Nisslmüller Homo audiens
1. Auflage 2007
ISBN: 978-3-86234-050-7
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Hörakt des Glaubens und die akustische Rezeption im Predigtgeschehen. E-BOOK
E-Book, Deutsch, 464 Seiten, Format (B × H): 158 mm x 240 mm
ISBN: 978-3-86234-050-7
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Auditive Ästhetik ist ein weitgehend noch unerforschtes und eminent spannendes Terrain für die Geisteswissenschaften, insbesondere für die Theologie. Blickpunkt dieser Studie ist der homo audiens mit seinen Wahrnehmungspotentialen.Im Fadenkreuz von Theologie und Soziologie beleuchtet der Autor den Zugang zu einem neuen Verständnis der eigentlichen hermeneutischen Bühne, der auditiven Wahrnehmung des Predigt-Hörers.Hören avanciert zum anthropologischen Eckdatum der Sinnbestimmung unserer Existenz, und auf der inneren Hör-Bühne gestaltet sich das Netz menschlicher Handlungs- und Lebenspräferenzen. Die verschiedenen Facetten des Hörens aus theologisch-philosophischer, psychologischer und ästhetischer Perspektive bewusst zu machen und von daher ein Forum von Hörqualitäten vor Augen zu führen, ist ein besonderer Aspekt der vorliegenden Arbeit, die nicht zuletzt auch die Kategorie des Hör-Spiels coram Deo in den Blick rückt.
Dr. Thomas Nisslmüller ist Privatdozent an der Universität Dortmund und - nach Lehrengagements und Gastprofessuren in Russland, Bulgarien und Kalifornien - derzeit als Educational Consultant tätig.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Vorwort;9
2;Inhalt;13
3;Abkürzungen;21
4;0 Einleitung;23
4.1;0.1 Blickpunkt Hören;24
4.2;0.2. Hörwesen Mensch: Auditive Welt coram Deo;25
4.3;0.3 Hören, ein heuristischer »Akt«: Der auditive Freiheits-Gang;28
4.4;0.4 Im Hören liegt Heil: Gott gewinnt Gestalt im Hör-Akt;30
4.5;0.5 Szenenwelt Ohr und der Sinn des Hörsinns im Sinnenkosmos;33
4.6;0.6 Der Predigt-Hör-Akt;34
4.7;0.7 Die Inszenierungsgewalt des Hörens;37
4.8;0.8 Homo audiens: Hören als »Eckdatum« des Lebens;39
4.9;0.9 Der biblische Hör-Horizont;43
5;1 Die Kunst zu hören: Vom Sound zum Sinn;49
5.1;1.1 Hör-Dimensionen und Hör-Akt-Horizonte;50
5.2;1.2 Märchen-Topos Ohr;63
5.3;1.3 Vom Hören als zentralem anthropologischem Motivfeld;70
5.4;1.4 Plädoyer für eine »Hermeneutik des Hörens« (Snodgrass);79
5.5;1.5 Hören: Der Bestand des Christen als »akustisches Wesen«;81
5.6;1.6 Zur fiktionalen Architektur des Hörens;89
5.7;1.7 Zur Bedeutung des Hör-Aktes im Predigtgeschehen;92
5.8;1.8 Die Perspektivenwelt des Predigt-Hörers;111
5.9;1.9 Klang-Kosmos. Die Soundscape- Matrix: Zur intelligenten Choreographie der Welt;127
5.10;1.10 Predigen: Gottes »Image« vor Augen, Gott zu Gehör bringen;133
5.11;1.11 Die Inszenierungsmatrix;136
5.12;1.12 »Wunderbühne« Ohr;141
6;2 Die Hörspieldimension im Kontext homiletischer Redeweisen;143
6.1;2.0 Das Hörspiel, ein opto-akustisches Schauspiel;143
6.2;2.1 Begründungsweisen: Warum in aller Welt die Kategorie des Hörspiels?;172
6.3;2.2 Neutestamentliche Hörerfahrungen: Facetten einer auditiven Kultur im neutestamentlichen Literaturkosmos;174
6.4;2.3 Orientierungsleistung Hören;190
7;3 Der Hör-Akt als Forum von Hörqualitäten;217
7.1;3.0 Drei-Stufen-Modell des Hörens als Ouvertüre zum Areal der Hörmodi;220
7.2;3.1 Hörqualitäten (HQ). Einführung in die Kartographie des Hörens;226
7.3;3.2 Auf der Suche nach einem auditiven Koordinatenkreuz;231
7.4;3.3 Hörmodalitäten, Hörszenen, Hörqualitäten: Ein auditiver Catwalk;235
8;4 Ars audiendi Zum Predigt- Hören als Hörspielangebot und Hörspielrealisierung;383
8.1;4. 0 Die neuere Entwicklung der Predigttheorie;383
8.2;4.1 Predigtchoreographie;391
8.3;4.2 Predigt-Hören als Bühnenerfahrung;391
8.4;4.3 Hören stiftet Handeln: Hörakte als Facienda-Spur;392
8.5;4.4 Hör-Sinnlichkeit, oder: die Verknüpfungsaktivität des Hörens;392
8.6;4.5 Hören: Plädoyer für eine dialogisch-heuristische Weltvertextung;393
8.7;4.6 Der Hörer als Übersetzer;395
8.8;4.7 Ars representativa sive heuristica, oder: die Transitrationalität des Hörers;396
8.9;4.8 Intelligenzforum Hören;399
8.10;4.9 Das Gehirn als Organisations-Plattform des Hörens;400
8.11;4.10 Gottaffine »Mitspielsemantik«, oder: Gott spielt mit!;401
8.12;Exkurs: Synästhetische Motive und Momente Zu einer Grundlegung der Hörtheorie des Glaubens aus dem kognitiven Raum der Synästhesie;404
9;5 Zum Beschluss: Im Hör-Spiel Gott entdecken;409
9.1;5.1 Im Hör-Garten der Seele;409
9.2;5.2 Plädoyer für eine auditive Anthropologie;413
9.3;5.3 Der Zeichen-Spur folgen: Die choreographe Collagen-Welt der Hör- Bühne;416
9.4;5.4 Das Auredit als Horizont hörästhetischer Modellbildung;427
10;Literatur;429
10.1;Internet-Links:;466
"5 Zum Beschluss: Im Hör-Spiel Gott entdecken (S. 407-408)
5.1 Im Hör-Garten der Seele
Im Horizont der Freiheit des Hörens habe ich mich aufgemacht, dem Hören auf die Spur zu kommen. Manche Hürden waren zu überwinden, um der akustischen Welt coram seipso (und somit auch coram Deo) – im Kontext der Hörerfahrung im Predigtsetting – näher zu kommen. Das Hören stand im Blickpunkt, und der Blick reicht nicht nur ins Gehör, sondern aufs Gehörte hinaus, auf das, was im Hören auf Gehörtes und in der Hörverarbeitung an Wirkung und Wirklichkeit – letztlich: an Wahrheit – ins Leben tritt.
Für Religionspädagogik, Didaktik und Homiletik wird von dem o.G. her und darin deutlich, wie sich nicht nur die Predigthörkultur (und damit auch grosso modo Rezeptionskulturen) als eine filigran verästelte darstellt, sondern im Horizont der Klage über fehlendes »Erreichen« von Hörern in unterschiedlichsten edukativen Settings kann die hier vorgelegte Hörakt-Theorie den Problemkreis der Hörhaltungen, der Hörmodi sowie der weiten Navigationsflächen hörender Aufmerksamkeit ins Visier nehmen.
Das Hören erscheint nun konkret als eine Leistung, die sich auf einer inneren Bühne und im Rahmen einer auditiven Besinnungskultur auszuweisen hat. Das impliziert nicht nur gewichtige Folgen für die Predigt(hör)kultur, sondern auch und besonders für generelle Vermittlungsbemühungen und - situationen, die sich im Kontext des Zur-Sprache-Kommens des Gotteswortes um situative Kohärenz, authentische Darbietung und identitätsstiftende Kompetenzgewinnung sowie um heuristische Lernmuster und -wege mühen.
Zum Hören zu kommen ist für das Hörwesen Mensch ja nicht das Selbstverständliche. Das Verständliche kommt auch nicht von selbst; es ist und bleibt ein zu Suchendes. Die Universalisierung des Missverstehens (F.D.E. Schleiermacher) 757 als hermeneutische Grundgegebenheit trifft gerade auf das Hören zu. Das Über- und Sich-Verhören758, das Vorbeihören und »schlechte Hören« ist wohl eher die Regel. Der Predigthörer stand im Blickpunkt, und was läge näher, als an die Umgangskultur Jesu mit seinen Zuhörern zu erinnern, gesehen durch die Brille Bonhoeffers:
»Jesus läßt seine Zuhörer nicht einfach weggehen, damit sie nun aus seiner Rede machen, was ihnen gefällt, damit sie heraussuchen, was ihnen für ihr Leben wertvoll erscheint, damit sie prüfen, wie sich diese Lehre zu der ›Wirklichkeit‹ verhalte. Jesus gibt sein Wort seinen Zuhörern nicht frei, daß es unter ihren krämerischen Händen mißbraucht wird, sondern er gibt es ihnen so, daß es allein Macht über sie behalten muß. Menschlich gesehen gibt es unzählige Möglichkeiten, die Bergpredigt zu verstehen und zu deuten. Jesus kennt nur eine einzige Möglichkeit: einfach hingehen und gehorchen. Nicht deuten, anwenden, sondern tun, gehorchen. So allein ist Jesu Wort gehört. Aber auch wieder nicht vom Tun als von einer idealen Möglichkeit reden, sondern wirklich mit dem Tun anfangen.«"