Meyer | Greta Wehner | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 360 Seiten

Meyer Greta Wehner

Die Schattenfrau der SPD
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7844-8497-6
Verlag: Langen-Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Schattenfrau der SPD

E-Book, Deutsch, 360 Seiten

ISBN: 978-3-7844-8497-6
Verlag: Langen-Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



37 Jahre war Greta an der Seite des SPD-Politikers Herbert Wehner: als Bürochefin, Fahrerin, Mitarbeiterin, Begleiterin, Ehefrau und Pflegerin. An Greta Wehner ist, so Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, "eine Politikerin verlorengegangen".
Ihr Weg ist kein typischer Lebenslauf – und auch keine typische Emanzipationsgeschichte. Greta entsprach keinem Klischee. Viele der in sie gesetzten Erwartungen, erfüllte sie nicht. Aber auf ihre eigene Art und Weise übertraf Greta alle Erwartungen. Sie behauptete sich im Politbetrieb, als dieser noch mehr denn je eine reine Männerdomäne war. Dabei setzte sie ihr Leben lang Maßstäbe für mitmenschliches, demokratisches und solidarisches Handeln.
Über 20 Jahre gehörte der Autor Christoph Meyer zu den engsten Begleitern von Greta Wehner. Er konnte auf ihren gesamten Nachlass zurückgreifen. Herausgekommen ist eine gleichermaßen spannende wie persönliche Biografie.

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Suchbild Der Autor ist Zeitzeuge zugleich. Darum werden dieses und andere Bilder, hier und an anderen Stellen, in den Fluss der Erzählung eingefügt. Ein Parteikongress, Anfang der Sechzigerjahre. Der Saal ist dicht besetzt. Vorne stehen Tische mit weißem Tuch, daran sitzen Funktionäre, weiter hinten, gedrängt in Stuhlreihen, das Publikum, die Basis. Dunkle Anzüge, weiße Hemdkragen, Krawatten, die Herren meist mittleren Alters, nur vereinzelt Damen im Kostüm. Rechts steht ein kleiner, älterer Herr am Redepult. Es ist der Vorsitzende, Erich Ollenhauer. Hinter ihm erhebt sich ein deutlich jüngerer Mann. Unverkennbar im Profil: der Regierende Bürgermeister von Berlin. Der Fotograf will einen historischen Moment festhalten. Hier stellt sich ein Hoffnungsträger vor. Viele Hände klatschen Beifall. Erwartungsvolle Blicke. Willy Brandt ist Kanzlerkandidat. Endlich hat die Partei eine frische Alternative zum Alten, zu Adenauer. Das ist die Diagonale von links unten nach rechts oben. Sie dominiert das Bild, auch das Geschichtsbild. Aber da geht noch eine weitere Linie durch das Bild, sie ist schwächer, kreuzt die andere in entgegengesetzter Richtung. In der linken oberen Bildhälfte vor den Stuhlreihen ist eine junge Frau zu sehen. Stehend, kurzes dunkles Haar, Seitenscheitel, breite Wangenknochen. Groß gewachsen, dunkel gekleidet, Perlenkette, eine Hand vor dem Mund, überlegend. Ihr Blick ist nicht auf die ebenfalls stehenden Hauptfiguren gerichtet. Er geht in die rechte untere Bildhälfte, zum Präsidiumstisch. Die Herren dort sind nur von schräg hinten zu sehen. Einer sitzt etwas nach vorn gebeugt, er scheint den Blick der Frau zu erwidern. Braucht er etwas? Der Mann, das kann Herbert Wehner sein. Die Frau, das ist Greta. Greta Burmester, später Greta Wehner, weiß sicher nicht, dass sie gerade fotografiert wird. Sonst wäre sie gar nicht ins Bild gelaufen. Denn Greta tut alles, nämlich das, was sie für das Notwendige hält, für Herbert. Sie drängt sich nicht nach vorn. Im Gegenteil, wenn sie einmal zu sehen ist, dann oft nur am Bildrand, im Hintergrund. Greta sorgt dafür, dass der Mann arbeiten kann. Im Politikbetrieb wie im Privatleben hält sie Herbert Wehner den Rücken frei. Ihre Hilfe ist notwendig, damit der wichtigste Stratege der deutschen Sozialdemokratie, der Architekt auch dieses historischen Moments, weiterarbeiten kann. Da steht sie nun, in ihrem Rücken die Stuhlreihen der Parteibasis, die Funktionärsriege im Blick. Gretas aufrechter Stand hebt das hierarchische Oben und Unten etwas auf, ihre Erscheinung gibt dem kalten Schwarzweiß etwas Wärme. Ohne Greta ist das Bild nicht vollständig. Als Gegenentwurf zu klassischen Rollenbildern taugt Greta nicht. Sie passt aber auch in keines hinein. Sie ist die Tochter von Herbert Wehners Frau Lotte, aber sie ist nicht seine Stieftochter. Aus gesundheitlichen Gründen kann die Mutter ihren Mann nicht auf seinen Reisen und Terminen begleiten. Diese Aufgabe fällt Greta zu; aber sie ist kein schmückendes Beiwerk mit karitativer Nebentätigkeit. Sie ist keine Politikerfrau. Greta organisiert Herberts Termine, fährt ihn überall hin, ist stets mit Hilfe zur Stelle. Aber ebenso wie im Privaten gibt es auch im Beruflichen keine Stellenbeschreibung, die auf Greta passt. Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau, der Spruch allerdings trifft hier zu. Die alte Bundesrepublik Deutschland, das Wirtschaftswunderland, ist männerdominiert. Männer und Frauen sind gleichberechtigt, verspricht das Grundgesetz, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Nicht nur auf Parteitagen, in der gesamten Politik, im Berufsleben und in den Familien, überall haben die Männer das Sagen. Kindergartenplätze sind rar. Frauen, die heiraten, hängen ihren Beruf an den Nagel und dienen ihren Männern und Kindern als Hausfrauen und Mütter. Arbeitende Frauen sind meist alleinstehende Frauen, oft in untergeordneten Stellungen, in helfenden Berufen: Krankenschwestern, Sekretärinnen, Sozialarbeiterinnen. So auch Greta Burmester. Greta, Jahrgang 1924, ist die Tochter eines Hamburger Widerstandskämpfers, den die Nazis ermorden, als sie noch keine zehn Jahre alt ist. Mit Mutter und Bruder flüchtet sie nach Schweden, dort lernt Lotte Burmester 1944 Herbert Wehner kennen und lieben. In dieser Zeit geht Greta eigene Wege. Im Jahr 1953 ist sie Fürsorgerin in Offenbach am Main. Im Sommer, kurz nach dem Aufstand vom 17. Juni – es ist Bundestagswahlkampf – wird Greta aus ihrem Berufsleben gerissen. Herbert ruft an, Lotte hat einen schweren Herzinfarkt und liegt im Krankenhaus. Der Abgeordnete, Ausschussvorsitzender und Mitglied im Parteivorstand, hat keine persönliche Hilfe zu Hause und kein eigenes Personal im Büro: Greta, du musst kommen! Sie bittet ihren Vorgesetzten um unbezahlten Urlaub. Der wird ihr verweigert. Herbert sagt: Dann musst du eben kündigen, eine Arbeit findest du immer wieder. Greta fährt mit dem Zug nach Bonn, sie kündigt und zieht zu Herbert und ihrer Mutter. Greta ist 28 Jahre alt. Die erste Dienstreise führt sie nach Schweden, zum Kongress der Sozialistischen Internationale. Die Ärztin ihrer Mutter hat dazu geraten, dass Herbert nicht allein nach Stockholm fährt. Lotte hat Angst um Herbert, und diese Angst sei lebensgefährlich für die schwerkranke Frau. Besser, es fährt jemand mit. Am 11. Juli, Herberts 47. Geburtstag, geht es los, von Bonn über Hamburg nach Lübeck. An Bord der Fähre von Travemünde nach Trelleborg ist nahezu die komplette SPD-Spitze: Vorsitzender Erich Ollenhauer, Parteikassierer Alfred Nau und so weiter. Die Genossen haben Durst. Genau gesagt: Sie fürchten, im alkoholfeindlichen Skandinavien trockengelegt zu werden. Also werden Schnapsflaschen gekauft und gleich an Ort und Stelle eröffnet. Greta ist entsetzt. Um das Schlimmste zu verhindern, tut sie das ihre. Selbst trinkt sie sonst nie, aber heute lässt sie sich ein Glas nach dem anderen geben. In unbeobachteten Momenten kippt sie das Zeug über die Reling. Das bemerkt keiner, aber: »Das half nur gar nichts, denn die haben immer neuen Schnaps gekauft.«[1] [Anmerkung zur Wiedergabe direkter Rede: Aufgrund der besseren Lesbarkeit werden alle Zitate an die derzeit gültige Rechtschreibung angepasst. Charakteristische sprachliche Eigenheiten werden jedoch beibehalten.] Von den politischen Debatten des Kongresses bekommt Greta so gut wie nichts mit. Für sie ist die Reise ein willkommenes Wiedersehen mit Schweden, dem Land ihrer Jugend im Exil. Sie hat auch keine wichtigen Aufgaben, außer eben Herbert zu begleiten. Auf dem Besuchsprogramm stehen eine Schifffahrt in den Schären mit dem gesamten Kongress, ein Abstecher nach Uppsala sowie ein Besuch auf Schloss Drottningholm. Greta sieht dort ein Theaterstück, eine Art »Achtzehnhundertwittkohltheater«, »mit Barock und so«. Zurück in Deutschland rutscht Greta voll hinein in das Leben mit »Mutti und Herbert«. Ein Termin jagt den anderen. Von nun an ist Greta immer mittendrin, drei Jahrzehnte lang. Die Fürsorgerin sorgt für ihre Mutter und deren Mann, sie bringt Ordnung in das Leben der beiden und in seine Arbeit, in den politischen wie in den privaten Betrieb. Ohne sie geht es nicht. Gretas Hilfe ist lebensnotwendig. Juli 1953: Greta an Bord des Dampfers »Drottningholm« auf dem Mälarsee Wenn Greta sich zu Hause um ihre kranke Mutter kümmert, kann Herbert politische Termine wahrnehmen. Und wenn Herbert bei Mutti ist, dann führt Greta Gespräche mit Leuten, die Rat und Hilfe suchen. Sie denkt: »Das ist auch nicht viel anders als Fürsorgearbeit.« So geht es im Wahlkreis in Hamburg-Harburg, so geht es unterwegs im Wahlkampf, und so geht es dann in Bonn, nach der Wahl. Da fragt Herbert Greta, ob sie sich nicht um sein Büro im Bundestag kümmern kann, und so versucht sie auch dort, »etwas Grund reinzubringen«. Sie sortiert die Akten, bearbeitet die Post, führt die Terminkalender. Im Jahr darauf macht Greta den Führerschein. Von da an fährt sie Herbert zu fast allen Terminen. Dienerin, Fahrerin, Sekretärin, Ordonnanz, Adjutantin, Büroleiterin, Referentin, Begleiterin, Fürsorgerin, Pflegerin, all diese Wörter beschreiben Teile von Gretas Tätigkeit, keines jedoch trifft den Kern. »Helferin, nicht Dienerin«, schlägt Hans-Jochen Vogel später vor.[2] Als Lotte stirbt, 1979, bleibt Greta mit Herbert allein. Die Beziehung der beiden wird noch enger, 1983 heiraten sie. Da ist Herbert aus dem Parlament ausgeschieden und bereits schwer krank. Die Demenz ist noch unerkannt, aber sie greift immer weiter um sich, bis sie den ganzen Alltag des Paares bestimmt. Greta pflegt Herbert, das formelhafte Wort dafür heißt »aufopferungsvoll«. Intensiv, belastend, liebevoll, das alles trifft auf diese letzten Jahre mit Herbert zu. Zum Ruhestand werden die Jahre nach seinem Tod 1990 für Greta nicht. Sie fährt in den Osten Deutschlands, will »ein Stück von Herbert« in seine Heimat zurückbringen und wird so zur Mutmacherin in Sachsen. Sie hilft, ein Bildungswerk zu gründen und setzt sich öffentlich und wirksam für Demenzkranke und deren Angehörige ein. 1996, mit über siebzig Jahren, zieht sie ganz nach Dresden. Soweit ihre Kräfte es zulassen, nimmt sie weiter Stellung, setzt sie sich für die Entwicklung der Demokratie ein. 1998 komme ich nach Dresden, ein Jahr später meine Frau Margarete. Zwanzig Jahre, bis zu ihrem Tod 2017, ist Greta Teil unseres Lebens. Ein Buch über Herbert zu schreiben, den ich persönlich nicht mehr kennengelernt habe, das war historisches Handwerk, verbunden mit vielen Erzählungen und Eindrücken der Atmosphäre, die nicht zuletzt Greta vermitteln konnte. In erster Linie aber eben doch...



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