E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Menzel Mein neues Leben ohne Angst
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-432-11077-6
Verlag: Enke
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit ganzheitlichen Methoden Ängste und Panikattacken besiegen
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-432-11077-6
Verlag: Enke
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zielgruppe
Gesundheitsinteressierte
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Sachbuch, Ratgeber
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Medizin, Gesundheit: Sachbuch, Ratgeber
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Komplementäre Medizin, Asiatische Medizin (TCM), Heilpraktiker
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2 Die Wunde der ungeliebten Frauen
In den Gesprächen, die ich über die letzten Jahre mit Frauen jeden Alters geführt habe, erkannte ich immer wieder eine bestimmte Angst: die, nicht geliebt zu werden. Es ist kein weiblicher Schmerz in meinen Augen, vielmehr eine menschliche Erfahrung, die je nach Biografie schmerzhafter oder weniger transparent ist, wenn sich die eigenen Erwartungen (wiederholt) nicht erfüllen. Diese Wunde, die durch singuläre, anhaltende oder wiederkehrende Nichtbefriedigungen entstanden ist, ist eng mit Erfahrungen aus Kindheit/Jugend und frühem Erwachsensein verbunden: ein unersättlicher und sehr duldsamer Teil Ihrer Persönlichkeit, der irgendwann einmal oder wiederholt nicht ausreichend genährt worden ist. Er sehnt sich bis heute nach Liebe – beständiger, bedingungsloser und allseits verfügbarer, warmer und doch befreiter Liebe, wie Sie sie definieren. Das kann im Sinne von Förderung und Wachstum (z. B. finanzielle Möglichkeiten), Dasein und Schutz (z. B. stets verfügbare Zuwendung und Aufmerksamkeit), Erlebnisse und Gemeinsamkeit (z. B. Beschäftigung durch bzw. mit anderen) sein oder sich nur auf Zweisamkeit und (emotionale, körperliche) Intimität beziehen. Dieser schmerzliche Teil Ihres Selbst liegt tief verborgen und ist für Außenstehende sicher kaum sichtbar, denn wie viele andere Frauen auch haben Sie auf Ihre Art gelernt, Ihre Wunde zu verstecken: durch Karriere und Berufung, Mutterschaft, Partnerschaft, Ehrenämter und Engagements, Freizeitaktivitäten, Konsum, enge freundschaftliche Verbindungen, Ästhetik, Sorge für Tiere u. v. m. Es gibt unzählige Kompensationen, um seine Wunde nicht spüren zu müssen, doch Geschäftigkeit und Füllen der Leere ist eine besonders weit verbreitete. Frauen tendieren besonders dazu, durch Ersatzbeziehungen jene frühen Erfahrungen auszugleichen, in denen sie nicht (genug) erhielten von dem, was sie gebraucht hätten. Liebe erleben und geben zu dürfen sind keine selbstverständlichen Erfahrungswerte. Wir können einen liebevollen Vater, aber eine emotional kalte Mutter gehabt haben oder eine bemühte Mutter, aber einen abwesenden Vater. Auch unsere Geschwister und sonstige Verwandten können uns stark prägen. In unserer Kindheit bildete sich folglich ein Bindungsstil, der sich zwar im Erwachsenenleben ändern lässt. Doch Frauen, die in ihrer Vergangenheit karge, lieblose Zeiten erlebten, tendieren verstärkt dazu, sich durch Beziehungen aufwerten zu wollen, um bei einem Partner, der sie »genug mag«, das zu finden, was ihnen früher so sehr fehlte. Diese Mangelerfahrung jagt ihnen bis heute so viel Angst ein, dass sie selbst die destruktivsten und unbefriedigendsten Beziehungen nur schwer verlassen können, weil sie unter der Sehnsucht leiden würden. »Denn es ist kostbar, geliebt zu werden«, wie es eine Klientin einst ausdrückte. Es ist kostbar, einen Platz in der Welt zu haben, an dem man willkommen ist oder gebraucht wird. Deshalb täten viele alles, um diesen Platz, sei es ein Mensch, eine Familie oder ein Job, zu bekommen und nicht mehr zu verlieren. Viele der Frauen, die liebevoll und sicher aufwuchsen, fühlten sich dennoch latent ungesehen und ungehört. Oder sie hätten mehr von der Aufmerksamkeit und Zuwendung gewollt. Sie trifft oft ein anderer Gefühlszustand: Sie verirren sich in der heutigen Optionalität, schwanken zwischen Perfektionismus und ihrem Streben nach Wert und Bedeutung hin und her. Viele leiden dabei an einer Angst vor Selbstüberschätzung und fürchten den Gesichtsverlust. Oder sie haben Schwierigkeiten, Maß zu halten, und finden im Höher-Schneller-Weiter der heutigen Zeit kein anhaltend zufriedenstellendes Ziel. Sie fallen stets auf einen brüchigen Selbstwert zurück, weil die Leere trotz großer Erfolge bestehen bleibt. Der Gedanke, es müsse an ihnen liegen, weil sie nicht genug gegeben hätten, gewesen seien, getan hätten oder andere ihnen im Weg stünden, ist nicht selten. Sie fühlen sich »anders« oder wissen intuitiv, dass sie mehr könnten, wenn man sie nur ließe. In ihnen schlummert der Drang, besonders zu sein, etwas Besseres als ihr jetziges Ich, um sich zu beweisen und die Zuwendung und Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie verdienen. Mehr Wert zugesprochen zu bekommen, ist das Ziel – aber oft erst, nachdem sie etwas geleistet haben, emotional oder psychisch. Für sie ist Leistung unbewusst mit Geliebtwerden oder Willkommensein verbunden. Zwischen einseitigen Beziehungen und dem Kampf, sich zu verbessern, um etwas von früher wiedergutzumachen, verirren sie sich. Egal zu welcher Gruppe Sie sich zugehörig fühlen: Es spielt weniger eine Rolle, ob Ihre Umstände Ihr Gefühl berechtigen. Tatsächlich empfanden die meisten Frauen es selbst als unsinnig, dämlich und blöd, sich so zu fühlen, besonders, wenn sie vermeintlich alles hatten und gesund waren. Dennoch fühlten sie sich auffallend oft stumm, unsichtbar und unbeachtet, störend, allein, ungewollt und unbedeutend, gebremst, abgetrennt, ausgeschlossen oder missachtet. Viele der Frauen hatten sich lange Zeit angepasst und eingefügt, teilweise als bloße »Erweiterung« anderer gelebt, ohne selbst je am Steuer des Wagens, der sie durch ihr Leben brachte, gesessen zu haben. Sie hatten durch andere gelebt, ohne zu wissen, was ihr Leben als Aufgabe und Sinn hatte. Sogar Frauen, die dramatische Lebenserfahrung gemacht hatten, verneinten im ersten Schritt ihre Wunde sich selbst gegenüber, als dürften sie nicht leiden. Sie verfügten über kein klares und benennbares Bild von der hinter der Fassade lauernden Ernüchterung durch eine Identität, mit der sie nicht einverstanden waren: weil sie zu wenig, zu lieblos, zu bedeutungslos, zu bedingungsvoll, zu xy erschien. In beiden Fällen trauten sich die Frauen auch nicht, Bedürfnisse zu haben, weil sie unstillbar schienen und gleichzeitig anderen emotional etwas abverlangten. Sie wollten kein Problem für andere sein. Schon der Gedanke, dass sie diesen Durst nach wahrer, immer sicherer Liebe hatten oder etwas, was sie an eine solche Liebe erinnerte, war vielen zu eindringlich – weswegen sie ihn vermieden. Andere hingegen erlebten den Schmerz täglich, als wäre er ein Teil von ihnen. Sie hatten entweder Partner, die sich mit ihren Lebenszielen in den Mittelpunkt drängten, sodass die Frau stellvertretend für ihren eigenen Schmerz handeln konnte – bei ihm. Oder die Wunde rief in ihnen Gefühlsreaktionen hervor, die von tiefer Wut, unbändiger Eifersucht und Einsamkeit, blindem Aktionismus bis hin zu einem Punkt der körperlichen, psychischen und emotionalen Überforderung reichten. All das nur, um ihre eigene Bedürftigkeit nicht zeigen zu müssen. Stattdessen maskierten sie sie und nannten sie »Liebe«, »Pflicht«, »Moral«, »Standard« oder schlicht »normal«. Denn bedürftig zu sein, needy, wie man heute auch zu sagen pflegt, gilt als unbequem, anstrengend und kindisch. Es bringt Erwartungen an andere mit sich, die oft im gleichen Atemzug eine Angst vor Trennung und Ausschluss auslösen. Diese Angst ist ein typisches Signal der Wunde der Ungeliebten. Doch sie dürstet nicht nur nach Liebe, sondern vor allem danach, dass sie da sein darf und nicht abgewiesen wird. Abweisung fügte sie den Frauen erst zu; deshalb ist jeder Zustand der Verneinung kontraproduktiv. Die Angst meldet sich nur deshalb wiederholt und vehement, weil sie lange nicht gehört und gesehen werden sollte. In der Realität aber will sie sich zeigen dürfen und andere zum Schweigen und Zuhören bringen. Das Unbequeme ist, dass sie erwartet, beachtet und befriedigt zu werden – doch nicht nur durch andere, sondern durch ihre Trägerin. Kehren Sie die Wahrnehmung und den Umgang mit Ihrer Bedürftigkeit um Menschen haben Bedürfnisse. Niemand hat mehr oder weniger Bedürfnisse oder Bedürftigkeit verdient. Erlauben Sie sich die nötige Kehrtwende: Auf einer Skala von 1–10: Wie bedürftig empfinden Sie sich? Für wie unbequem halten Sie Ihre Bedürftigkeit? (Nur wahrnehmen und ehrlich beantworten, ohne zu hinterfragen.) Stellen Sie für sich heraus, wer/was in Ihrem bisherigen und aktuellen Leben Ihre Bedürftigkeit mitbestimmt (hat) und wer/was Sie Ihnen absprach. Auf einem neuen Blatt Papier: Erstellen Sie fünf Spalten. Welche Bedürfnisse haben Sie wirklich, im Vergleich zu denen, die Sie sich trauen, offen zu zeigen und auszusprechen? Wie gehen Sie mit diesen um? Was glauben Sie, was andere von Ihren Bedürfnissen halten? Was denken Sie über Ihre Bedürfnisse? Wie sollten/möchten Sie aus erwachsener, selbstverständlicher und selbstliebender Sicht mit Ihren wahren Bedürfnissen umgehen? Nehmen Sie diese Spalte als eine Entscheidung und versuchen Sie, einzelne Ideen tagtäglich umzusetzen. Nutzen Sie Visualisierungen durch Zettel an Gegenständen, an denen Sie mehrmals täglich vorbeilaufen, durch die Erinnerungsfunktion Ihres Handys oder durch Morgen- bzw. Abendseiten, um Ihre Bedürfnisse am Tag wahr- und anzunehmen, ihnen in Ihrem Denken und Fühlen Raum zu...