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E-Book, Deutsch, 200 Seiten, E-Book
Müller Im Angesicht des Lebens
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-68951-001-5
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erfolg und Erfüllung neu gedacht . Durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit wieder Sinn in der Arbeit finden und ein glückliches Leben führen
E-Book, Deutsch, 200 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-68951-001-5
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Markus C. Müller ist Unternehmer und Wirtschaftsmanager. Nach seinem Jurastudium in München gründete er 2002 die ubitexx GmbH. Im Mai 2011 verkaufte er das Unternehmen an BlackBerry. 2013 übernahm er die Geschäftsführung für Deutschland, 2014 wurde er Europa-Chef von BlackBerry. Im April 2015 stieg Markus C. Müller bei BlackBerry aus und absolvierte eine Ausbildung als Hospizbegleiter beim Hospizdienst DaSein e.V. in München. Im Jahr 2019 gründete er als Co-Founder und CEO die Nui Care GmbH, die einen digitalen Pflegeassistenten für pflegende Angehörige entwickelt. Seit April 2017 ist Markus C. Müller Vorstandsvorsitzender beim Hospizdienst DaSein e. V. Er war außerdem von 2016 bis 2018 ehrenamtlicher Sterbebegleiter im Freiwilligenteam der Spitex Bern. Seit November 2023 ist er Vorstand im Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV). 2011 belegte er Platz 85 der Top 100 der wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen ITK-Branche der Computerwoche.
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Der Weg
Durchs Tal der Tränen zu einer Idee, die trägt
Mein Ausstieg war ohne Plan. Ich hatte mir nicht vorgenommen, aufzuhören, sondern mich spontan für die Kündigung entschieden, weil ich spürte, dass ich meine zwei Leben – das des beruflichen Markus und das des privaten Markus – nicht zusammenbringe. Ich musste eines radikal beenden, damit ich mich mit dem anderen weiter auf den Weg machen konnte. Das war die Idee. Ich wusste mir nicht anders zu helfen und hatte daher statt vieler kleiner Schritte gleich einen großen gemacht. Es gibt Menschen, denen es gelingt, beide Seiten in ihr Leben zu integrieren. Man muss bestimmt nicht gleich kündigen, um zu einem erfüllteren Leben zu gelangen. Es gibt sicher andere Möglichkeiten, aber ich habe damals diesen Weg gewählt.
Die große Leere
Die ersten Wochen nach meiner Freistellung habe ich in Thailand verbracht. Danach bin ich weitergereist. Monate später, ich war in Kapstadt, wurde ich krank. Nichts Ernstes, vielleicht eine Grippe. Ich lag ein paar Tage im Bett und hatte viel Zeit, nachzudenken. Bis dahin war ich ständig unterwegs gewesen, hatte überlegt, wo ich als Nächstes hinreise, wie ich dort am besten hinkomme, was ich am nächsten Ziel alles sehen möchte. Ich hatte nie viel Zeit an einem Ort verbracht. Jetzt aber, in Südafrika, in einer Airbnb-Wohnung direkt am Strand und mit wunderbarem Blick aufs Meer, war ich zum Innehalten gezwungen.
Und was ich spürte, war eine große Leere. Die Reisen hatten mich davon abgelenkt, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Mir wurde klar, dass ich nicht für den Rest meines Lebens einfach nur durch die Welt reisen wollte. Sondern, dass diese Leere gefüllt werden will. Dieses Gefühl der Leere war eine völlig neue Erfahrung, mit der ich zu Beginn nur schwer umgehen konnte. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich kein Ziel. Jahrzehntelang war ich morgens aufgewacht und wusste: Mein nächstes Ziel ist das Abitur oder das Studium oder eine Firma aufzubauen. Es hatte immer etwas gegeben, worauf ich hingearbeitet habe. Als dieser Automatismus auf einmal wegfiel, hatte ich Angst. Ich kannte diesen Zustand nicht und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Das ist so, als hätte man 40 Jahre mit einem Menschen zusammengelebt und plötzlich wacht man auf und er ist weg. Ich war 40 Jahre lang mit dem Gefühl aufgewacht, ein Ziel zu haben, und nun war da keins mehr. Für manchen mag das wie eine Befreiung klingen. Für mich war es das nicht, denn Ziele zu haben, war für mich positiv motivierend, ich wusste dadurch immer, was ich als Nächstes tun muss. Nun aber stand ich vor der Frage: »Was mache ich heute eigentlich?« Damit konnte ich schlecht umgehen. Die Angst entstand, weil ich nicht absehen konnte, ob sich dieser Zustand je wieder ändern und ich Aufgaben finden würde, die mich motivieren.
Ich spreche gern – und nur halb im Scherz – vom »Tal der Tränen«, das ich in den nachfolgenden Jahren durchqueren musste. Es ist nicht einfach, mal eben ein altes Leben zu beenden und ein neues zu beginnen, von dem sich anfangs nicht sicher sagen lässt, dass es ein besseres sein wird. So ein Change-Prozess ist schmerzhaft, er erfordert die Zuversicht und das Vertrauen, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Viele Menschen versuchen aus alten Strukturen auszubrechen und kehren dann doch in ihr gewohntes Leben zurück, weil es bequemer ist, weil es ihnen einfacher erscheint und vor allem, weil es die Unsicherheit beendet, die, je länger sie anhält, immer schwerer auszuhalten ist. Ich möchte dazu ermutigen, dann nicht aufzugeben und dieses Gefühl auszuhalten, nicht zu wissen, wie es weitergeht – bis sich etwas ergibt, das sich richtig anfühlt.
Das »Paradox of Choice«
Eine der Herausforderungen in einer solchen Situation ist die Vielzahl an Optionen. Ich glaube, das ist heute auch ein Problem von vielen jungen Menschen, die nach ihrem Schulabschluss überlegen, was sie aus ihrem Leben machen sollen: Sie können aus unendlich vielen Möglichkeiten auswählen, ihnen steht die Welt offen, sie können alles machen. Und genau das ist das Problem. Denn um eine gute Wahl zu treffen, muss man erst einmal wissen, was man wirklich will. Das herauszufinden, ist nicht so einfach. Nicht umsonst sprechen wir von der »Qual der Wahl«.
Der Psychologe Barry Schwartz hat den Begriff »Paradox of Choice«3 geprägt. Seine These: Zu viele Optionen sind eher überfordernd als gut. In unserer modernen Gesellschaft verstehen wir eine Vielzahl an Möglichkeiten oft als eine Art von Freiheit. Wir gehen davon aus, dass es uns zufriedener macht, wenn uns eine große Auswahl zur Verfügung steht. Schwartz widerspricht. Er bezweifelt, dass mehr Wahlmöglichkeiten zwangsläufig zu mehr Freiheit oder Glück führen, sondern ist davon überzeugt, dass sie im Gegenteil Stress und Unzufriedenheit verursachen. Und zwar aus gleich mehreren Gründen: Zu viele Optionen führen dazu, dass wir überproportional viel Zeit und Energie darauf verwenden, die »perfekte Wahl« zu treffen. Haben wir uns dann für eine Option entschieden, sind wir nicht einmal glücklich und zufrieden mit unserer Wahl, sondern neigen dazu, uns Gedanken darüber zu machen, ob es nicht doch eine bessere gegeben hätte. Schwartz spricht von den »Opportunity Costs«. Diese Opportunitätskosten entstehen durch das Gefühl, gute Alternativen vielleicht verpasst zu haben, und dies wiederum führt zu Zweifeln und Reue – selbst, wenn die gewählte Option objektiv gesehen gut ist.
Wobei es zu der Entscheidung erst einmal kommen muss: Die große Auswahl führt oft zu einer »Entscheidungslähmung«, schreibt Schwartz. Um keine falsche Entscheidung zu treffen, entscheiden viele Menschen lieber gar nicht oder schieben sie auf. Diese Überforderung zeigt sich in allen Lebensbereichen: von der Berufswahl über den Kauf von Konsumgütern bis hin zur Planung des täglichen Lebens. Es gilt also der alte Spruch »Weniger ist mehr«: Je weniger Optionen wir haben, desto schneller und stressfreier können wir entscheiden – ohne im Nachhinein an unserer Entscheidung zu zweifeln.
Wir müssen lernen, mit der großen Auswahl an Möglichkeiten umzugehen, und uns auf die Suche danach machen, was wir eigentlich tatsächlich brauchen und wollen.
Diese Erkenntnis ist erst einmal noch nicht sehr hilfreich. weil wir in unserem Kulturkreis in der Regel alle sehr viele Optionen haben. Wir müssen also lernen, mit der großen Auswahl an Möglichkeiten umzugehen und uns auf die Suche danach machen, was wir eigentlich tatsächlich brauchen und wollen. Wenn wir das wissen, entscheiden wir schneller, einfacher und ohne unsere Entscheidung später in Zweifel zu ziehen.
Ich habe während dieser schwierigen Phase in meinem Leben oft mit dem Gedanken gespielt, in meine alte Business-Welt zurückzukehren und wieder das zu machen, was ich gut kenne. Und ich habe mich zwingen müssen, daran zu glauben, dass da noch etwas kommt, das mich emotional berührt und begeistert.
Ein guter Deal mit meinem Hund
Es war klar: Sobald mein Ausstieg bei Blackberry bekannt wird, werden Jobangebote kommen. Ich wusste, dass ich schnell zu begeistern bin und leicht dazu hingerissen sein könnte, eines dieser Angebote anzunehmen. Deswegen habe ich mir, zurück aus Südafrika, einen Hund an meine Seite geholt. Schon als Kind wollte ich sehr gern einen Hund haben, aber da meine Mutter schon mit uns vier Kindern alle Hände voll zu tun hatte, kam ein Hund damals nie infrage. Jetzt also war die Gelegenheit gekommen. Meine Schwester hat Kontakte zu mehreren Hunde-Sheltern in Portugal. Diese Shelter sind Orte, an denen Straßenhunde versorgt werden, bis sich Besitzer für sie finden. Ich habe mir dort einen Hund ausgesucht und ihn mit nach Deutschland genommen. Der Deal war: Ich rette ihn vor dem Straßenhundeleben, bilde ihn aus und suche ihm langfristig ein gutes Zuhause. Im Gegenzug rettet er mich davor, den nächsten Job anzunehmen und in mein altes Leben zurückzukehren. Tatsächlich erhielt ich viele Angebote, von denen zwei mich sehr gereizt haben, und über die ich ohne meinen Hund zumindest lange nachgedacht und von denen ich wahrscheinlich auch eines angenommen hätte. So aber stand fest: Ich kann nicht. Ich hatte mich sozusagen selbst an die Leine genommen.
Mir war von vornherein klar, dass der Hund nicht für immer bei mir bleiben würde, weil ich zu viel unterwegs bin und mittelfristig auch beruflich wieder etwas tun wollte. Nach rund einem Jahr habe ich einen guten Platz für ihn gefunden, er lebt jetzt auf einem bayrischen Bauernhof, wo ich ihn einmal im Jahr besuche; es geht ihm super. Dieser Hund hat mir geholfen, die erste Phase meines neuen Lebens zu bestehen. Ich habe zahlreiche...