E-Book, Deutsch, 148 Seiten
Moser Theorie der Abwehrprozesse
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-86099-992-9
Verlag: Brandes & Apsel
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Die mentale Organisation psychischer Störungen
E-Book, Deutsch, 148 Seiten
ISBN: 978-3-86099-992-9
Verlag: Brandes & Apsel
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Nach jahrzehntelangen Vorarbeiten legt Moser eine anspruchsvolle Theorie der Abwehrprozesse vor: Abwehren sind Prozeduren einer mentalen Organisation, die auf regulierenden Modi beruhen und durch affektive und kognitive Informationen vernetzt sind. Sie haben zweierlei Funktionen: Sie generieren konfliktfreie Zustände und sichern zugleich vor Veränderungen, die unklare Verhältnisse erzeugen. Die von Moser entwickelte Regulierungstheorie paralleler Prozesse, setzt in erstaunlicher Weise direkt das Denken des Psychoanalytikers in eine moderne Theorie psychischer Störungen um. Die Unterscheidung von repräsentationalen, situativen und wahnhaften Niveaus der Regulierung erlaubt, auch frühe Störungen, Borderlinesyndrome, Depressionen und psychotische Zustände einzuordnen und zu verstehen. Der Autor: Ulrich Moser, Dr. phil., em. Professor für Psychologie und Klinische Psychologie an der Universität Zürich. Psychoanalytiker (Schweizer Gesellschaft für Psychoanalyse/IPV). Veröffentlichungen zur Neurosenlehre, Affekt-,Kognitions- und Psychotherapieforschung. Buchveröffentlichungen: Cognitive-Affective Processes. New Ways of Psychoanalytic Modeling (zus. mit von Zeppelin); Der geträumte Traum (zus. mit von Zeppelin); Psychische Mikrowelten. Neuere Aufsätze; Das Liegen Lassen der Poesie und Traum, Wahn und Mikrowelten (2008 bei Brandes & Apsel).
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Inhalt
Von den Schwierigkeiten, ein Vorwort zu schreiben
I.Die Abwehrprozesse in repräsentationalen und situationalen mentalen Organisationen
1. Spotlights zur Geschichte der Abwehrtheorien
2. Die mentale, affektiv-kognitive Organisation. Module, Mikrowelten, parallel processing
3. Wünsche
4. Modul Planner
5. Präventive Abwehrprozesse, Reaktivierungsabwehr
6. Verdrängung
7.Modul Rule (Überich-Regeln)
8. Modul Transformation
9. Modul Selbststabilisation
10. Modul Selbstreorganisation
11. Modul Antizipation
12. Modul Relation
13. Phantasie, Objektwechsel, interpersonale Abwehr
14. Repräsentationales und situationales Niveau defensiver Strategien
15.Merkmale der situationstheoretischen Phase der Regulierung
16. Wunsch und Angst in der situationalen Organisation
17. Affektregulierung
18. Zur Dynamik der Hoffnung
19. Object relation embedded defenses
20. Abwehr der Zustandsaffekte
21. Reduktion des emotionalen involvement. Prozeduren der Desaffektualisierung
22. Gegenkontrollprozesse, Restabilisierungsversuche
23. Embodied Simulation. Das Beispiel der adhäsiven Identifizierung
24. Sicherheitsregulierung und primäres Affektsystem, zwei Arten von self stability defenses
25. Self positional defenses
26. Virtualisierung der Mikrowelt: Wahn
27. Traumatische Situation, dissoziative Zustände. Ein Nachtrag
28. Depression. Ein zweiter Nachtrag
II.Kommentare und Exkursionen zu ausgewählten Themen
1.Kognitive und affektive Information. Information processing perspective
2. Verschiedene Zustände der affektiven Information
3. Wunsch, Trieb, Motivation
4. Abwehr der Aggression? Aggression als Abwehr?
5. Konsequenzen für prozessorientierte psychodynamische Diagnostik
Glossar
Literaturverzeichnis
Die Schönheit einer Theorie zu spüren, ist nicht gerade die Gabe der Psychoanalytiker. Theorie scheint ihnen als eine "Wolke dumpfer Abstraktion in den Himmel geschrieben" (Manganelli 1986). Sie vermögen nicht zu verstehen, dass jede Theorie aus Phantasien entsteht, die hinter den individuellen Realitäten liegen und dennoch deren Reichtum einschließen. Sie sind nicht erstarrte Statuen im Park der Wissenschaft, sondern Blüten, Spiele und Kaskaden, die unser Denken verweben und vernetzen. Gelungen sind sie dann, wenn es gelingt, aus ihnen den Weg zurück zu den einzelnen "Fällen" zu finden. Für diesen Prozess hat bereits Piaget (1957) die Bezeichnung symbolisierende Individualisierung benützt (s. auch Moser 1992).
In der Praxis lebt und arbeitet der Analytiker "on-line" (Moser 1991) in einer Mikrowelt, die er mit seinem Analysanden gründet. Er lebt im Hier und Jetzt, allenfalls in der Geschichte dieses Hier und Jetzt. Vergleiche mit anderen Mikrowelten sind von sekundärem Interesse. Theorien sind insofern 'gestattet', als sie die Vorgänge in dieser therapeutischen Mikrowelt beschreiben, wie etwa die Interpretation. Analytiker sind gewohnt, aus den Daten zu extrahieren, aber nicht aus ihnen zu abstrahieren. Abstraktion ist aber notwendig, um die Prozesse zu finden und zu formulieren, die jene Phänomene erzeugen, die extrahierend beschrieben worden sind. (Ein fortbestehendes Problem ist ja die Frage, ob Vorgänge wie projektive Identifizierung oder Verdrängung lediglich beschreibend sind oder Prozesse bestimmen, die das Phänomen erzeugen.)
Die Zentrierung auf die Erforschung der therapeutischen Situation und auf das Erleben der beiden Protagonisten hat Theorien, die vergleichend über verschiedene Störungen Aussagen machen (sogenannte Neurosenlehren) beinahe zum Aussterben gebracht. Sie scheinen botanischen Linné-Systemen gleich, irgendwie überflüssig. Wenn in diesen Theorien der mentalen Organisation zusätzliche Elemente anderer Theorien und Empirien eingeführt werden, wird von der Bedrohung der psychoanalytischen Identität gesprochen (so z.B. Green 1999). Es wird bei dieser teleskopartigen Einengung des Blickes übersehen, dass die Fortschritte der Wissenschaft nur immer über den Transfer von Methoden und Denkweisen anderer Wissenschaften möglich waren. Die Psychoanalyse ist in Gefahr, ein self containing system zu werden. Das ausgedehnte Rauschen hören dann nur wenige. Es ist eine zu ferne und fremde Poesie. Im Unterschied zu Gellu Naums Rede geht schlussendlich die Chaosgeometrie nicht zu Ende, vielleicht aber ein Stück des ad hoc chaotischen Gebrauchs von Konzepten.
Was ich in meiner "Rede" bringen werde, ist eine historisch abgeleitete, doch neue Betrachtung der Theorie der defensiven Prozesse. Sie wurde immer als ein Kernstück der psychoanalytischen Konzeptionen angesehen. Ich fokussiere im Folgenden mit Absicht nicht die therapeutische Situation, wie das heute bevorzugt getan und als Forderung an theoretische Darstellungen gestellt wird. Die technische Devise Betty Josephs "how to handle it" ernst zu nehmen, heisst auch, die Struktur dessen zu kennen, was zu verändern ist und in welcher Weise Analytiker und Analysand in die mentale Organisation des jeweils Anderen geraten. Denn die analytische Situation vereint zwei Mikrowelten, die gegenseitig reguliert sein müssen.