als Opfer des Schicksals betrachten. Bleiben Sie zuversichtlich. Auf Sie wartet ein neues Le-bensgefühl mit mehr Klarheit, Lebensfreude und Sinnhaftigkeit.
URSACHEN DER KRISE
SIND DAS DIE HORMONE …?
Während bei Frauen ab 40 die hormonellen Veränderungen oft tat-sächlich ein Grund für Stimmungsschwankungen sind, scheint bei Männern die sinkende Testosteronproduktion eine weitaus geringere Rolle zu spielen. Nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen bleibt der Testosteronspiegel des Mannes nach der Pubertät sogar bis ins hohe Alter in etwa gleich hoch.
Allerdings gibt es Faktoren, die die Wirkung des Testosterons ver-ringern können. Viszerales Fett, also Bauchfett zwischen den Organen, das durchaus auch schlanke Männer mit sich herumschleppen können, hat viele unangenehme Begleiterscheinungen. Unter anderem wan-delt es Testosteron in Östrogen um. Außerdem kann das bei Stress ausgeschüttete Hormon Cortisol die Andockstellen des Testosterons im Gehirn blockieren.
… ODER WAS?
Wenn also die Hormone nicht schuld sind an der Midlife-Crisis oder zumindest nicht allein, wo liegen dann weitere Ursachen?
Ein Punkt fällt auf: Ein großer Unterschied zwischen den Ge-schlechtern besteht in der differenzierten Wahrnehmungsfähigkeit der Gefühle. Sozialisationsbedingt haben Männer in der Regel einen schlechteren Zugang zu ihren Gefühlen als Frauen. Zumeist liegt das an ihrer Erziehung und an der Gesellschaft, die einige Gefühle bei Män-nern als irritierend empfindet und als Schwäche verurteilt. Über die Ursachen und die Folgen werden Sie gleich mehr erfahren. Und auch wenn einige Ereignisse und Beschreibungen in diesem Buch ebenfalls für Frauen dieser Generation gelten, so ist doch der gefühlsmäßige Umgang damit in der Regel ein anderer.
Seit mehr als zehn Jahren arbeite ich als zertifizierte Business-Coach und -Trainerin. Männer von 40 plus gehören seit Jahren zu meinen häufigsten Klienten und sind inzwischen zu meinen Lieblingskunden geworden. Wenn diese Männer die 50 bereits überschritten haben, höre ich häufig schon früh den Satz 'Ich hätte schon vor zehn Jahren kommen sollen'.
Ich begann mich zu fragen: Was war denn vor zehn Jahren, als diese Männer etwa 40 Jahre alt waren? Und: Kann ich die Männer, die erst sehr spät oder gar nicht den Weg in ein Coaching finden, dennoch mit meinen Erfahrungen unterstützen? So entstand die Idee für dieses Buch.
WANN IST DER MANN EIN MANN? – GENDERING
Die Rollen der Geschlechter sind zwar im Wandel, aber in den 1960er- und 1970er-Jahren war diese Entwicklung gerade erst in ihren zarten Anfängen. Wollte eine Frau arbeiten, musste ihr Ehemann dies erlau-ben. Erst 1977 wurde das entsprechende Gesetz geändert. Im Um-kehrschluss wurden Sie als Mann von heute 40 plus in ein patriarcha-lisches Weltbild geboren.
Schaut man sich einmal die Geschlechterrollen und -charaktere an, wie sie in deutschsprachigen Lexika des 18. Jahrhunderts beschrieben sind, sieht man eine ganz klare Polarisierung (siehe Abbildung 2).
Nach den beiden Weltkriegen folgte mit den 1950er- und 1960er-Jahren eine 'Epoche mit hoher Aufladung geschlechtsspezifi-scher Leitbilder, in der Regel interpretiert als Reetablierung jener Ordnung, die durch die Kriegsjahre und die Integration von Frauen in Bereiche vormals männlicher Berufsfelder außer Kraft gesetzt war'.1 Mit anderen Worten: Die Trümmerfrauen sollten 'zurück an den Herd'. Und für die zum Teil kriegstraumatisierten Männer galt es, nun wieder der Ernährer der Familie zu sein und Stärke zu zeigen. Gefühle, die mit Kriegstraumata verbunden waren, wie Angst und Schwäche, mussten so weit wie möglich verdrängt werden. Das mag auch ein Grund dafür sein, warum so wenige Männer mit ihren Familien über ihre Kriegserfahrungen sprachen.
Die alte Rollenverteilung klingt vordergründig prima für den Mann – er ist der Herr im Haus und im Leben, sein Wort gilt. Da gibt es keine Widerrede. Aber sie fordert auch Opfer. Wo der Frau Liebe und Güte zugeordnet wird, steht beim Mann Gewalt. Die Emotionen waren ge-nerell der Rolle der Frau zugeordnet, der Mann hatte vernünftig, stark, tapfer und kühn zu sein. Und das von klein auf bis ins hohe Alter.
Von 1958 bis 1977 galt mit dem Paragrafen 1356 des Bürgerlichen Gesetzbuchs: 'Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.' Für die Frau standen also die Pflich-ten in Ehe und Haushalt ganz klar an erster Stelle. Dazu gehörte natür-lich auch die Erziehung der Kinder. Für den kleinen Jungen war die Rolle der Frau also klar definiert: Die Mutter war die häusliche, näh-rende, liebende und gefühlvolle Person.
War eine Frau erwerbstätig, vielleicht sogar notgedrungen, dann zumeist in eher weiblich definierten Berufen. Bis heute stellen Frauen den größten Anteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsberufen. Arzthelfer und Erzieher sind noch immer zu 90 Prozent Frauen.2 Bis heute nennen Mädchen, nach ihren Berufswünschen gefragt, Berufe wie Tierärztin, Lehrerin, Erzieherin, Krankenpflegerin und Prinzessin, während bei Jungen noch immer Berufe wie Polizist, Pilot, Feuerwehrmann, Fußballer und Astronaut der Renner sind. Kleine Mädchen wollen offenbar etwas Gutes tun, während kleine Jungen auf Abenteuer aus sind.3
In dieser patriarchalisch geprägten Umwelt passiert nun etwas mit dem kleinen Jungen. Nach und nach entfremdet er sich von seinen Gefühlen. Der Psychologe Björn Süfke sieht drei Ursachen dafür: das 'Gendering', 'die mangelnde Spiegelung von Gefühlen' und die 'Umwegidentifikation'.4
Dem Gendering haben wir uns gerade gewidmet. Es bezeichnet die gesellschaftlichen Prozesse der sozialen Konstruktion unterschiedli-cher Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit und all die Vorgänge, durch die unser Denken und unsere Wahrnehmung immer tiefer von diesen typischen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit geprägt werden.
Was bedeutet dies für Kinder? Sie wissen nicht, dass die Rollenzu-ordnungen soziale Konstruktionen sind. Für sie erscheinen diese als naturgegeben, als biologische Bestimmung. Als was auch sonst? Schließlich erleben sie diese den Geschlechtern zugeschriebenen Verhaltensweisen permanent in ihrer Umwelt. Da gibt es keinen Aus-weg – die traditionelle Geschlechterrolle des Mannes wird zu einer unausweichlichen Anforderung an den Jungen.
Dieser Gendering-Prozess sieht zudem Sanktionen für abweichen-des Verhalten vor. Verhält sich der Junge nicht rollenspezifisch, wird er gehänselt oder sogar bekämpft, er muss mit sozialen Abwertungen wie Lächerlichkeit oder offener Aggression rechnen.
EIN INDIANER KENNT KEINEN SCHMERZ –
DER BLINDE SPIEGEL
Die zweite Ursache hat ebenfalls etwas mit den herrschenden Rollen-bildern zu tun. Im Kindesalter spielt die Spiegelung der eigenen Ge-fühle eine große Rolle. Nur dann kann das Kind diese Gefühle in seine Persönlichkeit integrieren.
Äußert ein Kind Gefühle, tut es gut, wenn die Eltern diese richtig erkennen, vielleicht auch benennen und passend beantworten. Ist ein Kind traurig, gekränkt oder hat es sich verletzt, empfindet es Schmerz und kommt vermutlich weinend zu den Eltern. Optimal wäre es nun, wenn ein Elternteil dieses Gefühl anerkennt, es ausspricht und das Kind umarmt und tröstet. Schwierig wird es, wenn dieser Elternteil dieses Gefühl selbst nicht (mehr) kennt oder zulässt oder es bei einem Sohn als nicht passend ansieht und in der Folge ignoriert oder sogar als unangemessen bestraft. Den Ausspruch 'Ein Indianer kennt keinen Schmerz' kennt vermutlich fast jeder Junge.
Der bekannte Psychologe Paul Watzlawick meinte einmal: 'Man kann in der Wahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug sein.' Aber ich möchte hier auch einem möglichen Missverständnis vorbeugen. Ihre Eltern können die nettesten und liebsten Menschen gewesen sein. Es geht hier auf keinen Fall um 'Eltern-Bashing'. Aber wir alle, auch die Eltern unter uns, sind Kinder ihrer Generation und der damit verbun-denen Prägungen. Die Eltern geben bewusst oder unbewusst und die meisten auch in gutem Glauben das an die Kinder weiter, was sie selbst in ihrem Leben erfahren und gelernt haben. Und das ist nun einmal nicht immer das, was für das Kind das Beste ist.
Tatsächlich erfahren Jungen eine weitaus geringere Spiegelung ih-rer Gefühle durch ihre Bezugspersonen als Mädchen. Auch Mütter sind Opfer der Rollenzuschreibungen. Auch in ihren Köpfen regiert das Geschlechterklischee – Jungen sollen oder dürfen nicht traurig oder ängstlich sein. Wie sollen sie denn sonst später ihre Rolle im Leben übernehmen? Für den Vater gilt diese Annahme in der Regel noch stärker, er muss schon sein Leben lang dem Rollenmodell ge-recht werden.
Nun hat der Junge ein Problem. Seine negativen