Neugebauer-Wölk | Aufklärung und Esoterik | E-Book | sack.de
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E-Book, Englisch, Deutsch, 524 Seiten, Gewicht: 10 g

Reihe: ISSN

Neugebauer-Wölk Aufklärung und Esoterik

Rezeption - Integration - Konfrontation
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-484-97095-3
Verlag: M. Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Rezeption - Integration - Konfrontation

E-Book, Englisch, Deutsch, 524 Seiten, Gewicht: 10 g

Reihe: ISSN

ISBN: 978-3-484-97095-3
Verlag: M. Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Über das gesamte Zeitalter der Aufklärung hinweg hält die Auseinandersetzung mit Traditionsbeständen aus Neuplatonismus und Hermetismus, Pythagoreismus, Magie, Alchemie und Kabbala an, die heute unter dem Begriff der frühneuzeitlichen Esoterik zusammengefasst werden. Die Formen zeitgenössischer Aneignung variieren zwischen historisierender, kritischer oder emphatisch zustimmender Rezeption und der Transformation und Integration einzelner Elemente oder Systemfragmente in neue Konzepte. Doch kommt es auch zu polemischen Konfrontationen mit den neu entstehenden esoterischen Formationen im Diskurs der Epoche. Die siebzehn Beiträge des Bandes entwickeln interdisziplinär übergreifende Fragestellungen, untersuchen die spannungsreichen Konstellationen der Zeit mit Blick auf ihre Entstehungsbedingungen im 17. Jahrhundert, erkunden anhand von Einzelstudien die Verlaufswege des Diskurses im 18. Jahrhundert und erörtern aktuelle Probleme der Esoterikforschung.Der Band schließt an die 1999 erschienene Tagungspublikation zum gleichen Generalthema an und vertieft diesen Zugang zur Geschichte des 18. Jahrhunderts auf der Basis neuester Forschungen.
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Zielgruppe


Academics (Philosophy, German and Literary Studies), Institutes, / Philosophen, Germanisten, Literaturwissenschaftler, Institute, Bi


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Inhalt;5
2;Vorwort;7
3;Aufklärung - Esoterik – Wissen. Transformationen des Religiösen im Säkularisierungsprozess. Eine Einführung;11
4;„Eins in All! Und all in Eins!“ ‚Christliche Hermetik‘ als trojanisches Pferd der Aufklärung;35
5;Die „alte, vernünfftige Philosophie“ als „Weg=Weiser“ zur Aufklärung: Johann Conrad Dippel als Grenzgänger zwischen Pietismus, Hermetik und Frühaufklärung;59
6;Diskursive Formationen zwischen Esoterik, Pietismus und Aufklärung: Halle um 1700;83
7;Von Geistern und Begeisterten. Semler und die ‚Dämonen‘;121
8;Lessings vernünftige Palingenesie;137
9;Swedenborg als Rationalist;155
10;Atome, Sonnenstäubchen, Monaden. Zum Pythagoreismus im 17. und 18. Jahrhundert;211
11;„Ein Evangelischer Theologus und Platonischer Philosophe“ – Sigmund Ferdinand Weißmüller und die pythagoreische Tetraktys;289
12;The Kabbalah, Science, and the Enlightenment: the Doctrines of Gilgul and Tikkun as Factors in the Anthropological Revolution of the Eighteenth Century;305
13;The Hermetic Imagination in the High and Late Enlightenment;323
14;Aufklärung versus Esoterik? Vermessung des intellektuellen Feldes anhand einer Kabale zwischen Weißmüller, Ludovici und den Gottscheds;337
15;Die Legitimität des Obskuren;383
16;Proteusfiguren esoterischer Ästhetik bei Wieland, Hamann und Goethe;401
17;Esoterische Symbollandschaften in deutschen Gärten der Spätaufklärung. Orte zum Erproben neuer Sinnsysteme?;435
18;Die romantische Theorie der Unverständlichkeit als ästhetisches Residuum der Esoterik;463
19;Was ist Esoterik? Religionswissenschaftliche Überlegungen zum Gegenstand der Esoterikforschung;483
20;Personenregister;515


MANFRED BEETZ (Halle) (S. 131-132)

Lessings vernünftige Palingenesie

In den Weltreligionen des Hinduismus, Buddhismus, Islam, Judentums, Christentums und insbesondere den dazu alternativen religiösen Traditionen begegnen uns unterschiedliche Ausprägungen der Lehre von einer Seelenwanderung und Wiedergeburt, Ausprägungen, wie sie Helmut Zander in seinem Standardwerk Geschichte der Seelenwanderung eindrucksvoll belegt hat.1 Hinter dieser erstaunlichen weltweiten Karriere der Konzepte einer Neugeburt und Metempsychose wird man als gemeinsame Motivation Strategieversuche zur Bewältigung der Todesangst und des Verlustes Nahestehender vermuten dürfen, bleibt doch bei diesen Konzeptionen den Verstorbenen eine zwar vom empirischen Erfahrungsraum getrennte, gleichwohl aber hoffnungsvolle Option.

Im christlichen Abendland des 18. Jahrhunderts fällt auf, dass sich für Seelenwanderungs- und Palingenesievorstellungen nicht irgendwelche Nischen-Esoteriker aufgeschlossen zeigten, sondern zahlreiche namhafte Autoren und unter ihnen gerade die führenden Aufklärer: Leibniz, Lessing, Herder, Wieland, Lichtenberg, Goethe, der junge Schiller, der vorkritische Kant innerhalb der Reichsgrenzen wie außerhalb ihrer Locke, Hume, Bonnet oder Voltaire. Dass sich Freidenker wie Lau, Edelmann, Reimarus, Schade oder Weishaupt, die mit der christlichen Unsterblichkeitslehre ihre verständlichen Probleme hatten, der Sache annahmen, kann wenig überraschen.2

Wie aber ist es zu erklären, dass eine Leitfigur der deutschen Aufklärung wie Gotthold Ephraim Lessing ausgerechnet von der modernen Esoterik, von Theosophie und Anthroposophie als überragende Autorität und verlässlicher Gewährsmann reklamiert wurde? Die Frage führt ins Zentrum des von Monika Neugebauer-Wölk initiierten und geleiteten Forschergruppenprojekts der DFG „Die Aufklärung im Bezugsfeld neuzeitlicher Esoterik“. In ihm stellen sich auf breiterer Basis für die Aufklärungsforschung fundamentale Fragen: Welche esoterischen Traditionen sind latent oder offen in der Aufklärung zu eruieren?

Wie wurden die esoterischen Konzepte umgekehrt von der Aufklärung modifiziert? Martin Mulsow geht in seiner Studie zum Radikalaufklärer Georg Schade auf das Modell der Archäenwanderung ein, die einen aufsteigenden Weg von der mineralogischen über die tierische bis zur menschlichen Seele verfolgt. Schades „vernünftige Metempsychosis“ beinhalte die Neuverbindung der Seele nach dem physischen Tod mit einem subtileren Körper. 4 Auch A. G. Baumgartens Palingenesievorstellungen und das Konzept körperlicher Sublimationsstufen bei G. F. Meier stellt Mulsow in den Rahmen einer „Vernünftigen Hermetik“.

Sie funktioniere als Scharnier, um Leibnizsche Monadenlehre und Wolffschen Rationalismus mit einer deistischen Religionsphilosophie zu verbinden. Mulsow hat in seinem Tagungsbeitrag Vernünftige Metempsychosis grundlegende Problemstellungen angeschnitten, richtungweisend auch für unseren Beitrag: „Warum sind Lehren wie die von der Seelenwanderung als Aufklärung verstanden worden?“7 Wie beeinflussen sich Aufklärung und Esoterik wechselweise?

Treten Assimilationsprozesse auf? Mulsow geht in beiden Publikationen kurz auf Lessing ein, zunächst auf den jüngeren Lessing, der 1760 van Helmonts Archäenlehre im Kontext einer „vernünftigen Hermetik“ situierte und mit J. F. W. Jerusalems Vervollkommnungstheorie sympathisierte, im zweiten Beitrag weist er darauf hin, dass Lessing Bonnet nicht in christlicher Sicht, sondern im esoterischen Sinn aufgenommen und weitergeführt habe.

Im spinozistischen Hen kai pan gehe ein beständiger Übergang perfektibler Wesen zu höherer Gestalt vor sich.8 Schon Bollacher hatte 1978 die Beobachtung gemacht, dass sich aufklärerisches Denken mit der Propagierung der Seelenwanderung verbunden habe.9 Wie sich beides miteinander vertrage, welche Legitimation die Liaison von Aufklärung und Esoterik erfahre, blieb offen und ist nach Monika Ficks zutreffender Bestandsaufnahme der Forschung im Lessing-Handbuch 2004 noch immer ein Desiderat.


Monika Neugebauer-Wölk, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.



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