E-Book, Deutsch, Band 6, 218 Seiten
Peters Philosophieren mit Spielen
unveränderte eBook-Ausgabe der 1. Auflage von 2021
ISBN: 978-3-7873-4086-6
Verlag: Felix Meiner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 6, 218 Seiten
Reihe: Methoden im Philosophie- und Ethikunterricht
ISBN: 978-3-7873-4086-6
Verlag: Felix Meiner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gesellschaftsspiele haben seit Beginn der Coronakrise wieder Hochkonjunktur. Dabei bieten sie nicht nur abwechslungsreiche Unterhaltung für private Spieleabende, sondern sind dank ihrer vielfältigen Thematiken und unterschiedlichen Spielsysteme auch als Methode für den Philosophie- und Ethikunterricht geeignet, um Schülerinnen und Schülern einen alternativen Zugang zu fachlichen Inhalten zu ermöglichen.
Wenn Menschen nicht aus professionellen oder semi-professionellen Gründen spielen, so handeln sie i. d. R. aufgrund einer intrinsischen Motivation. Ihr Ziel besteht dann nicht in der Verfolgung irgendeines Zweckes, sondern darin, ein Spiel um seiner selbst willen zu spielen. Die dem Spielen zumeist entgegengebrachte positive Einstellung lässt sich für den Philosophie- bzw. Ethikunterricht nutzen, auch wenn durch den unterrichtlichen Einsatz von Spielen ein den Schülerinnen und Schülern bewusstes Stundenziel verfolgt wird. Durch das Spielen kann der Zugang zu philosophischen Fragestellungen erleichtert werden. Darüber hinaus können philosophische Positionen oder Theorien veranschaulicht und Wege ins philosophische Denken eröffnet werden. Der Band beginnt mit einigen in die Thematik einführenden Bemerkungen der Herausgeber, auf die sowohl ein Theorie- als auch ein Praxisteil folgt. Im Theorieteil findet sich neben einem historischen Abriss über die didaktische Bedeutung des Spiels auch ein Überblick über die Chancen und Grenzen des Einsatzes von Spielen im Philosophie- und Ethikunterricht. Im Praxisteil werden zahlreiche Spiele vorgestellt, die sich besonders für den Einsatz in den beiden Sekundarstufen eignen. Zusätzlich bietet dieser Teil die entsprechenden Spielvorlagen zur
unterrichtlichen Umsetzung. Der Band schließt mit einer weiterführenden Auswahlbibliographie ab.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Philosophie Ethik, Moralphilosophie
- Geisteswissenschaften Philosophie Sozialphilosophie, Politische Philosophie
- Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Westlichen Philosophie Westliche Philosophie: Neuzeit
- Sozialwissenschaften Pädagogik Lehrerausbildung, Unterricht & Didaktik Allgemeine Didaktik Philosophie, LER (Unterricht & Didaktik)
- Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Westlichen Philosophie Westliche Philosophie: Aufklärung
- Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Westlichen Philosophie Antike Philosophie
- Sozialwissenschaften Sport | Tourismus | Freizeit Hobbies & Spiele
Weitere Infos & Material
Das Spiel im Netz der philosophischen Methoden
Ekkehard Martens Wenn man spielt, braucht man nicht zu wissen, was ein Spiel ist – man spielt einfach dieses Spiel und muss sich darin lediglich praktisch auskennen. Wenn man dagegen, wenn auch in praktischer Absicht, über das Spiel redet, etwa über »Das Spiel als Kulturtechnik des ethischen Lernens«, muss man wissen und Auskunft geben können, wovon die Rede sein soll. Versucht man hierfür »Spiel« zu definieren, wird man schnell feststellen, dass dies nicht so recht gelingt. Es gibt in unserer Alltagserfahrung und Tradition, erst recht in den unterschiedlichen Kulturen, so viele unterschiedliche Beispiele und Arten von Spielen, dass man sie nicht in einer einzigen, festen Wesens- oder Zweckbestimmung einfangen kann. Was »das« Spiel ist und wozu es gut sein soll, lässt sich nicht eindeutig definieren. Diese Erfahrung kann man bereits in der Alltagssprache machen. Man kann sich aber auch zusätzlich auf Wittgensteins Theorie der »Familienähnlichkeiten« der Begriffe mit seinem Paradebeispiel des »Spiels« berufen.1 Wir müssen auf die eine Definition, die uns aus der verwirrenden Vielfalt unserer Vorstellungen heraushelfen könnte, leider verzichten. Eine zunächst als befreiend empfundene Möglichkeit könnte dann sein, den Zwang zur Einheitlichkeit abzustreifen und fröhlich mit der Vielfalt zu leben. Wir nennen einfach »Spiel«, wie es uns gerade Spaß macht. Statt angestrengter, erfolgloser Begriffsarbeit scheint auch Philosophie insgesamt ein schönes Spiel mit Begriffen zu sein. Das Programm der Philosophen wäre gescheitert, die in den Spuren Platons versuchen, für die vielen Beispiele wichtiger, vor allem moralischer Begriffe von »gut« und »böse« eine Definitionen zu finden, um endlich den einen Maßstab für die vielen Fälle zu haben und damit das Handeln auf feste Ziele zu beziehen. Ob es sich dabei aber wirklich um Platons Programm handelt, ist zweifelhaft, ja sogar eindeutig zu verneinen. In Platons Spätdialog Parmenides etwa lobt der alte Parmenides, der Vertreter des »Einen«, zwar den Versuch des jungen Sokrates, jeweils eine Idee für die vielen Beispiele und Arten von Begriffen zu suchen. Er zeigt ihm aber auch, mit welchen Problemen eine derartige Suche verbunden ist. Dabei bringt er fast sämtliche Einwände vor, die seit Aristoteles gegen Platons sogenannte Ideenlehre vorgebracht wurden, etwa dass man dabei die Idee wie einen geistigen Gegenstand behandelt. Dennoch hält auch Parmenides an der Suche nach dem Einen fest. Wir müssen wissen, wovon wir reden, wenn wir nicht aneinander vorbeireden wollen. Und wir sollten nicht aneinander vorbeireden, wenn wir uns auf ein gemeinsames Handeln einlassen wollen oder müssen. Und wenn dieses Handeln Erfolg haben soll, müssen wir die wirklichen, nicht nur die ausgedachten Bedingungen unseres Handelns kennen. Wir können somit nicht einfach reden und handeln, wie wir – als einzelne oder als Gruppe – wollen.2 Die Suche nach dem Einen ist und bleibt nötig. Andrerseits ist sie, wie der alte, erfahrene Parmenides zeigt, nicht ohne weiteres im direkten Zugriff möglich. Nachdem Parmenides seine Einwände theoretisch im Gespräch mit Sokrates vorgetragen hat, führt er in einem »anstrengenden Spiel«3 (pragmateiode paidian) als praktische Definitionsübung vor, dass die Suche nach dem Einen notwendigerweise mit dem Vielen verbunden ist. Bereits wenn wir von dem »Einen« sprechen, haben wir es mit dem »Vielen« zu tun: mit dem Begriff des Einen und mit der damit bezeichneten Wirklichkeit des Einen. Und wenn wir umgekehrt von dem »Vielen« reden, benutzen wir hierfür den einen Begriff des »Vielen«. Der ausführliche Hauptteil des Dialogs Parmenides handelt in immer wieder neuen, oft verwirrenden Anläufen davon, wie beides, das Eine und das Viele, notwendigerweise miteinander verbunden ist.4 So benutzen wir auch den einen Begriff »Spiel«, haben aber viele unterschiedliche Vorstellungen, was wir damit meinen. Und selbst wenn wir uns jeweils auf eine gemeinsame Definition einigen, benutzen wir dabei Begriffe, die ihrerseits im Netz des Einen und Vielen gefangen sind. Zappeln wir hilflos im Netz unserer Sprache? Wie wir aus dem Netz unserer Begriffe zwar nicht herauskommen, aber dennoch mit ihm verlässliche Erkenntnisse einfangen können, zeigen die sokratischen Frühdialoge Platons. In ihnen führt der erfahrene Sokrates an praktischen Beispielen vor, wie man mit Hilfe eines Netzes philosophischer Methoden dem Dogmatismus des Einen und dem Relativismus des Vielen entgehen kann. In den Dialogen mit seinen Gesprächspartnern verfällt der alte Sokrates weder dem naiven Irrtum des jungen Sokrates, als ob man den einen, wahren Begriff im direkten Zugriff erfassen könne, noch bleibt er im bloß abstrakten Spiel der Begriffe des alten Parmenides stecken. Ein besonders gutes Beispiel für das sokratische Netz der philosophischen Methoden ist der Frühdialog Laches über die Tapferkeit: ¬ Der Dialog Laches mit den beiden Feldherren handelt vor dem allgemeinen Erfahrungshintergrund, dass man einerseits im Krieg auf Befehl gegen den Feind einfach drauflos stürmt, dass aber andrerseits im Peloponnesischen Krieg der Griechen untereinander das alte Freund-Feind-Schema und die herkömmlichen Wertvorstellungen aus den Perserkriegen oder dem Kampf um Troja problematisch geworden sind5 ¬ Sokrates erinnert seine beiden Gesprächspartner daran, dass ihr Verhalten von einer bestimmten Vorstellung oder einem Begriff von Tapferkeit geprägt ist, der aus der alten, vergangenen Welt Homers stammt: Hinsichtlich der kriegerischen Tapferkeit in einem Freund-Feind-Schema mit der konkreten Frage, ob ihre Söhne Fechten lernen sollen, um dadurch tapfer zu werden, müssen die Väter grundsätzlich beides prüfen: das Ziel und das Mittel. In einer begrifflich-argumentativen Analyse stellt sich heraus, dass der Erfahrungsbezug des Ziels zu eng ist (es gibt auch Zivilcourage), sein Wert fraglich ist (tapfer wozu?) und das erhoffte Mittel ambivalent ist (mit dem Fechten macht man nicht nur gute Erfahrungen). ¬ In Rede und Gegenrede schälen sich zwei scheinbar gegensätzliche Auffassungen heraus: Tapferkeit als unüberlegter Affekt und als bloßes Nachdenken über Mittel und Ziele (der Leser als dritter Dialogpartner kann beides leicht miteinander verbinden: Tapferkeit als überlegter Affekt). ¬ Insgesamt ist das sokratische Philosophieren bei Platon von Metaphern, Bildern und Gedankenexperimenten durchzogen (Höhlengleichnis, Seelenwagen, Ring des Gyges, Gericht im Jenseits etc.); im Laches nur indirekt, insofern Sokrates ausgerechnet mit den beiden Haudegen philosophiert und das Gedankenspiel nahelegt: Hätten die beiden Feldherren und Athen möglicherweise ein besseres Schicksal gehabt, wenn sie sich durch Denken statt durch blinden Affekt orientiert hätten? Das sokratische Philosophieren, so zeigt beispielsweise der Laches, ist weder eine vergebliche Suche nach dem einen, wahren Begriff noch eine bloße Spielerei mit den vielen Begriffen, sondern versucht sich mit Hilfe unterschiedlicher Methoden über ein fragliches Phänomen Klarheit zu verschaffen und im Erkennen voranzukommen, um sie im Lichte neuer Erfahrungen, Tatsachen und Argumente wieder zu verbessern. Die Methoden lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: ¬ etwas genau und differenziert beobachten und beschreiben (phänomenologisch) ¬ jemanden verstehen, wie man selbst oder ein anderer etwas versteht oder ansieht (hermeneutisch) ¬ begrifflich und argumentativ prüfen, was jemand zu verstehen gibt (analytisch) ¬ einander widersprechen und miteinander über Behauptungen streiten (dialektisch) ¬ phantasieren und sinnieren, wie man etwas ganz anders verstehen könnte (spekulativ). Die fünf elementaren Methoden des Philosophierens – die nicht mit den elaborierten Methoden der entsprechenden philosophischen Richtung verwechselt werden dürfen – bilden als Fünf-Finger-Modell zusammen eine Hand. Im prinzipiell unabschließbaren Prozess des Weiterdenkens lassen sich die Methoden in kein streng lineares Schema mit einem festen Anfang und Ende pressen und sind nicht voneinander zu isolieren. Vielmehr sind sie lediglich Akzente oder einzelne Finger der ganzen Methoden-Hand. So ist die Phänomenwahrnehmung eines Gegenstands oder einer Situation – etwa der fraglichen Tapferkeit – immer schon durch bestimmte Deutungsmuster von etwas als etwas vorgeprägt; ferner drückt sich das Verstehen in bestimmen Begriffen und Argumenten aus, die im Hin- und Herüberlegen geprüft und von Anfang bis Ende von Einfallen und Intuitionen durchzogen werden.6 Zusammengefasst ist philosophische Methodenkompetenz, ähnlich wie die üblichen Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens, eine elementare Kulturtechnik – nicht als mechanisch anwendbare, sondern als handwerkliche Technik. Als Kulturtechnik ist Philosophieren in einem dreifachen Sinne elementar: Sie ist einfach, grundlegend und unverzichtbar. Die Kulturtechnik des Philosophierens ist einfach, insofern sie mit möglichst gut verstehbaren und praktizierbaren Anfangsschritten beginnt und somit im Prinzip für jeden geeignet ist. Zweitens ist die Kulturtechnik elementar im Sinne von grundlegend, insofern sie die Voraussetzungen unseres Denkens und Handelns aufzuklären versucht. Drittens schließlich ist sie elementar, insofern sie für unser Leben als denkende Menschen ebenso unverzichtbar ist wie...