E-Book, Deutsch, 100 Seiten
Melchior / Schütz / Posch Die Welpenmafia
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-940873-59-0
Verlag: hansanord Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wenn Hunde nur noch Ware sind
E-Book, Deutsch, 100 Seiten
ISBN: 978-3-940873-59-0
Verlag: hansanord Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Es beginnt für Rechtsanwalt Christopher Posch wie ein ganz normaler Fall: Der frisch erworbene Welpe eines jungen Paares ist erkrankt und braucht dringend tierärztliche Hilfe.
Die Verkäuferin des Welpen weigert sich, die Kosten zu übernehmen und Anwalt Posch muss Klage einreichen. Bei seinen Recherchen stößt er auf Entsetzliches: Täglich werden in ganz Europa Hunderte mit teils gefährlichen Krankheiten infizierter Hundewelpen an ahnungslose Menschen verkauft. Bei den skrupellosen Vermehrern gilt ein Hundeleben nicht viel, die Welpenmütter sind bloße Gebärmaschinen und leben unter den unglaublichsten Bedingungen.
Die Welpen werden mit vier Wochen ihren Müttern entrissen, Verluste beim Transport durch ganz Europa sind einkalkuliert. Denn der illegale Welpenhandel ist ein Millionengeschäft.
Die Leidtragenden sind nicht nur die Menschen, die einen solchen Welpen aus Unkenntnis, aus falsch verstandener Tierliebe oder einfach aus Geiz erwerben. Die Welpen aus Vermehrerstationen sind häufig ein ganzes Hundeleben lang gesundheitlich und psychisch geschädigt wenn sie die ersten Tage bei ihren neuen Besitzern überhaupt überleben.
Aber Anwalt Posch und seine Koautoren prangern nicht nur die Machenschaften zwielichtiger Hundehändler an. Künftige Hundebesitzer finden Tipps, worauf beim Kauf eines Welpen geachtet werden muss. Und an drei Beispielen wird gezeigt, woran man seriöse Zuchtbetriebe erkennt.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 11
Die Vermehrerfarmen
von Birgitt Thiesmann Lange war dieser Begriff für mich etwas völlig Abstraktes. Meinen VIER PFOTEN-Kollegen und mir war natürlich klar, dass die Welpen, die auf den Märkten und im Internet angeboten werden, aus furchtbaren Haltungen kommen müssen. Das stumpfe Fell, die durch Würmer aufgedunsenen Bäuche und der oftmals unerträgliche Geruch, der von den Welpen ausgeht, sprechen für sich. Doch wie diese Haltungen genau aussehen und wie katastrophal sie wirklich sind, sollte ich erst im dritten Jahr der Kampagne erfahren und endlich auch dokumentieren können. Nach den zahlreichen Recherchen auf verschiedenen osteuropäischen Welpenmärkten stellte ich mir immer wieder die brennende Frage, wie ich es bewerkstelligen könnte, an die „Quellen” zu kommen. Sollte ich versuchen, einem dieser Händler nach Marktschluss zu folgen? Nein, viel zu gefährlich. In den ländlichen und sehr über-schaubaren Gegenden würde es sofort auffallen, wenn sich ein fremdes Auto stundenlang an die Stoßstange des Vorausfahrenden heftet. Nicht zu vergessen: Viele dieser Vermehrer sind alles andere als unbeschriebene Blätter und nicht gerade zim-perlich. Auf ihre nähere Bekanntschaft lege ich verständlicherweise keinen großen Wert. Aber was dann? Wer kann mir weiterhelfen? Und dann lernte ich Bea kennen. Sie wandte sich an mich, weil sie sich für Hunde in Polen einsetzt. Mittlerweile hat die zierliche Frau in Eigenregie schon vielen Hunden – insbesondere Dalmatinern – das Leben gerettet und ihnen ein schönes Zuhause verschafft. Bea ist gebürtige Polin, lebt aber schon seit vielen Jahren in Deutschland. Über sie bekam ich schließlich den entscheidenden Kontakt: Gregor, ein polnischer Tierschützer, öffnete mir die Türen zur Unterwelt der Hundemafia. Da er einen eingetragenen Tierschutzverein leitet, kann er als sogenannter „Inspector” Razzien und Beschlagnahmungen durchführen und dazu auf der Stelle Polizei und Amtsveterinäre anfordern. Wir lernten einander 2011 kennen. Gregor ist ein Bär von einem Mann: Über zwei Meter groß und kräftig gebaut. Allein schon seine Gestalt und sein selbstsicheres Auftreten sind Respekt einflößend. Gregor ist Tierschützer aus Leidenschaft. Wo Hilfe gebraucht wird, ist er zur Stelle, rund um die Uhr. Seit über einem Jahr hatte er einen Vermehrer im Visier. Dann war es schließlich soweit: Er hatte Beweise genug, ihn endlich hochgehen zu lassen. Zusammen mit dem FOCUS TV-Team machten wir uns auf den Weg. Nach stundenlanger Fahrt hielten wir an einem Waldrand. Wir waren jetzt ganz nahe dran. Und erst im allerletzten Moment verständigte Gregor die Polizei und den Amtsveterinär, um zu vermeiden, dass der Vermehrer irgendwie gewarnt werden könnte. Und obwohl das nicht Gregors erste Beschlagnahmung war, war er aufgeregt. Er weiß ja nie, was ihn erwartet und wie diese skrupellosen und oft einschlägig vorbestraften Tierquäler reagieren. Plötzlich tauchte ein Auto mit drei Männern in Zivil darin auf. Es war die Polizei. Weitere Beamte wurden angefordert, das Haus zu umstellen, denn bei dem illegalen Hundezüchter handelte es sich um einen bereits verurteilten Drogenhändler. Wir mussten auf alles gefasst sein. Jetzt konnte es endlich losgehen. Unser Weg führ-te uns in den Wald. Nach zweihundert Metern war erst mal Schluss: Endlos aneinandergereihte Steine machten ein Durchkommen fast unmöglich. Je circa 40 Zentimeter hoch und nur wenige Zentimeter breit, muteten sie wie Schienen an, die sich über den Waldweg zogen. Rechts und links nichts als dichtes Gestrüpp. Hier versuch-te jemand ganz offensichtlich, ungebetene Besucher fernzuhalten. Es nutzte nichts: Wir mussten da durch – oder besser darüber. Es gab keinen anderen Weg. Zentimeter für Zentimeter tasteten sich die Fahrer mithilfe der anderen über das Hindernis. Wären sie abgerutscht, wäre unsere Expedition hier zu Ende gewesen.
Nach schier endloser Zeit hatten wir es dann endlich geschafft. Noch eine Kurve, und dann fuhren wir direkt auf das Haus zu. Mitten in der Pampa gelegen, wirkte es auf den ersten Blick fast idyllisch. Doch schon der zweite Blick offenbarte, dass von Idylle nicht die Rede sein konnte. Rund um das bei näherer Betrachtung völlig vernachlässigte Anwesen war ein Zaun gezogen, hinter dem Hunde aller Rassen und Größen wie verrückt bellten und wie von Sinnen auf und ab sprangen. Ohne zu zögern stiegen Gregor und die Beamten in Zivil aus und gingen auf das Haus zu. Wir warteten im Auto. Ein junges Paar kam heraus und nach einem kurzen Gespräch öffneten sie widerstandslos die Tür. Jetzt betraten auch wir das Grundstück. Einige der Hunde kamen auf uns zugelaufen, darunter auch Rottweiler und Pitbulls. Wir beteten innerlich, dass keines dieser kräftigen Tiere dazu abgerichtet worden war, ungebetene Gäste fernzuhalten… Getarnt mit Westen von Gregors Tierschutzverein fielen wir nicht als Ausländer auf. Bedingung war: Wir durften kein Wort sprechen, damit auch die Beamten nicht merkten, dass wir nicht dazu gehörten. Andernfalls könnten wir sofort vom Grundstück verwiesen werden. Aber sie waren angespannt und lenkten ihre ganze Konzentration auf das Geschehen auf dem Hof, sodass sie uns gar nicht beachteten. Trotzdem wunderte es mich sehr, dass sie nicht gegen die Kamera protestierten, die der FOCUS TV-Kameramann auf seinen Schultern balancierte. Wer weiß, was Gregor ihnen für eine Geschichte aufgetischt hatte! Für uns war es jedenfalls ein großes Glück und speziell für die VIER PFOTEN-Kampagne ein riesiger Schritt nach vorn: Endlich konnte ich die schrecklichen Zuchtbedingungen der Welpen dokumentieren, die unter falschen Angaben zu Tausenden auf Märkten und im Internet angeboten werden. Der Züchter, ein junger Mann von vielleicht 25 bis 30 Jahren, verhielt sich auffallend still. Auch seine gleichaltrige Freundin blieb vollkommen ruhig. Es war aber nicht nur das Aufgebot an Polizei, das die beiden einschüchterte. Wie sich später herausstellte, stand der Züchter wegen verschiedener krimineller Delikte schon mit einem Bein im Gefängnis. Widerstand oder Gewalt hätte wahrscheinlich gleich zu seiner Verhaftung geführt.
Wir steuerten den Schuppen gegenüber dem Wohnhaus an. Kaum über die Schwelle getreten, musste ich erst einmal nach Luft schnappen. Oh mein Gott, dachte ich, hier drin kann man ja kaum atmen! Ätzender Ammoniakgeruch stieg mir brennend in die Augen und kratzte in meinem Hals. Aber auch ohne dieses giftige Gas, hervorgerufen durch Urin, Exkremente und mangelnde Belüftung, wären mir ungehindert die Tränen in die Augen geschossen. In der Baracke waren unzählige Hunde untergebracht, von denen viele panisch anfingen zu bellen und an den Wänden der Sperrholzverschläge und Plastikkisten auf und ab zu hüpfen.
Andere pressten sich zitternd mit angstgeweiteten Augen in die Ecken oder duckten sich unter unseren Blicken. Den armen Tieren stand das nackte Entsetzen im Gesichtchen. Was hatten sie hier wohl schon alles erlebt? Die Futternäpfe waren allesamt leer. Auch Wasser gab es nicht. Die letzten Tropfen hatte die vor Schmutz starrende Einstreu aufgesogen, die die Näpfe teilweise bis zur Hälfte füllte. Die kalte Neonbeleuchtung des Verschlages zeigte uns schließlich das ganze Elend: Zusammengepfercht in winzige Boxen kauerten Hundemütter mit riesigem Gesäuge, die uns aus entzündeten Augen anschauten. Welpen jeden Alters lagen regungslos um sie herum. Es schien, als hätten diese Tiere nicht einmal mehr die Kraft oder den Willen, ihre Jungen zu versorgen. Und dann der Schock: In einer Box ein toter Welpe zwischen seinen – noch – lebenden Geschwistern. Das Tier schien schon vor längerer Zeit verendet zu sein, doch niemand hatte sich die Mühe gemacht, den kleinen Körper zu entfernen. Und es wurde noch schlimmer. Der Welpe schien gar nicht zu dem Wurf zu gehören. Obwohl noch sehr jung, war er um einiges größer als seine vermeintlichen Brüder und Schwestern. Was hatte er dort zu suchen? Woher kam er? Und wo war seine Mutter?
Eine wacklige Holztreppe führte uns in den zweiten Stock. Eigentlich war es nicht mehr als ein eingezogener Boden aus...