Petermann | Kinderverhaltenstherapie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 410 Seiten

Petermann Kinderverhaltenstherapie

Grundlagen, Methoden und Anwendungen
6., vollständig überarbeitete Auflage 2019
ISBN: 978-3-8444-2970-1
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen, Methoden und Anwendungen

E-Book, Deutsch, 410 Seiten

ISBN: 978-3-8444-2970-1
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Kinderverhaltenstherapie nimmt in der Versorgung von psychisch kranken Kindern eine zentrale Rolle ein. Wirksamkeitsstudien belegen sehr deutlich die Erfolge dieses Ansatzes bei nahezu allen psychischen Störungen des Kindesalters.

Der vorliegende Band führt systematisch in die lernpsychologischen Grundlagen der Kinderverhaltenstherapie ein, verdeutlicht Prinzipien der Verhaltensdiagnostik und liefert eine Übersicht über aktuelle Wirksamkeitsbelege dieser Behandlungsmethode. Besonders praxisnah wird auf die verschiedenen Behandlungsmethoden, wie Gruppentherapie, Eltern- und Familienarbeit sowie die modernen Ansätze der „Dritten Welle der Verhaltenstherapie“, eingegangen.
Weitere Beiträge stellen die folgenden Anwendungsgebiete der Kinderverhaltenstherapie vor: Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinderheilkunde, Kinderneuropsychologie, Frühförderung, Psychosomatik sowie Kinder- und Jugendhilfe.

Der Band liefert somit fundierte und praxisnahe Anregungen und Hilfen für die verhaltenstherapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

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|51|Verhaltensanalyse und Therapieplanung
Ulrike Petermann 1 Einleitung
Die Ausführungen des vorangegangenen Kapitels zeigten, dass verschiedene Lernprozesse die Entwicklung eines Kindes prägen. Ein Verhaltenstherapeut versucht im Rahmen der Diagnosefindung und der Therapieplanung, verursachende und aufrechterhaltende Bedingungen für das Problemverhalten sowie fehlende Bedingungen für das Zielverhalten zu finden und zu analysieren. Hierzu bietet sich nach wie vor das Modell der Verhaltensanalyse an. Auf der Basis der Verhaltensanalyse erfolgt die konkrete Planung und Durchführung des therapeutischen Vorgehens (F. Petermann, 2009; Reinecker, 2006, 2015). Um den Stellenwert und die Bedeutung der Verhaltensanalyse im Prozess einer Kinderverhaltenstherapie aufzuzeigen, sollen im Folgenden zunächst die historischen Wurzeln dargestellt, die Begriffsvielfalt erläutert und die Frage der Standardisierung vs. Individualisierung des diagnostischen Prozesses behandelt werden. Es schließen sich die Grundlagen und Elemente einer Verhaltensanalyse an; Beispiele konkretisieren das Prinzip der Verhaltensanalyse. |52|2 Historische Wurzeln
Im diagnostischen Prozess werden sehr unterschiedliche Informationen und Daten erhoben, die dazu dienen sollen, eine Diagnose im Sinne der Klassifikationssysteme ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation oder DSM-5 (American Psychiatric Association, 2013; American Psychiatric Association/Falkai et?al., 2018) zu finden, Erklärungszusammenhänge zu erhellen sowie situativ relevante, die Problematik aufrechterhaltende Faktoren zu analysieren. Psychologische Tests, klinische Checklisten, Verhaltensbeobachtungssysteme, Frage- und Explorationsbögen liefern hierzu alle relevanten Informationen. Zur Datensammlung für eine Verhaltensanalyse im Rahmen einer Kindertherapieplanung bieten sich vor allem die systematische Verhaltensbeobachtung und die standardisierte Elternexploration an. Die erste Systematisierung und Standardisierung der Datengewinnung und -auswertung, die sich nicht auf Informationen aus psychologischen Tests bezog, schlugen Kanfer und Saslow 1965 mit dem Konzept der Verhaltensanalyse vor; ein Leitfaden für die Gesprächsführung gab eine Orientierung darüber, welche Informationen wichtig und zu erheben sind (Kanfer & Saslow, 1969). Die Verhaltensanalyse ist eng mit der Methodendifferenzierung der Verhaltenstherapie verknüpft; denn für die Planung einer Verhaltenstherapie reichen psychologische Tests nicht aus. Vor der Entwicklung der Verhaltensanalyse durch Kanfer und Saslow (1965) jedoch drohte bis etwa Mitte der 60er Jahre – und in Deutschland bis Mitte der 70er Jahre – eine Verhaltenstherapie ohne ausreichende diagnostische Fundierung durchgeführt zu werden (vgl. Bayer, 1974). Für den deutschen Sprachraum hat 1974 Dietmar Schulte (Universität Bochum) die Verhaltensanalyse nach Kanfer und Saslow für die Verhaltenstherapieplanung bekannt gemacht. Das Neue und Spezifische an einer verhaltensanalytischen Diagnostik ist der enge Zusammenhang zwischen diagnostischem und therapeutischem Prozess. Da das Verhalten einer Person als abhängig von vorausgehenden Reizen und nachfolgenden Konsequenzen betrachtet wird, bedeutet dies, dass die Reaktionen einer Person auf einzelne Therapiemaßnahmen diagnostische Rückschlüsse auf Verhaltenszusammenhänge zulassen. Die diagnostische Analyseeinheit besteht also aus der Beziehung zwischen Umwelt und Verhalten (Kanfer & Saslow, 1965). Beispiel für den Zusammenhang zwischen diagnostischem und therapeutischem Prozess Eine Mutter wird in der Elternarbeit angeleitet, ihr Kind zu ignorieren, wenn sie im Gespräch mit jemand anderem von dem Kind unterbrochen wird. Sie soll das Kind dann in das Gespräch einbeziehen, wenn es, ohne die Mutter zu unterbrechen, zugehört hat. Lässt sich das Kindverhalten auf diese Art |53|modifizieren, so erhält man aus diesem therapeutischen Prozess eine Reihe diagnostischer Informationen: Das Kind hat die Mutter im Gespräch unterbrochen, um Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erhalten. Das Kind ist zum Reaktionsdiskriminationslernen fähig (vgl. Abschnitt 6.2 im Kapitel „Lernpsychologische Grundlagen“). Die Mutter ist in der Lage, Hinweise zu einer konsequenten Erziehung umzusetzen. Diese diagnostischen Informationen bilden – neben anderen grundlegenden Aspekten – die Basis für die weitere Therapieplanung. 3 Grundlegende Elemente und begriffliche Vielfalt
Im Zentrum der Verhaltensdiagnostik steht die Frage, welche Funktion die Umweltbedingungen für das Verhalten einer Person besitzen. Die Umweltbedingungen können als Reize ein Verhalten auslösen oder aber als Konsequenzen eines Verhaltens auftreten. Jedoch haben nicht nur äußere Bedingungen, sondern auch ein breites Spektrum interner Reize bzw. Zustände einen Einfluss auf das Verhalten eines Menschen. Diese verschiedenen Funktionen von internen und externen Bedingungen für ein Verhalten lassen den auf Kanfer und Saslow (1965) zurückgehenden Begriff der funktionalen Verhaltensanalyse sinnvoll erscheinen. Analog finden auch die Begriffe „Bedingungsanalyse“ bzw. „funktionale Bedingungsanalyse“, „Störungsanalyse“ (Schulte, 1998) sowie „Problemanalyse“ (Bartling, Echelmeyer & Engberding, 2016; Hautzinger, 2015b; Schulte, 1998; Ubben, 2017) Verwendung. In den letzten Jahren rückte in der wissenschaftlichen Psychologie die Bedeutung der Verhaltensanalyse durch die Dominanz der Neurowissenschaften in den Hintergrund. Inzwischen wird jedoch die Bedeutung der funktionalen Beziehungen von internen und externen Bedingungen für Verhalten von Menschen wiederentdeckt (Overskeid, 2008). Leigland (2010) weist auf die einzigartigen Merkmale des „radikalen Behaviorismus“ als wissenschaftlichen Rahmen für die weitere Entwicklung der Verhaltensanalyse hin. Die Diagnostik in der Verhaltenstherapie kommt ohne die Klärung von Bedingungen psychischer Probleme im Rahmen einer Verhaltensanalyse nicht aus (Hautzinger, 2015a; Reinecker, 2015). Die Ergebnisse der Verhaltensanalyse sind zentraler Bestandteil des Berichtes an einen Gutachter im Rahmen des Antragsverfahrens einer geplanten Psychotherapie (Reinecker, 2015; Ubben, 2017). |54|3.1 Verhaltensanalyse Trotz manchen, später vorgenommenen Differenzierungen und Erweiterungen bleiben die von Kanfer und Saslow (vgl. auch Bayer, 1974; Hautzinger, 2015b; Reinecker, 2015; Schulte, 1974) formulierte Zielbestimmung, Verhaltensanalyse und Therapieplanung die drei zentralen Aufgaben einer Verhaltensdiagnostik. „Klassische“ Fragen der Verhaltensdiagnostik nach Kanfer und Saslow (1969) Eine individuumspezifische und dennoch standardisierte Verhaltensdiagnostik soll Mithilfe der Beantwortung von drei Fragen geleistet werden: Zielbestimmung: Welche Verhaltensweisen sollen verändert werden, und zwar hinsichtlich ihrer Auftretenshäufigkeit, Intensität, Dauer oder Situationsangemessenheit? Verhaltensanalyse: Welche Bedingungen können die Entstehung des zu verändernden Verhaltens erklären, und welche Bedingungen halten dieses Verhalten aktuell aufrecht? Therapieplanung: Welche konkreten Therapieschritte können die gewünschten Verhaltensänderungen am besten bei einer bestimmten Person erreichen? Bei der Zielbestimmung treten zwei Aspekte in den Blickpunkt: zum einen die Symptomfreiheit, einschließlich der Beachtung von sozialen Bedingungen des Kindes und seiner Familie, von Therapiemöglichkeiten sowie von Konsequenzen einer Verhaltensänderung für das Kind und seine Familie, und zum anderen die Festlegung des Zielverhaltens, welches sich in der Kindertherapie nicht nur auf das Kindverhalten bezieht, sondern...



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