E-Book, Deutsch, 350 Seiten
Meier Werke Band 1: Gedichte und Prosaskizzen.
1., Aufl
ISBN: 978-3-7296-2170-1
Verlag: Zytglogge
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Einige Häuser nebenan (1973) Der andere Tag (1974) Papierrosen (1976).
E-Book, Deutsch, 350 Seiten
ISBN: 978-3-7296-2170-1
Verlag: Zytglogge
Format: EPUB
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«Wo immer man diese Ausgabe aufschlägt, wird man weg getragen vom lautlosen, mäandrischen Sprachfluss dieses grossen Poeten, weg ins Reich des ‹Spirituellen›, weg ins Zentrum der Schöpfung. Seinem Dorf am Jurasüdfuss ist Meier zeitlebens treu geblieben. Die Freiheit, es Amrain zu nennen und in einen poetischen Ort zu verwandeln, hat er sich nicht nehmenlassen. Es bedeutet ihm nicht die Welt. Nur ein Fenster zu allen Orten dieser Welt.» Süddeutsche Zeitung
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Die gewohnt waren
Ich sah sie in Hospizen sitzen bei Einbruch des Winters die die gewohnt waren mit dem Sommer zu leben Ihre Gesichter waren Landschaften mit Flüssen Friedhöfen Tempeln und Nächten voll Grillengesang An Pergolas drehten die Blätter und wurden groß und wurden zum Riesenrad wie’s die Jahrmärkte haben im Sommer Dösende Stadt
Im schwankenden Lichte döst die Stadt Ein Karpfengesichtiger eilt über die Brücke Im Dunste der Schlachthäuser grünen die Kuppeln Die Tauben fliegen die Standbilder an Die Standbilder leiden am Kote der Tauben Am Auslauf der Schlachthäuser fischen sie Karpfen Im schwankenden Lichte döst die Stadt Der Schmied schnarcht
Auf der gelben Fassade des Hauses des schlafenden Schmiedes räuspert sich jeweils im Atem der Nacht die projizierte Platane Die Embrios horchen Von kurzen Horizonten herüber trägt jeweils der Atem der Nacht das Gebell räudiger Hunde Der Schmied schnarcht Erinnern reproduziert Klees Frühes Leid und hängt es als Fahnen an gelbe Fassaden und projizierte Platanen wo es sich räuspert jeweils im Atem der Nacht Das Gras grünt
Betont feierlich verläßt der Güterzug das Dorf Nach den Windeln zu schließen weht mäßiger Westwind Das Gras grünt Das Land hat seine Eigentümer vergessen und hat es satt nur Umgebung zu sein Traumschiffe
Im Licht der Nächte hissen ihre Häuser schwarze Segel Nach toten Wünschen riecht die Flut nach Langeweile Und Lüfte streuen den Sirenensang unendlicher Begehrlichkeiten Am Strande brennt das Monument des Unbekannten Und über tote Dörfer gleiten Chagalls Pendeluhren Etüde
Wenn sie im Herzen alte Verse sagen Und Rilksche Laß die Winde los und so Wenn Vogelzüge Eichs Verzweiflung tragen Und Villons Sommerwind die Bäume floh Dann bläst der tote Pan die Herbstetüde Und Nebelwände sind Belsazars Wand Die Hunde ahnen Schnee und schauern prüde Und die in Häusern wohnen fürchten Brand Jahrzehntalt
Grausame Tage wo Melancholie sich ausspannt zwischen Sonne und Kirschblüten windlose Melancholie Wo Erinnern wächst an Hauswänden klematisblaues Erinnern jahrzehntalt Wo das Untüchtige Schmerz leidet unruhig durch die Gassen heult Und im geheimen alles auf Flucht sinnt – Flucht Schlaflos
Die Zeit schlägt Stunden in das Blei der Nächte Und auf dem Grunde liegen sie in Steinkorallen Uhren um die Handgelenke Schlaflos horchend ihrer Zeit die Stunden schlägt ins Blei der Nächte Und Schwärme roter Unruh zucken durch Korallen Fast reglos
Verwaiste Hunde harren an Fenstern An den Kranen der Häfen hängen die Güter der Welt Nur vom Baum der Erkenntnis fällt die verbotene Frucht in die Binsen 19. November 1963
Ich sah den Totengräber aus der Grube nach den Beinen eines Mädchens starren heute und um halb vier Uhr machten alle Autos Licht Ein Tag mit Regen Ab vierzig
Ab vierzig wirst du feststellen daß der Krug der Erinnerung dichthält Daß Granit alt ist und die Konsistenz des Lebendigen weich Daß Frauen hübsch sind besorgt um den Hinz um den Kunz Daß Vorstädte Herbstfeuer haben und Herbstfeuer Vorstädte lieben Und daß alle jung sind: die Krüge die Frauen die Städte Die Straße
Seit Henri Rousseau die Straße malte: gibt’s die Straße Mit Häusern dran Fabriken Krematorien Kapellen dran und der Wegwarte Im Spiegelbild der Nächte geht sie oben hin Mit abgelegten Träumen dran statt der Wegwarten Man hat das rote Hotel abgetragen
Man hat das rote Hotel abgetragen den Sitz der Dorfmusik Den Stapeln blauer Echos aber war nicht beizukommen Kastanienbäume der Umgebung werden frühjahrs nachtlang zögern ob sie für diesmal Taubenflügel oder Blätter treiben sollen Flecken wird der Himmel tragen wie die Gesichter derer die am Herzen leiden die Straße sich dem Wind hingeben der lüstern ihr das Staubkleid schürzt Im Herbst und falls es Blätter wurden werden sie auf Stapeln blauer Echos liegen Toten Vögeln gleich Widmung
Beginn den Tag mit einem Ei (Reklamevers) Und hör gelegentlich den Vortrag eines Pfarrers über Benn Präg dir das Lächeln eingerahmter Seniorchefs von Tea-rooms ein Und überhör den Schrei der Wildgans über Strömen nachts wenn schwarzer Eiswind über abgebrochne Brücken stürzt und Kandelaber Regenbogenmonde tragen Erde
Denkt einer Schnee hängst du gemütvoll Schwalbengirlanden ins Einnachten und längs der Schienenwege Wird einer zutraulich läßt du ihn merken daß Schmiede und Einfältige deine Bevorzugten sind Gebärdet sich einer als währte er immer und tapfer verschweigst du mit blumigem Lächeln deine uralte Diät Nach Goethe gar zwei
Die Städte haben ihren Wind die Dörfer ihren Drescherstaub Baugruben ihren Erdgeruch und Häuser ihre Leute die Leute ihre Seele nach Goethe gar zwei Seelen und jeder hat sein Taschentuch und seinen Mundgeruch Hernach
Der Wagen wird sich dem Boden einprägen vor deinem Hause Gleichaltrige werden da sein Pensionierte und Verbrauchte Der Wind wird den Regen schräg drücken und den Dampf des Roßmistes Das Dorf wird seine Geheimnisse preisgeben denen die es feierlich durchschreiten Das Land sich aufrichten für Augenblicke Schnee an den Schultern Und der Wind wird drehen hernach und wird voll Wohlgeruch des Frühlings sein Löscht am Himmel die Sonne
Der Wind lutscht die Süße der Herdenglocken Der Alte redet vom Tod auf der Straße Die Ebereschen machen sich nackt Die Sonne löst den Häusern die Zunge Die Fliegen stehen gelähmt an den Fenstern Das Moos das einfache grünt auf dem Dach – Der Wind von den Nackten zum Rasen gebracht löscht am Himmel die Sonne Gerücht
Dezembersonnen spannen Hundeschatten über grünende Sportplätze – Das Fell bleibt den Hunden Männer flechten die Kindheit aufs Windrad im Einnachten – Das Kind bleibt im Manne Statuen streuen Gerüchte aus über das Leben – Das Gerücht aber vom Leben bleiben die Statuen Winter
Blas in ein dürres Bukett und träume den Wind über Sommerfluren Ich sah
Ich sah wie die Häuser die Farbe verloren Und sah wie der Himmel die Farbe behielt Und sah wie man stirbt und wie man geboren Wie sommers die Ströme ihr Wasser verloren Und wie man gläserne Marmeln verspielt Einzig die Fensterfronten
Wasserspiele spielen wieder auf Plätzen Herzen hüpfen wie...