E-Book, Deutsch, 190 Seiten
Reihe: Therapeutische Praxis
Petermann / Jacobs Training für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen
3., aktualisierte und ergänzte Auflage 2013
ISBN: 978-3-8409-2430-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Das neuropsychologische Gruppenprogramm ATTENTIONER
E-Book, Deutsch, 190 Seiten
Reihe: Therapeutische Praxis
ISBN: 978-3-8409-2430-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Ein zentrales Problem vieler Kinder und Jugendlicher besteht darin, dass sie ihre Aufmerksamkeit nicht gezielt fokussieren und steuern können. Der ATTENTIONER verzahnt neuropsychologische und verhaltenstherapeutische Therapieelemente mit dem Ziel, die Aufmerksamkeitsleistungen von 7- bis 14-jährigen Kindern wirksam zu verbessern. Die Kinder und Jugendlichen lernen vor allem, sich auf die jeweils wichtige Information zu konzentrieren und ablenkende unwichtige Umgebungsreize zu ignorieren. Dies wird zum einen durch attraktive Therapiematerialien, zum anderen durch eine enge Verzahnung von kognitiven und verhaltensbezogenen Trainingsmodulen erreicht. Die einzelnen Trainingseinheiten sind anwenderfreundlich beschrieben und werden durch kindgerecht gestaltete Trainingsaufgaben und -materialien ergänzt.
Das Gruppentraining ATTENTIONER eignet sich besonders für die Arbeit in Förderkursen, Beratungsstellen, Kliniken und Praxen. Das Trainingsprogramm hat sich als sehr motivierend und alltagsnah erwiesen, so dass sich Transferleistungen in den schulischen und häuslichen Alltag auch sehr deutlich zeigten. Es wird zudem durch ein Elterngruppentraining ergänzt, um den Transfer der Therapieerfolge der Kinder in den Alltag zu unterstützen. Die umfangreichen Arbeitsmaterialien für das ATTENTIONER- und das Elterngruppentraining können direkt von der beigefügten DVD ausgedruckt werden. In der aktualisierten Neuauflage wurden u.a. neue Wirksamkeitsbelege zum Training ergänzt.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Biologische Psychologie, Neuropsychologie
- Sozialwissenschaften Pädagogik Teildisziplinen der Pädagogik Sonderpädagogik, Heilpädagogik
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Kinder- & Jugendpsychiatrie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
Weitere Infos & Material
1;Training fu?r Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen;1
2;Inhaltsverzeichnis;7
3;Vorwort;9
4;Kapitel 1 Grundlagen;11
4.1;1.1 Erscheinungsformen und Verlauf;11
4.2;1.2 Einordnung der neuropsychologischen Ätiologie von Aufmerksamkeitsstörungen in ein verhaltenstherapeutisches Rahmenkonzept;13
5;Kapitel 2 Diagnostik von Aufmerksamkeitsstörungen;17
5.1;2.1 Klassifikation;17
5.2;2.2 Neuropsychologische Diagnostik;19
5.3;2.3 Eingangsdiagnostik;21
6;Kapitel 3 Das Vorgehen: Grundlagen und Übersicht;25
6.1;3.1 Grundlagen;25
6.2;3.2 Aufgaben und Prinzipien des Trainings;25
6.3;3.3 Elemente des Trainings;26
6.4;3.4 Lernmechanismen des Trainings;30
7;Kapitel 4 Ziele des Vorgehens;31
7.1;4.1 Zielgruppe;31
7.2;4.2 Verbesserung der selektiven Aufmerksamkeit;31
7.3;4.3 Steigerung der Selbstregulation;31
7.4;4.4 Aufbau sozial erwu?nschten Verhaltens;32
7.5;4.5 Alltagstransfer;32
8;Kapitel 5 Aufgaben und Durchfu?hrungsanweisungen;35
8.1;5.1 Allgemeine Durchfu?hrungshinweise;35
8.2;5.2 Sitzung 1;36
8.3;5.3 Sitzung 2;43
8.4;5.4 Sitzung 3;50
8.5;5.5 Sitzung 4;57
8.6;5.6 Sitzung 5;66
8.7;5.7 Sitzung 6;74
8.8;5.8 Sitzung 7;81
8.9;5.9 Sitzung 8;88
8.10;5.10 Sitzung 9;96
8.11;5.11 Sitzung 10;102
8.12;5.12 Sitzung 11;112
8.13;5.13 Sitzung 12;119
8.14;5.14 Sitzung 13;124
8.15;5.15 Sitzung 14;131
8.16;5.16 Sitzung 15;139
9;Kapitel 6 Elterngruppentraining;144
9.1;6.1 Trainingsaufbau und Elemente des Elterngruppentrainings;144
9.2;6.2 Beschreibung der ersten Elternsitzung;146
9.3;6.3 Beschreibung der zweiten Elternsitzung;153
9.4;6.4 Beschreibung der dritten Elternsitzung;158
9.5;6.5 Beschreibung der vierten Elternsitzung;162
9.6;6.6 Beschreibung der fu?nften Elternsitzung;167
10;Kapitel 7 Evaluation des Trainings;171
10.1;7.1 Wirksamkeitsstudien zum ATTENTIONER-Programm;171
10.2;7.2 Kurzzeiteffekte;172
10.3;7.3 Langzeiteffekte;177
11;Literatur;189
12;Anhang;192
13;CD-Materialien;193
Kapitel 3 Das Vorgehen: Grundlagen und Übersicht (S. 23-24)
3.1 Grundlagen
Der ATTENTIONER fußt auf zwei grundlegenden Annahmen: zum einen auf lernpsychologischen Erkenntnissen und zum anderen auf der neuropsychologischen Annahme, dass Aufmerksamkeitsstörungen primär als eine Inhibitionsstörung verstanden werden können.
Aus der neuropsychologischen Annahme einer Inhibitionsstörung lässt sich ableiten, dass es sinnvoll ist, Aufgaben zu entwerfen, mit denen man Hemmprozesse einüben kann. Dabei kann angenommen werden, dass von den betroffenen Kindern in der Schule ein solcher Hemmprozess erwartet wird, ohne dass dieser explizit Gegenstand des Lehrstoffes ist. Die betroffenen Kinder sind in der Schule überfordert, der Aufforderung des Lehrers nachzukommen, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Im ATTENTIONER ist das Erlernen von Hemmprozessen nicht nur Gegenstand der Therapie, sondern wird durch direkte Rückmeldung zu jeder bearbeiteten Aufgabe verstärkt. Eine weitergehende Annahme des ATTENTIONERS ist, dass sich das Kardinalsymptom Auf - merksam keitsstörung weiter spezifizieren lässt und sich dadurch eine spezifische Therapie ableiten lässt. Mit Hilfe des ATTENTIONERS kann man demnach die Aufmerksamkeitsselektivität (Steuerung) effektiv behandeln. Dabei werden auch immer wieder exekutive Funktionen – insbesondere Handlungsplanung und Handlungskontrolle sowie das Arbeitsgedächtnis – angesprochen.
3.2 Aufgaben und Prinzipien des Trainings
Die Aufgaben unseres Trainingsprogramms enthalten in erster Linie Anforderungen an die fokussierte und an die geteilte Aufmerksamkeit, da diese beiden Aufmerksamkeitskomponenten
– die größte Alltagsbedeutung haben,
– über eine gezielte Diagnostik von Auslassungen, Fehlern, Reaktionszeiten und Streuungsmaßen Rückschlüsse auf den Arbeitsstil (Slow- Responder vs. Fast-Responder) erlauben,
– durch geeignete Aufgaben einer angestrebten Strategieveränderung zugänglich sind, und
– durch eine differenzierte Verlaufsuntersuchung überprüft werden können, also Therapieeffekte nachweisbar sind.
Folgende verhaltenstherapeutische Prinzipien, die sich in der neuropsychologischen Behandlung von Kindern bewährt haben (vgl. Lepach & Petermann, 2006), werden bei der Behandlung aufmerksamkeitsgestörter Kinder eingesetzt (vgl. Chronis, Jones & Raggi, 2006):
– Das Training wird als Gruppentraining mit jeweils vier Kindern vergleichbaren Alters durch - geführt. Die therapeutische Arbeit mit einer Kin dergruppe ermöglicht eine strukturierte Bearbeitung verschiedenartiger Aufmerksamkeits - anforderungen und vor allem das Generieren alltagsnaher Lösungsstrategien, da die Kinder voneinander lernen können.
– In die Gruppentherapie integrierte Wettbewerbs - situationen (positiver Wettbewerb), in denen je - weils zwei Kinder eine Teamübung bearbeiten, erhöhen die Therapiemotivation.
– Die Aufgaben zur geteilten und zur selektiven Aufmerksamkeit werden durch ein Response- Cost-Token-System (R-C-T-System; zur Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Interventionen vgl. Toussaint et al., 2011) flankiert, das gewissermaßen den therapeutischen Rahmen herstellt. Das R-C-T-System dient
• der Verhaltensregulierung innerhalb der Trai - ningsgruppe,
• dem Aufbau und der Aufrechterhaltung der Leistungsmotivation während des Trainings und
• der Motivation zur Lösung der zu Hause selbst ständig zu bearbeitenden Aufgaben.
– Auch die Einführung von kindgerechten Leitfiguren, die sich in diesem Training am Drachen- Thema orientieren, das sich als roter Faden durch das gesamte Programm zieht, steigern die Identifikation mit dem Training und damit die Therapiemitarbeit der Kinder.
– Ein flankierendes Elterngruppentraining im Umfang von fünf Therapieeinheiten à 100 Minuten, ein standardisiertes Elterngespräch am Ende des Trainings sowie im Bedarfsfall optionale Elterngespräche während des Trainings hel - fen, die erreichten Therapieeffekte in den Alltag zu übertragen. Hier kommt auch eine Weiterführung eines modifizierten Response-Cost-Token- Systems in Betracht, das durch einen Vertrag zwischen Kind und Eltern vereinbart wird.
Aufgrund seines Aufbaus und der zahlreichen Materialien findet der ATTENTIONER vielseitige Beachtung und Verwendung in psychologischen, psychiatrischen, sonderpädagogischen und ergotherapeutischen Einrichtungen und Praxen (vgl. etwa Winter & Arasin, 2009).
Das Trainingsprogramm ATTENTIONER besteht aus 15 Sitzungen à 60 Minuten, in denen jeweils bis zu vier Aufgaben durchgeführt werden. Die Sitzungen sollten wöchentlich erfolgen. Kapitel 5 enthält die Aufgaben mit den dazugehörigen Durchführungshinweisen und Kapitel 6 beschreibt das Elterngruppentraining.
Im Idealfall sollte das Training von zwei Therapeuten durchgeführt werden. Es kann jedoch auch weitgehend von einem Therapeuten realisiert werden. Dabei kann die Verwendung der „Sondertracks“ hilfreich sein. Allerdings schränkt die Verwendung der „Sondertracks“ die Möglichkeit zur Manipulation der Aufgabenschwierigkeit ein. Vor der ersten und nach der letzten Sitzung mit den Kin - dern sind Elterngespräche vorgesehen. In Einzelfällen sind weitere Elterngespräche im Anschluss an das Training empfehlenswert.Wichtige Elemen - te des Trainings mit den Kindern sind ein Response- Cost-Token-System (R-C-T-System) sowie die Ge - heimaufträge, die zu Hause gelöst werden müssen.
3.3 Elemente des Trainings
Geheimaufträge. Sie bestehen aus jeweils einer Aufgabe pro Sitzung. Bei den Aufgaben handelt es sich um Knobelaufgaben, die verschiedene Problemlösefähigkeiten, Fähigkeiten zur Strukturierung und Handlungsplanung ansprechen. Die Aufgaben sind in der Regel auch von den Eltern nicht auf den ersten Blick lösbar und setzen voraus, Frustrationen aushalten zu können. Die Eltern sollen bei der Lösung der Aufgaben helfen, wenn dies vom Kind eingefordert wird. Werden die Eltern gefragt, dann sollen sie sich sofort mindestens 15 Minuten Zeit nehmen. Die Kinder werden darauf hingewiesen, bei der Hilfenachfrage fair zu sein und die Eltern nicht zu fragen, während sie etwa gerade unter der Dusche stehen. Diese Regel basiert auf der Erfahrung, dass bei Vertagung auf später die Geheimaufträge häufig nicht mehr bearbeitet werden. Schafft es ein Kind, an die Bearbeitung zu denken und die Eltern um Hilfe zu fragen, soll es mit der sofortigen Lösungsbereitschaft der Eltern belohnt werden. Dabei lernen die Kinder, dass manche Aufgaben auch von Erwachsenen nicht problemlos gelöst werden können. Sollte eine Lösung gelingen, dann ist die persönliche Bestätigung sehr groß.
Mit den Geheimaufträgen soll die Frustrationstoleranz gegenüber zunächst unlösbar erscheinenden Aufgaben gesteigert werden. Den Kindern kann das Vorgehen der Eltern bei der Lösung und der Umgang mit Frustration als Lernmodell dienen. Außerdem muss beim Lösen der Geheimaufträge die Aufmerksamkeit auf relevante Details der Aufgabenstellung fokussiert werden und wird so trainiert. In einigen Fällen wenden sich die Eltern (vor allem die Väter) vermehrt ihren Kindern zu, da es ein gemeinsames „Problem“ zu lösen gilt. Die Kinder werden auf diese Weise für die Auseinandersetzungs- und Arbeitsbereitschaft mit einer schwierigen Aufgabe und ihre Anstrengung durch gezielte Zuwendung der Eltern belohnt. Das Response-Cost-Token-System (R-C-T-System). Den verhaltenstherapeutischen Rahmen des Trainings bildet ein mehrschichtiges Response-Cost- Token-System. Das R-C-T-System basiert auf einer „Gewinnpunktekarte“ (vgl. Abb. 3), mit der
a) Sozial- und Arbeitsverhalten innerhalb der Trainingsgruppe reguliert,
b) die Motivation zur Mitarbeit gesteigert und
c) die Bereitschaft, die Geheimaufträge zu lösen, erhöht werden soll.