Müller / Ruf-Leuschner / Grimmer | Traumafolgen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 199 Seiten

Müller / Ruf-Leuschner / Grimmer Traumafolgen

Forschung und therapeutische Praxis
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-17-037565-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Forschung und therapeutische Praxis

E-Book, Deutsch, 199 Seiten

ISBN: 978-3-17-037565-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Physical and sexual violence, war, accidents & traumatic events are widely varied and can affect anyone and lead to severe mental illness. We now have extensive knowledge of the psychophysical development processes involved in post-traumatic stress disorders. At the same time, various disorder-specific psychotherapy methods have been developed for treating them. In this anthology, renowned authors from the scientific and practical fields present new and proven, evidence-based forms of therapy for trauma sequelae from the viewpoint of different psychotherapeutic methods. Outpatient and residential treatment methods, as well as therapies for adults as well as children and adolescents are taken into account.
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2          Soziale Traumatisierung durch Eltern und Gleichaltrige – unterschätzt und übersehen
Benjamin Iffland und Frank Neuner
2.1       Einleitung
Für den Menschen als soziales Wesen ist das Erreichen von Anerkennung und Wertschätzung durch Familienmitglieder, Freunde und Freundinnen, Kollegen und Kolleginnen und Fremde eines der Hauptmotive des eigenen Verhaltens. Wir wollen, dass andere uns mögen, wir wollen uns wichtig fühlen und wir wollen zu anderen dazugehören. Es wird angenommen, dass dieses Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit, Bindung und Akzeptanz, auch need to belong genannt, eines der bedeutendsten und grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse und, aus evolutionärer Sicht, ein überlebenswichtiges adaptives Motiv darstellt (Baumeister und Leary 1995). Wie wichtig die Befriedigung dieses Bedürfnisses für unser psychisches sowie physisches Wohlbefinden ist, lässt sich wohl am Besten erahnen, wenn man dessen Kehrseite, die Bedrohung oder Verletzung der sozialen Integrität, betrachtet. Eindrucksvoll verdeutlichen dies experimentelle Studien, die die Folgen von sozialem Ausschluss, einem Hauptaspekt der Bedrohung der sozialen Zugehörigkeit, untersuchen. Als kurzfristige Folgen von im Laborsetting induziertem sozialen Ausschluss zeigten sich über verschiedene Studien hinweg negative Stimmung, emotionaler Stress sowie verminderte Gefühle von Zugehörigkeit, Selbstwert und Kontrolle (z. B. Williams et al. 2000). Zusätzlich führte sozialer Ausschluss bei Betroffenen zu unmittelbaren körperlichen Auswirkungen in Form von hormonellen und peripher-physiologischen Stressreaktionen (u. a. Iffland et al. 2014a). Darüber hinaus wurde zuletzt der Befund viel beachtet, dass während des Erlebens von sozialem Ausschluss auf Hirnebene dieselben neuronalen Netzwerke aktiviert werden, die auch bei der Verarbeitung von körperlichem Schmerz aktiv sind (z. B. Eisenberger et al. 2003). Neben diesen kurzfristigen Folgen von experimentell erzeugtem sozialen Ausschluss werden in der Literatur auch langfristige negative Auswirkungen von sozialem Ausschluss, wie z. B. Entwicklung psychosomatischer Probleme und gesundheitlicher Risikofaktoren sowie ein breites Spektrum an psychischen Störungen, beschrieben (u. a. Nolan et al. 2003). Sozialer Ausschluss stellt allerdings nur eine prototypische Erfahrung dar, bei der das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Bindung und Akzeptanz verletzt wird und die mit gravierenden kurz- und langfristigen negativen Konsequenzen verbunden ist. Sowohl im Kontext der Familie, unter Gleichaltrigen, als auch im beruflichen Kontext sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene vielfach konfrontiert mit belastenden bis hin zu missbräuchlichen Sozialerfahrungen, die mit zahlreichen Problemen im Hinblick auf Emotionen, Kognitionen, Verhalten und die Gesundheit einhergehen (Baumeister und Leary 1995). 2.2       Kindesmisshandlungen
Kindesmisshandlungen stellen mit Sicherheit eine der größten Gefahren für die soziale und körperliche Integrität dar. Unter Kindesmisshandlung werden verschiedene Formen von missbräuchlichem und vernachlässigendem Verhalten, das zu einem tatsächlichen oder potenziellen Schaden für die Gesundheit, das Überleben oder die Entwicklung des Kindes führt, verstanden (Krug et al. 2002). Bei der Beschreibung von Kindesmisshandlungen wird meist unterschieden zwischen körperlichem (z. B. Schläge, Tritte), sexuellem (z. B. versuchter oder tatsächlicher sexueller Kontakt, Konfrontation mit pornografischen Inhalten), und emotionalem Missbrauch (z. B. beschimpfen, beschuldigen, einschüchtern, ausgrenzen) sowie körperlicher und emotionaler Vernachlässigung, wobei auch die Erfahrung, einem gewalttätigen Umfeld ausgesetzt zu sein und z. B. Gewalt in einer Partnerbeziehung zu bezeugen, als Kindesmisshandlung angesehen wird (u. a. Gilbert et al. 2009). Weltweit gilt die Misshandlung von Kindern als eine der wichtigsten sozialen Herausforderungen und ist mit erheblichen Beeinträchtigungen des sozialen Wohlbefindens und der Gesundheit verbunden (z. B. Kessler et al. 2010). Kindesmisshandlungen stellen einen Risikofaktor für die Entstehung von psychosozialen Problemen, wie unsicherer Bindung und schulischen Problemen, sowie für psychische Störungen dar (Cicchetti und Toth 2005). Insbesondere gehen Kindesmisshandlungen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von depressiven Störungen, bipolaren Störungen, Angststörungen, Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Substanzmissbrauch, Persönlichkeitsstörungen und Psychosen einher (s. Teicher und Samson 2013). Im Rahmen der sogenannten Adverse Childhood Experiences (ACEs) study wurden etliche Studien veröffentlicht, die eine lineare Beziehung zwischen der Anzahl verschiedener Arten von Misshandlungen, die eine Person in der Kindheit erlebt hat, und dem Risiko für eine Vielzahl von psychiatrischen und medizinischen Störungen aufzeigen (u. a. Anda et al. 2006). Unterschiedliche Formen von Kindesmisshandlungen treten dabei häufig gemeinsam auf und es zeigt sich, dass mit zunehmender Anzahl an erlebten Formen von Kindesmisshandlungen auch der Schweregrad und die Chronizität späterer Psychopathologie ansteigt (u. a. Edwards et al. 2003). Neben diesem Dosiseffekt deuten Ergebnisse der ACE Studie darauf hin, dass Häufigkeit und Schweregrad der Misshandlungen stark miteinander zusammenhängen. Der Schweregrad wurde dabei als einer der wichtigsten Risikofaktoren bei der Entstehung negativer psychischer und medizinischer Folgen identifiziert (u. a. Norman et al. 2012). Einige Studien weisen auf eine besonders schädliche Rolle sehr früher oder langanhaltender Misshandlungserfahrungen hin (u. a. Dunn et al. 2013). Des Weiteren zeigen Opfer von Kindesmisshandlungen bei psychischen Erkrankungen schwerere Verläufe als Patienten und Patientinnen, die keine Misshandlungserfahrungen gemacht haben. So treten Störungen bei Misshandlungsopfern früher auf, zeigen einen höheren Schweregrad, haben mehr Komorbiditäten und sprechen schlechter auf Behandlungen an (z. B. Teicher und Samson 2013). Auch zeigen sich Hirnveränderungen bei Patienten und Patientinnen mit Psychopathologie, die sich bei Patienten und Patientinnen ohne Misshandlungserfahrungen nicht zeigen (u. a. Grant et al. 2011). Mit Blick auf die genannten Auswirkungen von Kindesmisshandlungen auf Psychopathologie wird deutlich, dass es nicht die eine spezifische Folge von Kindesmisshandlungen gibt, die in einem bestimmten Symptomcluster mündet. Vielmehr führen Kindesmisshandlungen zu einem breiten Spektrum an Symptomen und physiologischen Veränderungen (u. a. Cicchetti und Toth 2005). Worin dieser Effekt der Multifinalität begründet liegt, ist bislang nicht gut verstanden. Allerdings weisen neuere Studien darauf hin, dass sowohl der Zeitpunkt als auch die Art der Misshandlung einen Einfluss auf das spezifische Muster der physiologischen und psychischen Folgen haben (Teicher und Samson 2013). Insbesondere legen Studien, die anhand bildgebender Verfahren die Auswirkungen von Misshandlungserfahrungen auf die Hirnmorphologie untersucht haben, nahe, dass sogenannte sensitive periods bestehen, in denen bestimmte missbräuchliche Erfahrungen gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung bestimmter Hirnareale haben, die mit der Entwicklung verschiedener psychischer Störungen assoziiert sind (z. B. Teicher et al. 2010). Gestützt wird diese Hypothese unter anderem durch Befunde, die zeigen, dass weniger die Gesamtschwere, Dauer oder Vielfalt an Kindesmisshandlungen der beste Prädiktor für spätere Symptomschwere einer depressiven Störung sind als vielmehr das Erleben bestimmter Misshandlungsarten in einem relativ eng bemessenem Altersabschnitt von zwei Jahren (Khan et al. 2015). Ein ähnliches Bild ergab sich für Veränderungen der Hirnanatomie. So wurde unter anderem berichtet, dass Veränderungen des Hippocampus, dessen Funktion mit einer großen Anzahl psychischer Probleme assoziiert ist, insbesondere mit dem Erleben von sexuellem Missbrauch in den Altersbereichen von 3–5 Jahren und 11–13 Jahren zusammenhängen (s. Teicher und Samson 2013). 2.3       Emotionale Misshandlungen im Kontext der Familie
Die genannten Befunde zur Hypothese der sensitive periods (Teicher und Samson 2013) weisen auf einen über viele Jahrzehnte vernachlässigten Aspekt von Kindesmisshandlungen hin. Denn obwohl die meisten Definitionen unter Kindesmisshandlung sowohl körperliche, sexuelle als auch emotionale Formen von Missbrauch und Vernachlässigung verstehen und die verschiedenen Arten von Missbrauch und Vernachlässigung stark miteinander interkorrelieren und häufig gemeinsam auftreten (u. a. Engfer 2005), wurden lange Zeit meist nur körperliche oder sexuelle Misshandlungsformen wissenschaftlich...


Dr. Julia Müller, Therapeutic Director of the Trauma Sequelae Disorders Unit and Transcultural Psychotherapy, Dr. Martina Ruf-Leuschner, Therapeutic Director of the Outpatient Department for Trauma Sequelae Disorders, and Dr. Bernhard Grimmer, Head of Psychotherapy, Münsterlingen Psychiatric Clinic. Prof. Christine Knaevelsrud, Professor of Clinical Psychological Intervention, Free University of Berlin. The late Dr. Gerhard Dammann was Hospital Director and Chief Physician at Thurgau Psychiatric Services.



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