E-Book, Deutsch, Band 42, 205 Seiten
Penz Schönheit als Praxis
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-593-40845-3
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Über klassen- und geschlechtsspezifische Körperlichkeit
E-Book, Deutsch, Band 42, 205 Seiten
Reihe: Politik der Geschlechterverhältnisse
ISBN: 978-3-593-40845-3
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Frauen und Männer arbeiten auf unterschiedliche Weise an der Attraktivität ihrer Körper, ebenso unterscheiden sich die Schönheitshandlungen privilegierter und unterprivilegierter Menschen voneinander. Das Buch bietet erstmals eine systematische Analyse klassen- und geschlechtsspezifischer Schönheitspraktiken und verknüpft sie mit der Frage nach sozialer Macht. Anhand von Interviews beleuchtet es das Spektrum und den Stellenwert von Körperpflege und -manipulation in den verschiedenen Gruppen. In Schönheitsdiskursen und -praktiken zeigt sich sowohl das Machtgefälle zwischen den Geschlechtern als auch die Unterlegenheit bildungsferner Milieus. Ein überraschender Schluss lautet, dass bei der Arbeit am Körper die klassenspezifischen Unterschiede in mancher Hinsicht größer sind als die Differenzen zwischen den Geschlechtern.
Otto Penz ist Adjunct Associate Professor am Department of Sociology der Universität Calgary und Lehrbeauftragter an der Universität Wien sowie an der Universität für angewandte Kunst Wien.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Vorwort;8
3;1. Schönheit im 21. Jahrhundert: Entwicklungstendenzen und strukturelle Logik;14
4;2. Zur Theorie zeitgenössischer Schönheitspraxis;38
5;3. Das Feld der Schönheitspraxis: Vier Berichte;57
6;4. Methodische Anmerkungen;87
7;5. Sechs Schönheitsklassen;92
7.1;5.1 Natürlichkeit und Individualität – Frauen der oberen Klasse David Loibl;92
7.2;5.2 Attraktivität als verallgemeinerter Normalzustand – Männer der oberen Klasse Philip Thom;104
7.3;5.3 Schönheit zum Wohlfühlen – Frauen der mittleren Klasse Augusta Dachs;114
7.4;5.4 Unauffällige sportliche Schönheit – Männer der mittleren Klasse Christian Hirst;128
7.5;5.5 Schönheit durch intensive Pflege – Frauen der unteren Klasse – Barbara Rothmüller;137
7.6;5.6 Kampf gegen Schweiß und Körpergeruch – Männer der unteren Klasse Barbara Rothmüller;148
8;6. Schönheitspraktiken im Vergleich;159
8.1;6.1 Geschlechtervergleiche;161
8.1.1;6.1.1 Die Schönheitspraxis der oberen Klasse David Loibl/Philip Thom;161
8.1.2;6.1.2 Die Schönheitspraxis der mittleren Klasse Augusta Dachs/Christian Hirst;167
8.1.3;6.1.3 Die Schönheitspraxis der unteren Klasse Barbara Rothmüller;172
8.2;6.2 Klassenvergleiche;178
8.2.1;6.2.1 Die männlichen Schönheitspraktiken im Vergleich Christian Hirst/Barbara Rothmüller/Philip Thom;178
8.2.2;6.2.2 Die weiblichen Schönheitspraktiken im Vergleich Augusta Dachs/David Loibl/Barbara Rothmüller;185
9;7. Schönheit und Macht: ein Resümee;195
10;Literatur;204
5. Sechs Schönheitsklassen (S. 91-92)
5.1 Natürlichkeit und Individualität - Frauen der oberen Klasse
David Loibl
Der oberen Klasse wurden 13 Gesprächspartnerinnen zugeordnet, die durchwegs über eine abgeschlossene akademische Ausbildung an Fachhochschulen oder Universitäten verfügen. Dabei dominieren rechtswissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Bildungswege. Die befragten Frauen sind entweder selbständig berufstätig - etwa als Unternehmensberaterin, Psychotherapeutin oder Fotografin - oder in führenden Positionen privater Unternehmen tätig, beispielsweise als Sales Managerin, leitende Zeitungsredakteurin und Architektin. Eine kleine Gruppe der Frauen hat wissenschaftliche Forschungspositionen inne.
Die befragten Frauen der oberen Klasse zeichnen sich durch eine zielgerichtete, aber insgesamt eher zurückhaltende Schönheitspflege aus, die nicht allzu viel Zeit und Energie beanspruchen soll. Die Frauen wollen sich in erster Linie in ihrem Körper wohlfühlen und dabei gepflegt und möglichst "natürlich" wirken. Neben der Natürlichkeit des Aussehens bildet die Individualität des Stils ein wesentliches Ziel ihres Schönheitshandelns. Statt "jeder Mode nachzulaufen" und dem "Schlankheits- oder Jugendwahn" zu erliegen, wollen sie ein Aussehen erreichen, das ihren eigenen, selbst definierten Ansprüchen genügt und mit ihrem Selbstbild vereinbar ist.
"Man soll einmal in sich selbst hineinhören und schauen, womit man zufrieden ist und womit man nicht ganz so zufrieden ist, und vielleicht daran arbeiten, dass man zufriedener wird - aber nicht auf das Außen schauen, sondern auf sich selbst", formuliert eine Gesprächspartnerin dieses Ziel. Dieser Zugang zum eigenen Körper und zum Thema Schönheit geht einher mit einem großen Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten im Bereich des Schönheitshandelns und einem selbstsicheren Umgang mit professionellen SchönheitsdienstleisterInnen.
Dienstleistungen, wie professionelle Maniküre oder Pediküre, werden von Frauen der oberen Klasse kaum in Anspruch genommen - unter anderem deshalb, weil aufwändige Praktiken, wie das Verzieren oder künstliche Verlängern der Fingernägel, in dieser Klasse nicht üblich sind. Auch FriseurInnen werden von Frauen der oberen Klasse kaum als ExpertInnen betrachtet, denen man sich anvertrauen kann und muss: Viele Interviewpartnerinnen wechseln ihre/n FriseurIn häufig, und einige korrigieren selbst nach oder nehmen die Bearbeitung ihrer Haare ganz in die eigene Hand. Jene, die regelmäßig Frisiersalons besuchen, tun dies vielleicht alle zwei, meist aber nur alle drei oder vier Monate.
Wichtiger als das Styling ist für die befragten Frauen die Pflege der Haare, für die teilweise auch recht aufwändige Prozeduren in Kauf genommen werden, während das Färben der Haare - dem Ideal "schön und gepflegt, aber natürlich" entsprechend - weniger üblich ist. Das Ziel der Haarpflege besteht vor allem darin, möglichst gesunde beziehungsweise gesund aussehende Haare zu haben. Einige der Befragten waschen ihre Haare zum Beispiel nur jeden zweiten Tag, um zu verhindern, dass sie strohig und brüchig werden. Bei der Körperpflege von Frauen der oberen Klasse spielt die Angst vor trockener Haut eine zentrale Rolle.
Etwa die Hälfte der Befragten gibt an, nur jeden zweiten Tag zu duschen, um die Haut zu schonen, und viele verwenden nach dem Duschen Cremes, öle oder Lotionen zur Pflege ihrer Haut. Das Entfernen der Körperhaare ist durchaus üblich, wenngleich es nicht von allen Interviewpartnerinnen praktiziert wird. Auch wird die Körperhaarentfernung weniger als Selbstverständlichkeit, denn als sozialer Zwang betrachtet, den einige Befragte stark inkorporiert haben und als persönliche Notwendigkeit empfinden, andere dagegen als äußeren Zwang erleben. So meint eine Interviewpartnerin zur Achselhaarentfernung:
"Da denke ich mir: Das ist für mich schon die Grenze, das geht nicht - die Achselhaare muss man sich rasieren", während eine andere von gesellschaftlichen Tabus spricht und erklärt: "Mein Bedürfnis wäre es nicht unbedingt, dass ich jeden Tag meine Achselhaare schön abrasieren muss." Solarienbesuche oder Körperschmuck wie Tätowierungen und Piercings stoßen in dieser Klasse durchwegs auf Ablehnung und kommen entsprechend selten vor."