E-Book, Deutsch, Band 68, 656 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Platzhoff An Ostern die Auferstehung predigen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-374-05193-9
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine hermeneutische und qualitativ-empirische Studie zur Osterpredigt der Gegenwart anhand von Predigten zu Mk 16,1–8
E-Book, Deutsch, Band 68, 656 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Reihe: Arbeiten zur Praktischen Theologie (APrTh)
ISBN: 978-3-374-05193-9
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Arbeit befasst sich mit der Osterpredigt der Gegenwart als zentralem homiletischen Thema und zeigt daran exemplarisch die Relevanz der Hermeneutik für die Homiletik.
Im ersten Teil werden wichtige hermeneutische Weichenstellungen nachgezeichnet, anhand von Autoren wie Reimarus, Strauß, Schlatter, Bultmann, Hirsch, Marxsen, Lüdemann und Theißen. Im zweiten Teil entwickelt die Autorin zwei Methoden zur Predigtanalyse, mit deren Hilfe sie 16 Predigten zu Mk 16,1–8 auf ihren Textbezug und die Darstellung der Auferstehung untersucht. Im dritten Teil werden die Ergebnisse homiletisch reflektiert und über die Diagnose hinaus Wege und Kriterien vorgeschlagen, um die diagnostizierten Probleme, wie eine gewisse Sprachlosigkeit im Blick auf die Auferstehungsbotschaft, zu umgehen.
[Preaching Resurrection on Easter. A Hermeneutical and Qualitative-empirical Study of Contemporary Easter Sermons on Mark 16:1–8]
This study focuses on contemporary German Easter Sermons as a central homiletic topic, highlighting the homiletic impact of resurrection hermeneutics. The first part describes hermeneutical touch points by exemplary scholars like Reimarus, Strauß, Schlatter, Bultmann, Hirsch, Marxsen, Lüdemann and Theißen. In the second part, the author develops two methods to analyze Easter sermons on Mark 16:1–8. She tracks the preachers’ references to biblical texts, and analyzes the sermons’ understanding of resurrection. The third part reflects upon the results suggesting a fruitful hermeneutics of the Easter Gospel for preachers and proposing ways to address the neglect of the Christological center of the message of resurrection.
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EINLEITUNG
»Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich,
so ist auch euer Glaube vergeblich.«
(Paulus, 1Kor 15,14) 1 AUSGANGSPROBLEM
Kaum ein anderes Predigtthema ist aus theologischer Sicht so zentral wie die Predigt des auferstandenen Christus. Schon bei Paulus finden sich Spitzenaussagen, welche die gesamte christliche Existenz und Identität am Glauben an den Auferstandenen festmachen. Die Oster-Erscheinungen gelten als »Grunddatum« des Christentums und als Kristallisationspunkt des Glaubens. Ostern wird die Überwindung des Todes durch den auferstandenen Gekreuzigten gefeiert. Das Fest war ursprünglich das einzige und bedeutendste Jahresfest der Christenheit.1 In liturgischer Perspektive spiegelt sich die Bedeutung der Osterbotschaft darin, dass jeder Sonntagsgottesdienst als das wöchentliche Osterfest der Gemeinde verstanden werden kann.2 Manfred Josuttis hat die Osterpredigt daher als »Prototyp jeder Predigt schlechthin« bezeichnet.3 Die Osterbotschaft ist der Grund des Predigens und des Glaubens überhaupt.4 Die Frage nach der Predigt der Auferstehung/Auferweckung kann damit ohne Übertreibung als die Grundfrage christlicher Homiletik bezeichnet werden. Ist der Bezug zu diesem »Grunddatum des Glaubens« grundsätzlich in jedem Gottesdienst gegeben, so wird an den Osterfeiertagen in hervorgehobener Weise auf die biblischen Texte mit Auferstehungszeugnis rekurriert. Trotz der grundlegenden Bedeutung des Osterereignisses für den christlichen Glauben gibt es immer mehr Indizien dafür, dass Ostern ein problematisches Fest geworden ist: In der Beliebtheit ist Ostern in der Volksfrömmigkeit durch das Weihnachtsfest überholt. Im Jahr 2015 besuchten achtmal so viele Besucher einen Gottesdienst an Heiligabend (ca. 8,5 Mio.) wie an Karfreitag (ca. 978.000). Auch wenn die statistischen Zahlen der EKD keinen direkten Vergleich von Gottesdienstbesucherzahlen an Heiligabend und an Ostersonntag erlauben, dürfte im Vergleich der Besucherzahlen von Weihnachten und Karfreitag ein Trend sichtbar werden.5 In seinen beiden Arbeiten zum »Weihnachts-Christentum« bzw. zur »Heiligabend-Religion« verdichtet Matthias Morgenroth den empirischen Befund zu der These, dass das gelebte Christentum der Gegenwart vor allem ein »Weihnachts-Christentum« ist, das sich maßgeblich von Weihnachten her, mit seinen einprägsamen Stimmungen der Geschichte der Geburt in Bethlehem, versteht. Im Gegenzug haben Karfreitag und Ostern, einst die höchsten Feiertage der Christenheit, an Bedeutung verloren.6 Auch Konrad Merzyn spricht davon, dass die Teilnahme an einem Heiligabendgottesdienst mittlerweile eine eigenständige Form des Teilnahmeverhaltens von Kirchenmitgliedern (und Konfessionslosen) darstellt.7 In der Vergangenheit wurde die Bedeutung des Osterfestes auch dadurch infrage gestellt, dass es innerhalb der evangelischen Kirche eine Tendenz gab, den Karfreitag als höchsten Feiertag anzusehen. Christine Smith beobachtet diese Tendenz für den US-amerikanischen Kontext auch in der Gegenwart: »[E]ven though we declare Easter to be the heart and soul of the Christian faith, many of our churches treat Eastertide as a less important season than Lent.«8 Diesen bemerkenswerten Widerspruch zwischen dem, was als wichtig behauptet wird, und dem, was liturgisch und theologisch tatsächlich im Zentrum steht, gibt es auch in unseren Breiten. In einer Gruppe von 16 Vikaren der Nordkirche antworten im April 2015 die meisten, dass es ihnen leichter falle, »Karfreitag« zu predigen als Ostern. »Ostern« sei für sie die größere Herausforderung. Umfrageergebnisse legen nahe, dass die Ursache für die Krise des Osterfestes eng verbunden ist mit einer Krise der Botschaft von der Auferstehung Jesu. Statistische Befragungen dazu, wie viele Christinnen und Christen an die Auferstehung Jesu glauben, liegen leider nicht in ausreichendem Maße vor.9 Zieht man jedoch die Befragungsergebnisse heran, die Auskunft über den Glauben an ein »Leben nach dem Tod« geben, zeigen diese Ergebnisse eine starke Rückläufigkeit. Laut der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) von 2012 glauben insgesamt nur 43% von 3231 Befragten an ein Leben nach dem Tod. Unter evangelischen Christen liegt die Zahl derer, die an ein Leben nach dem Tod glauben, leicht über dem Durchschnitt, bei 48,5%. Unter katholischen Christen glauben 60,2% an ein Leben nach dem Tod.10 Damit ist natürlich nicht gesagt, dass die Befragten sich an christlichen Aussagen zum »Leben nach dem Tod« orientieren. Es können damit auch nicht-christliche Vorstellungskomplexe, wie die Vorstellung einer Wiedergeburt, verbunden sein. In der klassischen Dogmatik gehört die Frage eines Lebens nach dem Tod zum Topos der »Auferstehung der Toten«. Sie ist schon nach der Argumentation von Paulus 1Kor 15,13 eng mit der Frage nach der Auferstehung Jesu verbunden. Wie soll man an die Auferstehung Jesu glauben, wenn man es grundsätzlich für ausgeschlossen hält, dass es ein »Leben nach dem Tod« gibt bzw. dass Tote auferstehen?11 Insofern dürften die Menschen, die mit der Auferstehung der Toten nichts anfangen können, auch ihre Schwierigkeiten mit der Osterbotschaft der Kirche von der Auferstehung Jesu haben, und das sind immerhin eine Mehrheit der evangelischen Christen und knapp 40% der katholischen Christen. Hinzu kommt, dass mit 71,9% der Befragten eine große Mehrheit der Aussage zustimmt: »Unser Leben wird letzten Endes bestimmt durch die Gesetze der Natur«12. Die statistischen Zahlen zeigen: Der großen Bedeutung der Osterbotschaft und des Osterfestes für das Christentum stehen viele Fragen gegenüber, wie denn die Botschaft von der Auferstehung Jesu zu verstehen sei. Diese Fragen spitzen sich auf die Frage nach der Historizität der Osterereignisse und insbesondere der Historizität der Leiblichkeit des Auferstandenen zu. Eine EMNID-Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass sich 67% der evangelischen Christinnen und Christen nicht vorstellen können, dass die Auferstehung Jesu durch eine Aufhebung der Naturgesetze geschah.13 Regelmäßig erscheinen Publikationen in den kirchlichen und allgemeinen Medien, die sich des Themas auch über theologische Fachkreise hinaus – oft in populärwissenschaftlicher Aufmachung – annehmen. Im Frühjahr 2014 wurde z. B. in der Mecklenburgischen Kirchenzeitung über mehrere Ausgaben hinweg eine Debatte um die Leiblichkeit und Historizität der Auferstehung geführt. Dies geschah z. T. mit großer Emotionalität und Unsachlichkeit, bis hin zur Ausgrenzung, indem einem liberalen Kollegen der Glaube abgesprochen wurde. Daneben wird die Frage nach dem, was an Ostern stattgefunden hat, auch in den allgemeinen Medien wie dem Focus, der ZEIT, dem Spiegel diskutiert – woran ein allgemeines Interesse an der Frage nach der Auferstehung Jesu und ihrer Bedeutung abzulesen ist.14 Dass das Thema in der Öffentlichkeit kritisch hinterfragt wird, zeigt aber auch, dass es einen großen Klärungsbedarf und kein fragloses »So-ist-es« mehr gibt. 2 DAS NATURWISSENSCHAFTLICHE WELTBILD ALS »GLOBE«
In den Statistiken und Veröffentlichungen wird deutlich, dass die Osterbotschaft der Kirche vor allem deshalb hinterfragt wird, weil sie sich scheinbar nicht mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild vereinbaren lässt. Es geht dabei um eine Problemstellung, die Theologie und Kirche bereits seit der Aufklärung begleitet. Zwar gab es schon in der Antike Anfragen an die Auferstehung von einem Kritiker namens Kelsos.15 Markanten Eingang in die Theologie fanden diese Fragen aber erst durch die historisch-kritische Sicht auf die Texte, die sich ab der Zeit der Aufklärung mehr und mehr durchsetzte.16 Diese Ausgangslage möchte ich als »Homiletische Großwetterlage« bzw. als »Globe«17 verstehen, also als dasjenige Bedingungsgefüge, in dem sich das Homiletische Dreieck von Hörer, Prediger und Predigttext entspannt. Näher zu charakterisieren ist dieser Globe etwa mit dem von Emanuel Hirsch geprägten Begriff vom »Neuzeitlichen Wahrheitsbewusstsein«18 bzw. als neuzeitlich-naturwissenschaftliches Weltbild, das sowohl bei den Produzenten als auch Rezipienten von Osterpredigten vorausgesetzt werden kann. Diese »homiletische Großwetterlage« ist das Resultat weit zurückreichender Entwicklungen. Das neuzeitlich-naturwissenschaftliche Weltbild entstand durch eine Vielzahl von Entdeckungen und aneinander anschließender Denkleistungen, die bis heute prägend sind. Den Anfangsimpuls dazu gab die kopernikanische Wende mit dem neuen, heliozentrischen Weltbild, das durch die Beobachtungen von Galilei und Kepler bestätigt wurde. Die Physik Newtons trat der neuen Astronomie zur Seite und schuf die wissenschaftlichen Grundlagen für ein allumfassendes neues Weltbild, das das in Mittelalter und Antike vorherrschende geozentrische Weltbild ablöste.19 Ab dem 16. und 17. Jahrhundert bildete sich die systematisch und fachwissenschaftlich differenzierte Naturerforschung aus, die zur Erklärung von Abläufen konsequent ein wissenschaftliches Kalkül anwendete.20 Ein direktes göttliches Eingreifen in den Weltlauf wurde als immer problematischer empfunden und der biblische Schöpfungsbericht verlor seine...