E-Book, Deutsch, 299 Seiten
Reihe: Klinische Kinderpsychologie
Petermann / Wiedebusch Emotionale Kompetenz bei Kindern
3., überarbeitete Auflage 2016
ISBN: 978-3-8409-2710-2
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 299 Seiten
Reihe: Klinische Kinderpsychologie
ISBN: 978-3-8409-2710-2
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Der Begriff der emotionalen Kompetenz umfasst eine Reihe von Fertigkeiten in den Bereichen Emotionsausdruck, Emotionsverständnis und Emotionsregulation. Emotional kompetente Kinder sind sich ihrer eigenen Gefühle bewusst, sie können ihre Gefühle mimisch und sprachlich zum Ausdruck bringen sowie eigenständig regulieren, sie können die Gefühle anderer Personen erkennen und verstehen, und sie können sich im Umgang mit anderen empathisch und prosozial verhalten.
Das Buch beschreibt aus entwicklungspychologischer Sicht die Ausbildung dieser zentralen Basiskompetenz in den ersten sechs Lebensjahren und zeigt Bezüge zum Sozialverhalten, schulischen Erfolg und Wohlbefinden von Kindern auf. Es werden sowohl temperamentsbedingte und familiäre Einflüsse auf die emotionale Entwicklung im Kindesalter diskutiert als auch Risikofaktoren aufgezeigt. Altersspezifische Verfahren zur Diagnostik emotionaler Kompetenz bei Kleinkindern, Vorschul- und Schulkindern werden vorgestellt. Zu den ausführlich beschriebenen Interventionen gehören Programme zur Förderung eines responsiven Erziehungsverhaltens von Bezugspersonen (Eltern, pädagogische Fachkräfte) sowie Trainingsprogramme zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenz von Vorschul- und Grundschulkindern.
In die 3., überarbeitete Auflage des Buches wurden sowohl eine Vielzahl aktueller empirischer Befunde zur emotionalen Entwicklung als auch Neuentwicklungen im Bereich diagnostischer Verfahren und präventiver Programme zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenz aufgenommen.
Zielgruppe
Psychologen, Pädagogen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychiater, Erzieher, Studierende und Lehrende der Psychologie, Studierende und Lehrende der Pädagogik
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Entwicklungspsychologie Kinder- und Jugendpsychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Kognitionspsychologie Emotion, Motivation, Handlung
Weitere Infos & Material
1;Emotionale Kompetenz bei Kindern;1
1.1;Inhaltsverzeichnis;7
1.2;Vorwort;11
2;Kapitel 1: Was ist emotionale Kompetenz?;15
2.1;1.1 Konzepte zur emotionalen Kompetenz;16
2.2;1.2 Emotionale Kompetenz als Entwicklungsressource;21
2.3;1.3 Sozial-emotionale Kompetenz;24
2.4;1.4 Emotionale Kompetenz und Bildung;28
3;Kapitel 2: Entwicklung von Emotionsausdruck und Emotionsverständnis;37
3.1;2.1 Entwicklung des Emotionsausdrucks;39
3.2;2.2 Entwicklung des sprachlichen Emotionsausdrucks;48
3.3;2.3 Entwicklung des Emotionsverständnisses;53
4;Kapitel 3: Entwicklung der Emotionsregulation;71
4.1;3.1 Kindliches Temperament;72
4.2;3.2 Emotionsregulation;78
5;Kapitel 4: Familiäre und außerfamiliäre Einflu?sse;93
5.1;4.1 Emotionales Familienklima;94
5.2;4.2 Emotionale Kompetenz und Bindung;99
5.3;4.3 Emotion Talk;100
5.4;4.4 Sensitiver Umgang mit Emotionen;104
5.5;4.5 Ko-Regulation von Emotionen;108
5.6;4.6 Emotionale Erziehungskompetenz;110
5.7;4.7 Zuku?nftige Forschungsbedarfe;116
6;Kapitel 5: Störungen beim Erwerb emotionaler Kompetenz;119
6.1;5.1 Risikofaktoren in der emotionalen Entwicklung;119
6.2;5.2 Temperamentsbedingte Vulnerabilität;122
6.3;5.3 Entwicklungsstörungen und -retardierungen;126
6.4;5.4 Verhaltensstörungen;132
6.5;5.5 Kinder depressiver Mu?tter;141
6.6;5.6 Misshandelte Kinder;151
7;Kapitel 6: Diagnostik emotionaler Kompetenz;159
7.1;6.1 Methoden und Probleme der Erfassung emotionaler Fertigkeiten im Kindesalter;159
7.2;6.2 Diagnostik emotionaler Fertigkeiten mit allgemeinen Entwicklungstests;161
7.3;6.3 Diagnostik emotionaler Fertigkeiten mit Entwicklungsscreenings;164
7.4;6.4 Diagnostik emotionaler Fertigkeiten mit spezifischen Erhebungsverfahren;170
7.5;6.5 Zusammenfassende Bewertung;206
8;Kapitel 7: Interventionen zur Förderung emotionaler Kompetenz;209
8.1;7.1 Ziele präventiver Interventionen zur Förderung emotionaler Kompetenz;210
8.2;7.2 Förderplanung;213
8.3;7.3 Übersicht der Förderprogramme;216
8.4;7.4 Förderprogramme fu?r Bezugspersonen;219
8.5;7.5 Förderprogramme fu?r Vorschulkinder;223
8.6;7.6 Förderprogramme fu?r Grundschulkinder;231
8.7;7.7 Zusammenfassende Bewertung;244
9;Literatur;249
Kapitel 3 Entwicklung der Emotionsregulation (S. 69-70)
Emotionale Zustände werden durch die Intensität der erlebten Gefühle und die Erregungsschwelle für emotionale Reize beeinflusst sowie durch regulative Prozesse initiiert, moduliert und beendet (Campos, Frankel & Camras, 2004). Die Fähigkeit zur Emotionsregulation setzt sich aus diesen beiden Komponenten, nämlich der physiologischen Reaktivität und der Verfügbarkeit von Regulationsstrategien, zusammen (Grolnick, McMenamy & Kurowski, 1999; vgl. Abb. 3). Nach Walden und Smith (1997) ist bei der Bewertung der emotionalen Kompetenz zu berücksichtigen, dass ein Kind auf zwei verschiedene Arten den Eindruck erwecken kann, seine Gefühle gut kontrollieren zu können:
• Erstens kann von vorneherein eine geringe emotionale Erregbarkeit des Kindes bestehen, die mit einem geringeren Regulationsbedarf einhergeht und
• zweitens kann ein kompetenter Umgang mit emotionalen Erlebnissen vorliegen, der durch einen erfolgreichen Einsatz von Regulationsstrategien hervorgerufen wird.
Beide Komponenten der Emotionsregulation sind eng miteinander verbunden: Zum einen erfordert das Ausmaß der physiologischen Reaktivität, die auch als Stressanfälligkeit aufgefasst werden kann, unterschiedliche Emotionsregulationsstrategien für die verschiedenen Erregungsgrade (Grolnick et al., 1999). Wenn Kinder etwa bedingt durch eine niedrige Erregungsschwelle mit hoher Frequenz und Intensität negative Emotionen erleben, behindert dies eine effektive Emotionsregulation. Zum anderen können die eingesetzten Regulationsstrategien auch die Intensität und Dauer emotionaler Erregung, also die physiologische Reaktivität, modulieren (Petermann & Kullik, 2011).
Während sich die physiologische Reaktivität schon im Säuglingsalter zeigt, entwickeln sich die Fähigkeiten zur Emotionsregulation bis in die mittlere Kindheit hinein weiter (vgl. Kullik & Petermann, 2012), sodass sich das Zusammenspiel beider Komponenten der emotionalen Selbstregulation im Entwicklungsverlauf verändert. In einer Längsschnittstudie von Murphy, Eisenberg, Fabes, Shepard und Guthrie (1999) mit Vier- bis Zwölfjährigen nahm die negative Emotionalität der Kinder mit zunehmendem Alter ab und die Fähigkeiten zur Regulation von Emotionen nahmen zu. Auch McCabe und Brooks-Gunn (2007) berichteten, dass die Fähigkeit zur Emotionsregulation bei Kindern im Vorschulalter mit dem Alter anstieg, wobei Mädchen ihre Gefühle besser regulieren konnten als Jungen und es den Kindern leichter fiel, ihre Emotionen zu regulieren, wenn sie allein waren als wenn sie sich in einer Gruppe von Gleichaltrigen aufhielten. Frühe Fähigkeiten zur Emotionsregulation erwiesen sich bei vier- bis siebenjährigen Kindern zwei Jahre später als Prädiktor für die Resilienz dieser Kinder (Petermann & Kullik, 2011; Spinrad et al., 2006).
Im Folgenden wird zunächst auf die an der Emotionsregulation beteiligten Temperamentsfaktoren und dann auf die Entwicklung einer eigenständigen Regulation von Emotionen sowie den Erwerb von Emotionsregulationsstrategien eingegangen.
3.1 Kindliches Temperament
Mit dem Temperament eines Kindes wird ein Set von Verhaltenstendenzen beschrieben, das vermutlich biologisch bedingt ist, eine hohe Kontinuität über die Lebensspanne aufweist (Kagan & Fox, 2006; Rothbart & Bates, 2006; Bates, Goodnight & Fite, 2008) und bereits ab dem frühen Säuglingsalter mit spezifischen physiologischen Prozessen assoziiert ist (Huffman et al., 1998). Dabei lassen sich zwei Temperamentsfaktoren voneinander unterscheiden, nämlich
• die physiologische Reaktivität beim Erleben spezifischer Emotionen und
• genetische Einflüsse auf die allgemeine emotionale Befindlichkeit, also die Emotionalität eines Kindes (Zentner, 1999).
Zusammen mit den emotionalen Regulationsstrategien beeinflussen diese Temperamentsfaktoren die Emotionsregulation des Kindes (vgl. Abb. 3).